Die Taktik der Abschottung gegen sämtliche potenziellen Newcomer war für die NFL nur ein Jahrzehnt lang in den 50er Jahren durchzuhalten. Unter anderem die Öl-Milliarden aus Texas und deren Besitzer hatten das Potenzial, das Geschäftsmodell der NFL schlichtweg zu kopieren und mit einer aggressiven und auf Jahrzehnte gesicherten Finanzierung die alte Liga aus dem Markt zu drängen. Die Gründung der AFL 1960 war nicht nur der Beginn eines finanziellen "Football Wars", den nicht notwendigerweise die NFL gewonnen hätte, wenn es 1970 keine Einigung und Fusion gegeben hätte. Sie war ähnlich wie 1933 bezüglich NFC East und North (damals "West") auch die entscheidende Geburtsstunde für die Zusammensetzung der beiden heutigen Divisionen AFC East und West.
Boston Patriots, Buffalo Bills und New York Titans formten gemeinsam mit den Houston Oilers die Eastern Conference der AFL. Die Patriots erweiterten später in den 70er Jahren in der Namensgebung ihr Einzugsgebiet auf ganz New England, die Titans gaben sich nach drei wahrlich überhaupt nicht titanischen Jahren im Rahmen eines Eigentümerwechsels den neuen Namen Jets. Die Western Conference entsprach bereits 1960 dem aktuellen Lineup: Die Los Angeles Chargers spielen heute wieder ebendort, die Raiders nach mehrfachem Wechsel zwischen Los Angeles und Oakland nun in Las Vegas, die Denver Broncos ununterbrochen in Colorado. Die Dallas Texans waren neben Houston das klare Zeichen der Verbundenheit der AFL mit der Öl-Industrie und gemeinsam mit den drei vorgenannten Teams solche, die zuvor von der NFL nur stiefmütterlich behandelte Regionen stärker für den Profi-Football erobern sollten.
Schon drei Jahre später allerdings wurden die Dallas Texans per Umzug zu den Kansas City Chiefs. Denn die NFL hatte anders auf die Herausforderung reagiert, als dies von den AFL-Machern kalkuliert worden war. Die 50er Jahre über hatte Bert Bell als Commissioner die NFL vertreten. Der als Eigentümer der Eagles in den 20er Jahren ebenso wie später als Coach der Steelers nicht so richtig erfolgreiche Bell hatte als Statthalter der Alt-Millionäre Rooney, Mara, Marshall und Co. seine konservative Bestimmung gefunden. Nur zögerlich akzeptierte er das Fernsehen als neues Medium - erst wenn alle Tickets verkauft waren, sollten Bells Meinung nach die Kameras ins Stadion. Und wenn die NFL diese Kameras schon erlaubte, dann sollten die Sender erstens üppig dafür bezahlen und zweitens die NFL immer positiv darstellen (womit er letztlich doch einen entscheidenden Grundstein ihres heutigen Erfolges legte).
Dass die Spieler eine NFL Players Association (NFLPA) als Interessenvertretung gründeten, hielt Bell für so etwas wie Hochverrat. Expansionspläne oder nur kleine Veränderungen lehnte er ab. Eigentümer Bidwill bat ihn darum, seine in Chicago notorisch defizitären Cardinals an Lamar Hunt aus Dallas verkaufen zu dürfen, und Hunt flog nach New York, um sich und seine Ideen vorzustellen. Doch die Visionen des jungen, smarten Öl-Tycoons, in Dallas ein Mega-Event aus NFL-Football und den Cardinals machen zu wollen, waren Bell einfach zu verwegen. Hunt war derart genervt von Bells fehlender Fantasie für seine großen Start-Up-Pläne, dass er noch auf dem Rückflug nach Texas den Entschluss fasste, eine eigene Liga zu gründen und die altbackene und altersschwache NFL zu verdrängen.
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Die Divisionseinteilung der NFL
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Teil 3: Die geschluckte Konkurrenzliga
Teil 4: Die Colts in Texas-Blau
Teil 5: Gründung der AFL
Teil 6: Plötzlich doch: die NFL-Expansion der 60er Jahre
Teil 7: Vordenker Lamar Hunt als Dealmaker
Teil 8: Fusion 1970: Drei NFL-Teams für die AFC
Teil 9: NFC-Divisionen per Losentscheid
Teil 10: Ziel: Eine NFL mit 30 Teams
Teil 11: Der Fall Cleveland
Teil 12: Das große "Realignment" von 2002
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