Rhein Fire

Es dauerte ein paar Jahre, aber dann erreichte mit Rhein Fire wenigstens ein anderes Team in Sachen Zuschauerinteresse, Medienpräsenz und Vermarktbarkeit das Niveau der Frankfurt Galaxy. Das war vor allem ein Verdienst von Alexander Leibkind, der 1996 den Posten des General Managers von Oliver Luck übernahm. Der gebürtige Münchner, der 2006 nach einem Herzinfarkt im Alter von nur 54 Jahren verstarb, schaffte es, sein Team mit Ideen, die zum Teil belächelt oder mit Kopfschütteln bedacht wurden, in Düsseldorf immer wieder ins Gespräch zu bringen. "Ich muss dieses Stadion voll bekommen oder zumindest besser füllen", wusste Leibkind, der in den 70er Jahren siebenmaliger Deutscher Meister im Judo gewesen war und 1976 zum Kader für die Olympischen Spiele von Montreal gehört hatte, was von ihm erwartet wurde.

Dabei zog er alle Register und wich bewusst von üblichen Marketingstrategien ab. Mal produzierte Fire einen Cheerleader-Kalender oder ließ sich Plakate von einem international bekanntem Künstler entwerfen, ein anderes Mal wurden Gullydeckel in Düsseldorf mit Fire-Motiven bemalt. "Ich habe ein Marketing-Budget, und ich kann mir aussuchen, ob ich damit nur stur Plakatwerbung und Radiospots mache, oder ob ich Aktivitäten aufbaue, über die man spricht. Und ich versuche eben, unser kleines Marketing-Budget zu vervielfältigen, in dem ich eine zündende Idee habe, wie auch die Gullydeckel. Damit komme ich in die Medien, und plötzlich habe ich ein Vielfaches von dem, was ich mit einfacher Werbung erzielen kann", beschrieb Leibkind seinen Ansatz. Zudem verwies er darauf, dass eine klassische Werbekampagne, um Rhein Fire erfolgversprechend am Markt zu platzieren, einen Aufwand von mehreren Millionen DM bedeuten würde - eine Summe, die ihm nicht annähernd zur Verfügung stünde.

Eine von Leibkinds Ideen war zum Beispiel die, in ihrer angestammten Sportart ausgemusterte ehemalige Fußballprofis mit bekannten Namen als Kicker anzuheuern. Als Leibkind dann den doch schon recht betagten Manfred Burgsmüller "anschleppte", rauften sich viele Mitarbeiter in der Fire-Geschäftsstelle die Haare. Aber nur kurz, denn Leibkinds Rechnung ging auf. Der Wechsel des "Originals" Burgsmüller in die exotische Sportart aus Übersee und damit Fire und die World League waren Thema in allen Medien. Die Aktion war so erfolgreich, dass die Admirals diese Idee mit einem ehemaligen Spieler von Ajax Amsterdam kopierten und die Claymores eine einstige Rugby-Größe verpflichteten. Ob Gullydeckel oder Burgsmüller - der Erfolg ließ sich in Zahlen klar messen. Nach einem Zuschauerschnitt von knapp 12.500 in ersten Jahr erreichte Fire in seiner zweiten Saison, der ersten mit Leibkind als Manager, knapp 18.600 Besucher pro Heimspiel - und das, obwohl Fire 1996 sportlich schlechter abgeschnitten hatte als im Vorjahr.

Bei allen "krausen" Ideen, letztlich wusste auch Leibkind, dass Fire auf lange Sicht vom Sportpublikum nur angenommen wird, wenn das Team auch sportlich mal was bewegt. "Mit unserer Mannschaft, die einmal Fünfter und einmal Sechster war, kann man niemanden hinter dem Ofen vorlocken. Deshalb müssen wir dieses Jahr attraktiven Football zeigen und vorne mitmischen. Ich erwarte nicht, dass wir jetzt gleich den World Bowl gewinnen, aber wir müssen vorne dabei sein, um uns auch sportlich etablieren zu können", so Leibkind kurz vor dem Beginn der Saison 1997.

Sein Wunsch wurde erhört. Zwar kostete Fire eine Auftaktniederlage gegen die Barcelona Dragons letztlich Platz eins nach der Vorrunde und damit die Gastgeberrolle für den World Bowl, aber ausgestattet mit endlich einmal guten NFL-Leihspielern wie QB T.J. Rubley (Denver Broncos), WR Bill Schroeder (Green Bay Packers), den OT Ethan Brooks (Atlanta Falcons) und OT Spencer Folau (Baltimore Ravens) oder G Mike Sheldon (Miami Dolphins) war Fire am Ende gar das Team mit der besten Regular-Season-Bilanz (7-3). Dass man den World Bowl in Barcelona gegen die Dragons verlor (24:38), war zu verschmerzen.

Es war der Auftakt zu einer letztlich sieben Jahre dauernden Phase des Erfolges, sportlich wie wirtschaftlich. 1998 gewann Fire zum ersten Mal den World Bowl (34:10 gegen die Galaxy), in der Saison 2000 zum zweiten Mal (13:10 gegen die Claymores). In den Jahren 2002 und 2003 folgten weitere World-Bowl-Teilnahmen, wenn auch erfolglose (20:26 gegen Thunder 2002 sowie 16:35 gegen die Galaxy 2003). Am Ende war Fire nach Siegen das zweiterfolgreichste Team der Ligageschichte, auch wenn die Gesamtbilanz (70-65) prozentual einen Tick schlechter war als jene von Dragons (61-55) und Admirals (69-64). Auch nach World-Bowl-Teilnahmen (fünf) war man die Nummer zwei hinter der Galaxy (acht).

Der Text stammt aus dem Buch "Von AFL bis NFL Europe" von Stefan Thoben - 292 Seiten - 29,90 Euro.

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