Rückkehr von Americas Team

Durch Free Agency und Salary Cap standen plötzlich Jahr für Jahr eine große Zahl gestandener Spieler auf dem Transfermarkt zur Verfügung. Mit diesen Spielern konnten die Teams ihre Kader kurzfristig verstärken und Schwachstellen in ihrer Mannschaft beseitigen. Es hing nun nicht mehr alles davon ab, dass sich die gedrafteten Spieler - über mehrere Jahre - wie erhofft entwickelten. Bevor diese Auswirkungen zu spüren waren, wurde die NFL aber zunächst noch von einigen wenigen Teams dominiert. Das dominierende Team der ersten Hälfte der 90er Jahre waren die Dallas Cowboys. Diese hatten zwischen 1992 und 1995 drei Super-Bowl-Erfolge in vier Jahren gefeiert - eine Ausbeute, die selbst den großen Teams der 70er und 80er Jahre nicht gelungen war. Das Cowboys-Team der frühen 90er Jahre war noch auf dem herkömmlichen Weg zusammengestellt worden, nämlich im Wesentlichen über die Draft.

Der Wiedergeburt der Cowboys und ihrem Aufstieg zum erfolgreichsten Team der 90er Jahre war ein tiefer Fall vorangegangen. Der Tiefpunkt war die 3-13-Bilanz 1988 gewesen. Mit dem sportlichen Niedergang ging die Demontage von Tom Landry, dem bis dahin einzigen Head Coach der Cowboys-Geschichte, einher. Der Einschnitt kam in Gestalt des Verkaufs des Teams Anfang 1989 an Jerry Jones, einen damals 46-jährigen Millionär.

Jones unterschied sich von der älteren Generation der NFL-Team-Besitzer durch seine aggressive, auf schnellen Erfolg abzielende Philosophie, die auf Traditionen wenig Rücksicht nahm. Sowohl das Management um General Manager Tex Schramm als auch Tom Landry und sein Stab wurden gefeuert. Jones galt als hemdsärmelig und rücksichtslos. Der neue Besitzer holte für den Posten des Head Coaches einen Mann, der ähnlich gepolt war wie er und mit dem er in der ersten Hälfte der 60er Jahre an der University of Arkansas das Zimmer geteilt hatte: Jimmy Johnson. Die Verbindung von Jones und Johnson war eine "Ehe", die reich an Spannungen war, schließlich waren beide gleichermaßen exzentrisch, aber das Ergebnis der nur fünf gemeinsamen Jahre konnte sich sehen lassen.

Schon in Johnsons zweitem Jahr begann der Aufschwung, und das lag auch an einer seiner Stärken: Er hatte einen unglaublichen Blick für Talente. Seine vier 1989 als erste gedrafteten Spieler, QB Troy Aikman, RB Daryl Johnston, C Mark Stepnoski und DE Tony Tolbert, gehörten am 31. Januar 1993 zur Startaufstellung beim Erfolg des Teams im Super Bowl XXVII. Auch der 1990 in der ersten Runde gedraftete RB Emmitt Smith und die 1991 ebenfalls in Runde eins gedrafteten Russell Maryland (Defensive Tackle) und Alvin Harper (Wide Receiver) trugen in Pasadena als Starter zum Erfolg bei. Mit dem 1991 in der dritten Runde ausgewählten OT Erik Williams und den beiden 1992 in der ersten Runde gedrafteten CB Kevin Smith und LB Robert Jones waren noch drei weitere Jungstars in der Anfangsformation zu finden.

Die ersten Erfolge zeigten sich schon in Johnsons zweiter Saison (1990). Die endete zwar nach Niederlagen an den letzten beiden Spieltagen mit einer 7-9-Bilanz, aber angetrieben vom "NFL Rookie of the Year", RB Emmitt Smith (937 Yards, elf Touchdowns), hatten die Cowboys bis zum letzten Spieltag Chancen auf einen Wild-Card-Platz in den Playoffs. Das brachte Johnson die Auszeichnung als Coach des Jahres ein.

Im folgenden Jahr erreichten die Cowboys mit einer 11-5-Bilanz dann tatsächlich wieder die Playoffs. Dort siegte man mit 17:13 im Wild Card Game bei den Chicago Bears, verlor dann aber in den Divisional Playoffs bei den Detroit Lions mit 7:38. Auch die Individualstatistiken wurden von Cowboys-Spielern geprägt. Emmitt Smith avancierte 1991 mit 1.563 Yards und zwölf Touchdowns zum Top-Rusher der Saison. Michael Irvin fing 93 Pässe für acht Touchdowns und 1.523 Yards. Er wurde damit nach Yards zum besten Receiver der Saison.

