Miami Dolphins: Perfect Season

Als am Ende der 70er Jahre sportlich Bilanz gezogen wurde, hatten sich die Pittsburgh Steelers mit vier Super-Bowl-Erfolgen das Prädikat "Team of the Decade", Team des Jahrzehnts, verdient. Aber bevor die Steelers mit vier Titeln innerhalb von sechs Spielzeiten neue Maßstäbe setzten, hatten die Miami Dolphins ihrerseits historische Bestmarken gesetzt. Als erstes Team erreichten sie dreimal in Folge (1971 bis 1973) den Super Bowl, was selbst den Steelers nicht gelang. Es dauerte zwei Jahrzehnte, ehe die Buffalo Bills mit vier Endspielteilnahmen in Folge (1990 bis 1993) diesen Rekord brachen. 1971 waren die Dolphins am bis heute längsten Playoff-Spiel der NFL-Geschichte beteiligt (27:24 nach der zweiten Verlängerung bei den Kansas City Chiefs). Das Highlight aber war die so genannte "Perfect Season" 1972, als man alle 14 Spiele der Regular Season und anschließend auch beide Playoff-Begegnungen und den Super Bowl gewann - ein Kunststück, das bislang keiner anderen Mannschaft gelungen ist.

Einige Male waren Teams zugegebenermaßen kurz davor, es den Dolphins gleichzutun, einmal verhinderten die Dolphins selbst, dass es dazu kam. 1984 gewannen die San Franciso 49ers 15 von 16 Regular-Season-Spielen und später auch den Super Bowl - im Übrigen gegen Miami. Die einzige Niederlage der 49ers in dieser Saison war ein 17:20 bei den Pittsburgh Steelers am siebten Spieltag. Ein Jahr später überdauerte beim späteren Super-Bowl-Gewinner Chicago Bears der Traum von der makellosen Bilanz sogar zwölf Spieltage. Im Monday Night Game des 13. Spieltages aber fing sich die Abwehr der Bears, die bis dahin im Durchschnitt nur zehn Punkte pro Spiel zugelassen hatte, bei den Dolphins mit ihrem Quarterback-Jungstar Dan Marino 38 Punkte. Die Bears verloren mit 24:38. Ein von vielen erhofftes "Rematch" der beiden im Super Bowl - das nur am Rande - fiel aus, weil sich die Dolphins im AFC Championship Game auf eigenem Platz von den New England Patriots überraschen ließen (14:31).

Die Dolphins waren die erste "Dynasty" nach dem Zusammenschluss der alten NFL und der AFL zur NFL, wie wir sie heute kennen. Der Aufstieg von Dolphins und Steelers verlief fast parallel, und gemeinsam war beiden Erfolgsgeschichten, dass sie mit der Verpflichtung neuer Head Coaches begannen - Chuck Noll in Pittsburgh 1969 und Don Shula in Miami 1970. Damit aber nicht genug. Wie "gemalt" für die NFL-Geschichtsschreiber war auch dies: Beide kamen aus dem gleichen "Stall". Noll war 1968 Assistant Coach unter Shula, als der die Baltimore Colts bis in den Super Bowl führte. So weit die Gemeinsamkeiten, es gab aber auch Unterschiede. Die Steelers waren ein alteingesessenes Team, das jahrzehntelang vergeblich versucht hatte, Anschluss an die Top-Teams zu finden, die Dolphins waren erst seit 1966 dabei (damals in der AFL). Und während Noll vier Jahre brauchte, um die Steelers erstmals in die Playoffs zu führen und sechs Jahre bis zur ersten Super-Bowl-Teilnahme, machte Shula in Miami das Team mit der zweitschlechtesten Bilanz im Jahr zuvor (3-10-1) gleich in seiner ersten Saison zum Playoff-Teilnehmer und erreichte mit den Dolphins bereits im zweiten Jahr den Super Bowl.

