Routine schlägt Risikobereitschaft

Schwäbisch Hall Unicorns - Gewinner des German Bowl 2022Der 43. German Bowl 2022 wurde im Vorfeld nicht ohne Grund als die "Battle of the Undefeated" bezeichnet. Sowohl die erfahrenen Schwäbisch Hall Unicorns, als auch die ungestümen Potsdam Royals gewannen in der regulären GFL Saison ihre beiden Gruppen ohne Niederlage Potsdam empfahl sich mit 520 Yards eigenem Raumgewinn pro Spiel und einer effektiven Passverteidigung, die nur knapp hinter den Unicorns landete. Fragezeichen standen nur hinter dem verletzten QB Chris Helbig, der schließlich von Robert Patterson IV. ersetzt wurde. Favorit Schwäbisch Hall glänzte vor allem während der regulären Saison mit ihren pfeilschnellen Receivern und präzisen Pässen. Entsprechend konnte wieder einmal mit Recht festgestellt werden, dass sich die beiden besten American Footballmannschaften des bundesdeutschen Vereinssports in der Main Metropole versammelten, um den neuen Champion auszuspielen. Die beiden besten Teams waren es in vielerlei Hinsicht.

Die Offensivkraft der Royals zum Beispiel ist schon eine eigene Geschichte wert. Drei der sechs Athleten mit u?ber 110 Yards Raumgewinn pro Spiel der GFL Saison 2022 spielten für Potsdam. Neuzugänge wie Running Back Karri Pajarinen aus Finnland, der bereits in Skandinavien zu den Besten seiner Zunft gehörte und Quarterback Chris Helbig, der bis zum Halbfinale das Konzept von Offensive Coordinator Randy Jackson perfekt umsetzte, fügten sich nahtlos in die Mannschaft ein und sollten den heiß begehrten Henkelpott endlich einmal in die ehemalige Residenzstadt der preußischen Könige entführen.

Mit einem etwas anderen Ansatz erreichten die Dauergäste beim German Bowl auch in diesem Jahr das deutsche Endspiel. Quarterback Reilly Hennessey verschob die Anteile im Angriff etwas zu Gunsten des Läufes und bereicherte damit sein Team mit mehreren Überraschungseffekten. Die Rückkehr von Mikey Alfieri und Christian Santos Insua, die Gesundung von Maurice Schüle und die rasante Entwicklung von Lars Kozlowski bescherte Hennessey die notwendige Qualität, um diesen Plan auch in die Praxis umzusetzen. Selbstredend behielten die Unicorns mit ex NFL Profi Moritz Böhringer und Tyler Rutenbeck zwei Trumpfkarten in der Hand, um über den Pass weiterhin Big Plays aufziehen zu können.

Es sollte daher nicht verwundern, dass die Baden-Württemberger als Favorit angesehen und beim German Bowl sechs ihrer sieben Angriffsserien in Frankfurt mit Punkten garniert wurden. Den Herausforderern aus Brandenburg sollten jedoch die ersten Minuten des Finales gehören. Mit einem Trickspielzug während des ersten Kickoff Returns tankte sich Brandon Polk bis zur Haller Endzone. Nur eine Blocking Strafe sollte ihn aufhalten und auch die zweite Szene des Abends gehörte Potsdam. Karri Pajarinen erlief die erste Führung des Abends, die angewiesene Conversion misslang allerdings genauso, wie ein folgender Onside Kick. Einige Beobachter des German Bowls XLIII fühlten sich an die Haller Spielweise vor elf Jahren zurück erinnert, als seinerzeit in Magdeburg die Unicorns nach ihrem ersten Touchdown ebenfalls einen Onside Kick ausprobierten, allerdings agierten die Haller damals spürbar erfolgreicher. In Frankfurt am Main wurde der Kick im Jahr 2022 Halls Joshua Haas aufgenommen und dieser Ausnahmespieler hatte über 37 Yards freie Bahn bis in die Potsdamer Endzone. Die hohe Risikobereitschaft der Brandenburger wurde somit nur teilweise belohnt, einen großen Eindruck machten diese Kunststücke auf die Unicorns letzten Endes nicht.

Mit einem Quarterback Sneak sorgte Halls Spielmacher Reilly Hennesey für die Wende und verkürzt den Abstand zu den Potsdamern auf nur einen Punkt. Zuvor leistete Running Back Mickey Alferi zu Beginn des zweiten Viertels mit einem 28 Yard Rush für wertvolle Pionierarbeit und erreichte auch fast die gegnerische Endzone. Der vierfache deutsche Meister erhöhte seine Octanzahl in seiner zehnten Finalteilnahme signifikant auf und präsentierte seinen Fans das bekannt gefährliche und präzise Passspiel. QB Hennessey sollte Tyler Rutenbeck, der sich für das große Finale die grandiosesten Momente seiner Sprung- und Fangqualitäten aufgespart hatte, über 31 Yards bedienen und das wichtige 20:13 für sein Team werfen. Potsdam wurde fortan gefordert und musste schnell eine Antwort finden, um sich nicht von Hall dominieren zu lassen. Der Griff aus der Umklammerung gelang jedoch nicht und ein unpräziser, zu weit geworfener Passversuch wurde von Halls Safety Alex Spillum gesichert. Diese Interception musste schon fast als der Beginn einer frühen Vorentscheidung angesehen werden, da die Royals nicht mehr zu ihrer, in der regulären Saison oft gezeigten Angriffsstrategie zurückkehrten. Hall agierte andererseits umso selbstsicherer von der gegnerischen 20 Yard Zone aus und Tight End Moritz Böhringer setzte weitere Ausrufezeichen. Zwar versuchte Potsdam das Vorpreschen der Unicorns zu verhindern und Cornerback Linus Baumbusch zeichnete sich durch engagierte Tackles aus, doch es reichte nicht aus, um Hennessey effektiv zu stoppen. 18 Sekunden vor der Pause lief der Vorzeige-Quarterback schließlich über zehn Yards durch die Mitte in die Endzone und scorte zum 27:13 aus Sicht der Baden-Württemberger. Hall hatte somit endgültig den Turnaround geschafft und glänzte während der ersten beiden Viertel mit 8,4 Yards Raumgewinn pro Rush.