Was der Mannschaft bei aller Offensivkraft noch fehlte, war eine stabile Abwehr. Vor allem in der Passverteidigung gab es noch Schwächen. Mit der Draft von CB Kevin Smith und S Darren Woodson im April 1992 und der rasanten Entwicklung des im April 1991 gedrafteten Cornerbacks Larry Brown wurde dieses Problem dann aber abgestellt. Mit einer 13-3-Bilanz, der zweitbesten der Liga, gewannen die Cowboys 1992 ihre Division. Emmitt Smith war erneut der Top-Rusher der Liga (1.713 Yards und 18 Touchdowns) und Troy Aikman der zweitbeste Passer (3.445 Yards, 23 Touchdowns, 14 Interceptions).

Im Super Bowl XXVII in Pasadena trafen die Cowboys auf die nach zwei Super-Bowl-Niederlagen in den beiden vorangegangenen Spielzeiten mental offensichtlich angeschlagenen Buffalo Bills und fertigten diese mit 52:17 ab. Ein Erfolg, der auch deshalb so unerwartet klar ausfiel, weil sich die Bills neun Ballverluste leisteten, von denen fünf zu Touchdows der Cowboys führten. 15 Jahre nach ihrem letzten Titelgewinn standen die Cowboys wieder ganz oben.

Johnson kam der ganz große Erfolg fast zu früh. Er betrachtete sein Team noch als eines im Aufbau. Und er sorgte sich angesichts des Alters seiner Mannschaft um die Auswirkungen, die der schnelle Aufstieg auf die Spieler haben könnte. Ganz unbegründet war Johnsons Sorge nicht, stellten die Cowboys in der Saison 1992 doch das mit einem Altersdurchschnitt von nicht einmal 25 Jahren jüngste Team der NFL.

Von einer denkbaren Schwäche im folgenden Jahr (1993) wollte Troy Aikman nichts wissen. Nach außen wirkte Aikman oft zu geschäftsmäßig, fast unterkühlt, aber das täuschte. Aikman war und ist einer, der selbst im Moment des größten Erfolges nicht abhebt, und das hat gewiss maßgeblich zum Zusammenhalt der damaligen Mannschaft geführt, den Aikman später einmal als das für ihn Wichtigste an der Saison 1992 bezeichnete.

Und diese Zurückhaltung war nicht nur Attitüde. Nach dem Gewinn des Super Bowls und einer der besten Leistungen, die in den Playoffs je ein Quarterback gebracht hatte (Completion Percentage von 68,5 Prozent, 795 Yards, acht Touchdowns, keine Interception), wurde Aikman mit Angeboten für Werbeverträge und Anfragen für TV-Auftritte geradezu überhäuft. Angenommen hat er davon nur wenige.

Von einem Nachlassen konnte dann in der Saison 1993 keine Rede mehr sein. Mehr noch: Selbst Vertragsstreitigkeiten mit Emmitt Smith warfen das Team nicht aus der Bahn. Team-Besitzer Jerry Jones wollte zunächst nicht nachgeben, tönte, dass er Smith notfalls die gesamte Saison in Untätigkeit verharren lassen würde. Smith fehlte also zu Saisonbeginn, und ohne ihn verloren die Cowboys ihre ersten beiden Spiele in Washington (16:35) und gegen Buffalo (10:13).

Nach den beiden Auftaktniederlagen einigte man sich plötzlich ganz schnell mit Smith. Mit ihm gewannen die Cowboys zwölf der letzten 14 Spiele und ihre Division. Smith wurde trotz der beiden verpassten Einsätze Top-Rusher der Saison (1.486 Yards, neun Touchdowns). Durch die Playoffs marschierten die Cowboys genauso souverän wie im Jahr zuvor, mit Siegen gegen die Green Bay Packers (27:17) und die San Francisco 49ers (38:21). Im Super Bowl XXVIII trafen sie dann erneut auf die Buffalo Bills. So leicht wie im Jahr zuvor hatten es die Cowboys dieses Mal nicht. Doch die Wende brachten erneut die Ballverluste, auch wenn sich die Bills dieses Mal "nur" drei leisteten. Diese führten aber zu 17 Punkten der Cowboys, die schließlich 30:13 gewannen.


Der Text stammt aus dem Buch "Die Geschichte der NFL" von Holger Korber / Dirk Ladwig / Dieter Hoch - 228 Seiten - 24,90 Euro.

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