Die Dolphins hatten Shula nach der Saison 1969 von den Baltimore Colts losgeeist. Dieser erhielt einen langfristigen, lukrativen Vertrag und eine Beteiligung am Team. Die Colts bekamen als Ausgleich das Zugriffsrecht in der ersten Runde bei der Draft 1971. Ironie der Geschichte: In Miami löste Shula mit George Wilson ausgerechnet den Mann als Head Coach ab, der ihm 1960 bei den Detroit Lions seinen ersten Job in der NFL verschafft hatte (Shula war drei Jahre dort Defensive Coordinator). Bis zu Shulas Verpflichtung waren die Dolphins ein Punktelieferant gewesen, der in vier Jahren nur 15 Spiele gewonnen hatte und seine Heimspiele im rund 75.000 Zuschauer fassenden Orange Bowl vor nicht einmal zur Hälfte gefüllten Rängen bestritt. Und eine schnelle Wende erwarteten die Fachleute auch durch Shula nicht. "Es wird ein kleiner Preis sein, wenn Shula den Erfolg nach Miami bringt, so wie er es in Baltimore getan hat. Er wird aber nicht umgehend kommen. Es fehlen zu viele Teile des Puzzles", schrieb damals ein angesehenes Vorschaumagazin mit Blick auf das, was sich die Dolphins den Shula-Transfer hatten kosten lassen. Ein Jahr später hätte sich der Verfasser dieses Zitats, der Journalist Larry Felser, gewiss gewünscht, er hätte diese Zeilen nie geschrieben. Mit einer 10-4-Bilanz qualifizierten sich die Dolphins nämlich, wenn auch für alle überraschend, als Wild-Card-Team für die Playoffs und verloren dort nur knapp bei den Oakland Raiders (14:21).

Die Gründe für den schnellen Erfolg waren vielschichtig. Zum einen erhöhte Shula die Anzahl der Trainingseinheiten, dann draftete er gut, vor allem im Defensiv-Bereich. So gehörten zu seinem ersten Draft-Jahrgang unter anderem CB Tim Foley und S Jake Scott. Außerdem erwies sich ein Tauschgeschäft als Volltreffer. Im Tausch gegen den ersten Draft-Zugriff in diesem Jahr holte Shula WR Paul Warfield von den Cleveland Browns. Dieser wurde später zu einem der Top-Receiver der NFL. Und dann fing er, anders als sein ehemaliger Assistant Coach Noll in Pittsburgh, um mal wieder auf den Vergleich mit den Steelers zurückzukommen, personell nicht ganz so weit unten an. Sein Vorgänger Wilson hatte ihm nämlich einige Spieler hinterlassen, die unter ihm zu Stars wurden: QB Bob Griese wurde von Wilson 1967 gedraftet, die Running Backs Larry Csonka und Jim Kiick 1968, RB Mercury Morris 1969.

Ein weiterer wichtiger Grund war, wie Shula im Angriff spielen ließ. Mit einem Begriff aus der heutigen Fußball-Terminologie könnte man das System "kontrollierte Offensive" nennen. Ballkontrolle war das oberste Gebot. Mit Csonka und Kiick hatte Shula dafür die richtigen Spieler. Beide waren für ihre Zeit überdurchschnittlich kräftig gebaut. Beide waren keine Spieler, die mit abrupten "Cuts" die gegnerischen Verteidiger austanzten, sondern holten den Raumgewinn durch das Zentrum der Abwehr, Yard um Yard, solange, bis der Gegner weichgeklopft war beziehungsweise sich so sehr auf die Verteidigung gegen das Laufspiel konzentrierte, dass Räume für die Pässe von Bob Griese frei wurden. "Kraftvolles Laufspiel ist wichtig. Wenn du das ins Laufen bekommst, dann kannst du das andere Team damit schwer schädigen. Wenn du zwei oder drei First Downs in Folge mit Läufen holst, dann setzt beim Gegner der Frust ein. Sie fangen an, darüber nachzudenken, was schief läuft, und wenn sie sich erst mal Gedanken darüber machen, was falsch läuft, dann hast du sie. Sie können nicht über Fehler grübeln und sich gleichzeitig auf ihre Aufgaben konzentrieren", beschrieb Kiick 1972 in einem Interview einmal den Effekt der Spielweise der Dolphins auf die Gegner.

Csonka ergänzte in dem selben Interview: "Wir haben einen vielseitigen Angriff, und wenn wir es schaffen, dass sich der Gegner auf das Laufspiel konzentriert, kann Bob Griese die langen Bälle auf Paul Warfield werfen". Und als Motto für die Mentalität der beiden und die Spielweise der Dolphins zu dieser Zeit könnte dieser Satz von Csonka dienen: "Ich werde meinen Stil nicht dem Team anpassen, gegen das wir gerade spielen. Lass sie doch sich mir anpassen. So war ich schon immer. Ich habe schon immer Dinge auf meine Art gemacht. Und wenn mir jemand Probleme bereitet, dann mache ich es weiter auf meine Art, nur noch etwas härter".

Der Text stammt aus dem Buch "Die Geschichte der NFL" von Holger Korber / Dirk Ladwig / Dieter Hoch - 228 Seiten - 24,90 Euro.

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