Versuch der Eroberung der Welt

Dass die NFL heute aus über 30 Teams besteht, ist auch der World Football League zu verdanken. Während viele NFL-Teambesitzer zu Beginn der 70er Jahre einer Expansion mehr als skeptisch gegenüberstanden, da befürchtet wurde, dass die Stücke vom "Profi-Football-Kuchen" mit jeder Expansion kleiner würden, versuchte Gary L. Davidson dieses Vakuum auszufüllen und verkündete am 3. Oktober 1973 die Gründung der WFL. Nach der Beendigung des "Football Wars" mit der AFL hatte es also nur kurz gedauert, bis wieder Konkurrenz vor der Tür stand.

Wenn die NFL dem Verlangen der Öffentlichkeit nach mehr Teams nicht nachkäme, erklärte Davidson, würde es eben die WFL tun. "Die NFL ist arrogant und selbstzufrieden geworden", behauptete der ehemalige Präsident der World Hockey Association. "Die Türen sind offen für einen Rivalen. Der Krieg hat begonnen." Auch wenn NFL Commissioner Pete Rozelle über solche Provokationen nur milde lächeln konnte, war es sicherlich kein Zufall, dass sich die bis dahin in punkto Expansion tief zerstrittene NFL ein knappes halbes Jahr später schließlich doch zu einer solchen durchringen konnte: Ab 1976 kamen mit den Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks zwei neue NFL-Franchises hinzu.

Davidson hingegen hatte mit der WFL große Pläne und strotzte nur so vor Selbstbewusstsein. Er glaubte, dass sich die WFL innerhalb weniger Jahre zu einer weltweiten Organisation entwickeln würde, womit er auch die durchaus ambitionierte Namensgebung begründete. Die WFL sollte zunächst mit zwölf Teams aus den USA an den Start gehen und innerhalb von fünf Jahren durch eine nicht-amerikanische Division mit möglichen Teams in Tokio, Madrid, London, München, Paris, Düsseldorf, Rom, Mexico City und Stockholm aufgestockt werden. "Wir haben weitaus bessere Voraussetzungen als die American Football League bei ihrer Gründung", prahlte Davidson.

Es darf jedoch daran gezweifelt werden, ob Davidson dies wirklich geglaubt hat oder er nur kräftig die Werbetrommel rührte, um finanzstarke Investoren an Bord zu holen. Im Gegensatz zur AFL knapp 15 Jahre zuvor hatte die WFL nämlich keine Teambesitzer, die es auch nur annähernd mit den finanziellen Möglichkeiten eines Lamar Hunt oder Bud Adams aufnehmen konnten. Davidson hatte sogar Probleme, seine Geldgeber überhaupt bei der Stange zu halten. Nachdem er sich am 14. Januar 1974, ein halbes Jahr vor dem geplanten Saisonstart, mit zwölf Interessenten getroffen hatte, sprangen im Laufe der kommenden Wochen ständig wieder Investoren ab und neue kamen hinzu. Der einzige WFL-Owner mit dem nötigen Kleingeld war der kanadische Millionenerbe John Bassett, dessen Vater einst Präsident des NHL-Clubs Toronto Maple Leafs gewesen war.

Bassett war es auch, der der WFL ihren ersten großen Coup bescherte: Am 31. März 1974 verkündete Bassett die Verpflichtungen von RB Larry Csonka, RB Jim Kiick und WR Paul Warfield. Das Star-Trio von den Miami Dolphins wurde mit millionenschweren Drei-Jahres-Verträgen in die WFL gelockt und sollte ab 1975 für die Memphis Southmen auf Punktejagd gehen. Bassett machte sich zunutze, dass die Spieler bei den Dolphins völlig unterbezahlt waren. Selbst der zweite Super-Bowl-Triumph in Folge im Januar 1974 konnte Miamis notorisch sparsamen Besitzer Joe Robbie nicht dazu bewegen, die Bezüge seiner Stars aufzubessern. So war es kein Wunder, dass Csonka, Kiick und Warfield schließlich dem Lockruf des Geldes folgten. Csonkas Gehalt zum Beispiel verachtfachte sich durch seinen Wechsel, den "Signing Bonus" nicht einmal eingerechnet.

Andere WFL-Teambesitzer folgten dem Beispiel und angelten sich NFL-Spieler mit so genannten "Future Contracts", die 1975 oder sogar erst 1976 angetreten werden sollten. Die WFL hatte dafür den perfekten Zeitpunkt erwischt, denn die NFL bekriegte sich mit der Spielergewerkschaft (NFL Players Association) um die Einführung eines Tarifvertrages, was im Juli 1974 in einem Spielerstreik kulminierte. "Keine Freiheit, kein Football" lautete das Motto der NFLPA – die WFL kam den Gewerkschaftern da gerade recht, um mehr Druck auf die NFL-Teambesitzer auszuüben.

Der Text stammt aus dem Buch "Von AFL bis NFL Europe" von Stefan Thoben - 292 Seiten - 29,90 Euro.

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