Nach der Pause dauert es ein paar Minuten, bis beide Teams erneut mit Spitzenleistungen glänzen können. Nach einem Haller Field Goal, trumpfen die Royals noch einmal auf und zeigten, dass sie noch nicht bereit sind, Schwäbisch Hall als neuen kommenden deutschen Meister ohne Gegenwehr zu akzeptieren. QB Robert Patterson IV. profitierte von der vorbildlichen Arbeit seiner Offensive Line und hatte viel Zeit zum Passen. Auch seine Läufe faszinierten das Publikum. Schließlich konnte Patterson Dragan Sixten mit Hilfe einer Slant Passroute finden und warf zum 20:30 Anschluss-Touchdown, doch die Unicorns fanden erneut schnell eine Antwort, profitierten erneut vom zweiten missglückten Onside Kick der Royals und konterten durch einen 27-Yard-Pass auf Moritz Böhringer, der auch den Ball nachdem Onside Kick Versuch aufnahm. Sie bauten damit ihre Führung auf 37:20 im dritten Viertel aus.

Im letzten Viertel verteidigten die Unicorns insgesamt ihre Dominanz auf dem Feld, auch wenn Royals QB Patterson noch einmal seine Laufstärke unter Beweis stellte und sich wieder in die Scoringtabelle eintrug. Insgesamt reichte sein Engagement aber nicht aus. Die Royals vergaßen zu oft, ihrer Linie treu zu bleiben, die sie während der regulären Saison 2022 eindrucksvoll durchzogen und wurden immer wieder durch individuelle Fehler, wie das zu frühe Überschreiten der Line of Scrimmage durch Niclas Klopsch zurück geworfen. Den Schlussstein setzte schließlich Aurieus Mintons Catch nach einem siebenminütigen Drive in der Royals Endzone in der letzten Spielminute zum 44:27 für Schwäbisch Hall und krönte damit sein Team mit der heiß ersehnten fünften deutschen American Football Meisterschaft im German Bowl XLIII.

Dass Potsdam mit dem Endergebnis nicht zufrieden sein konnte, lag auf der Hand und viele Footballfans wunderten sich, warum die Royals von ihrer erfolgreichen Spielphilosophie, die sie bis in das Endspiel trug, ausgerechnet im Endspiel davon abwichen. Die Erklärung mag einfach sein. Mit Überraschungseffekten wollten die Brandenburger die etablierten Unicorns verwirren: "Wir hatten einen guten Plan mit den Onside Kicks. Das hat aber leider überhaupt nicht funktioniert. Schwäbisch Hall war in allen drei Bereichen besser gewesen", erklärte Royals Head Coach Michael Vogt nach dem Spiel und betonte zusätzlich, dass RB Parjarinen sehr überzeugte, allerdings mit zunehmender Dauer, hätten sie mehr Pässe werfen müssen, um das Momentum noch für sich zu sichern. "Ab Mitte des zweiten Viertels sind wir immer hinterhergerannt. Zufriedener präsentierte sich natürlich Halls Head Coach Jordan Neuman über den Spielverlauf und löste das Rätsel seines Defensivplanes auf: "Sie haben zwei gute Wide Receiver und wir mussten die beiden auf jeden in Schach halten. Wir spielten mit einer etwas größeren Box. Gleichzeitig behielten wir ihre starken Running Backs im Auge, da wir wussten, dass die Royals lauflastig waren. Sie waren sehr gut an der Line und haben sehr gut gekämpft und uns vieles abverlangt."

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Schwäbisch Hall Unicorns im Porträt

Teil 1: Stürmischer Beginn, harte Landung und Comeback

Teil 2: Zweiter Versuch

Teil 3: Endstation Viertelfinale

Teil 4: Jubiläum 20 Jahre Unicorns

Teil 5: Und wieder Stopp im Viertelfinale

Teil 6: Erstmals international, erstmals Halbfinale

Teil 7: Klassiker gegen Marburg und Stuttgart

Teil 8: Aus größter Not gerettet

Teil 9: Nummer eins im Süden

Teil 10: Nummer eins in Deutschland

Teil 11: Der Triumph

Teil 12: Zweiter Titel

Teil 13: Rückschlag im Viertelfinale

Teil 14: Immer wieder Stuttgart

Teil 15: Zugänge aus Mannheim

Teil 16: Wieder nur Zweiter

Teil 17: Back to back Meister

Teil 18: Jede Serie endet irgendwann

Teil 19: Ein neuer Bezwinger

Teil 20: Routine schlägt Risikobereitschaft

Schwäbisch Hall Unicorns - Gewinner des German Bowl 2022

Schwäbisch Hall Unicorns - Gewinner des German Bowl 2022 (© Frank BAUMERT)

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