Schlussverkauf in Dallas

Die Dallas Cowbyos schwenken die weiße Fahne und verramschen ihr Tafelsilber - alles muss raus. Anders kann man die Abgänge der letzten 24 Stunden kaum bezeichnen: Zunächst wurde Defensive End Everson Griffen nach Detroit abgegeben, anschließend entließ man die Veteranen Dontari Poe und Daryl Worley.

Einerseits ist die Taktik angesichts des ausbleibenden sportlichen Erfolgs wohl nachvollziehbar – schließlich sind die genannten Spieler nicht unbedingt billig. Andererseits ist man lediglich einen halben Sieg hinter Spitzenreiter Philadelphia Eagles in der NFC East notiert. Mit einem Erfolg im Sunday Night Game könnte man – dank der Bye Week Washingtons – sogar die Führung übernehmen.

Allerdings sieht es danach ganz und gar nicht aus: Andy Dalton ist mit seiner Gehirnerschütterung immer noch im Concussion Protocol und so wird es wohl den ersten Karrierestart von Siebtrundenpick Ben DiNucci geben (müssen).

Angesichts dieser trüben Aussichten entschied man sich dazu, Defensive End Everson Griffen nach Detroit zu traden; er hatte erst Mitte August einen Ein-Jahres-Vertrag in Dallas unterschrieben gehabt. Nach gut zwei Monaten war es das bereits wieder für den Pass Rusher, der bei den Cowboys in sieben Wochen insgesamt 2,5 Sacks holte (und damit beileibe nicht der schlechteste war).

Im Gegenzug kommt ein "Sechstrundenpick unter bestimmten Bedingungen" aus der Autostadt nach Texas; Griffen schafft damit das Kunststück, in seiner ersten Station Minnesota noch einen Cap Hit von 800.000 Dollar und in Dallas einen Cap Hit von gut 2,5 Millionen für das NFL-Jahr 2020 zurückzulassen.

Kurz nach der Meldung twitterte NFL Insider Tom Pelissero, dass Defensive Tackle Dontari Poe und Cornerback Daryl Worley zu haben wären und andernfalls entlassen werden würden.

Wie so oft fand sich kein Tradepartner in diesen Situationen (wozu auch einen Pick nach Dallas schicken, wenn man mit dem Spieler nach seiner angekündigten Entlassung komplett frei verhandeln kann?), so dass sowohl Poe als auch Worley am Mittwochabend entlassen wurden.

Poe wurde nach seiner Zeit am College bei den Memphis Tigers 2012 von den Kansas City in der ersten Runde getradet; dort spielte er die für einen guten Erstrundenpick üblichen vier plus eins Jahre. Über die Stationen Atlanta (2017) und Carolina (2018 und 2019) kam der zweimalige Pro Bowler Anfang April zu den Dallas Cowboys.

In sieben Spielen gelangen ihm magere sieben Tackles combined und kein Sack; dabei stand er zwischen 42 und 79 Prozent der defensiven Snaps auf dem Feld.

Auch Cornerback Daryl Worley, 2016 in der dritten Runde von den Carolina Panthers gedraftet, war jetzt nur ein paar Monate bei den Cowboys: Die hatten ihn Ende April mit einem Ein-Jahres-Vertrag ausgestattet, nachdem er in den letzten beiden Jahren bei den Oakland Raiders gespielt hatte.

Worley lief zwar in allen sieben Spielen auf, sah jedoch seit Woche 4 seine Spielzeit schwinden: Gegen die Browns war er noch in allen Defensivsnaps zum Einsatz gekommen, gegen die Giants dann in 75 Prozent, gegen die Cardinals in 34 Prozent und bei der Niederlage gegen Washington überhaupt nur bei einem einzigen Snap. Dabei kam er insgesamt nur auf 14 Tackles und einen abgewehrten Pass.

Fest steht, dass man angesichts der Leistungen bisher wohl keinem der drei "Kurzzeit-Cowboys" eine Träne nachweinen muss. Sie konnten nie beweisen, den Unterschied zu machen und letztendlich kann man in einer grottenschlechten Spielzeit jetzt wenigstens etwas Gehalt einsparen. Ein magerer Trost, wenn man die bittere Realität mit den hochfliegenden Ambitionen vor der Saison vergleicht...

Carsten Keller - 28.10.2020

Everson Griffen kam nur auf sieben Spiele im Cowboys-Jersey, bevor er jetzt nach Detroit getradet wurde (© Getty Images)