Die Macht über die Spielzeit

Läufe (wie hier von David Montgomery, Chicago Bears) verbrauchen viel Spielzeit.Lange Returns helfen jeder Offense im American Football, denn jedes Yard, um das man näher zur gegnerischen Endzone beginnen darf, verbessert die Ausgangslage. Dennoch gehört es zur Dramaturgie eines Football-Spiels, dass gerade zu Beginn nur kurze Angriffsserien gelingen und Punts zunächst häufiger sein werden, als es den Angreifern lieb ist. Nach und nach aber entfalten sich die Strategien, das Spiel wird offener, und spätestens im zweiten Viertel wird es womöglich auch das erste Mal hektisch.

Denn nun steht es in der Regel nicht mehr 0:0 und häufig auch nicht mehr unentschieden. Mit der herannahenden Halbzeitpause kommt dem Zeit-Management immer mehr Bedeutung zu. Die Spielzeit wird außer nach Punkterfolgen oder dem Wechsel des Angriffsrechts gestoppt, wenn ein Spieler mit Ball ins Aus gerät, ein Pass unvollständig bleibt oder ein Spielzug mit einem Foul vorlag. Sie läuft nach diesen Situationen erst weiter, sobald das angreifende Team den Ball wieder anspielt. Hinzu kommen kurze Stopps der Spielzeit nach erreichten First Downs, wobei nach einem innerhalb des Spielfeldes beendeten Spielzug die Spielzeit bereits nach der Platzierung des Balles zum nächsten Anspiel durch die Referees wieder startet.

Dies gibt der jeweils angreifenden Mannschaft nicht nur Macht über den Ball, sondern auch darüber, ob die Restspielzeit schneller oder langsamer verbraucht wird. Mit Läufen oder kurzen, sicheren Pässen, die tendenziell im Feld enden, lässt man das Spielende oder die Halbzeitpause schneller näher rücken. Andersherum kann man mit langen Pässen nicht nur weitere Distanzen überbrücken, sondern mit solchen an die Seitenlinien auch mächtig Zeit einsparen, wenn der Fänger am Ende auf ein, zwei Yards verzichtet und vor dem Tackle durch die Gegner ins Aus läuft.

Die führende Mannschaft profitiert davon, dass die Spielzeit möglichst schnell verstreicht, der zurückliegenden läuft sie so davon. Je deutlicher der Punkteabstand zwischen den Teams, desto stärker bekommt dieser Effekt Einfluss auf das Spielgeschehen. Eine vorn liegende Mannschaft im Angriff wird den Ball jeweils immer erst sehr spät anspielen, versuchen, möglichst sichere Spielzüge zu wählen, und am besten so über das Feld marschieren, dass es recht lange dauert. Jedes neue First Down bringt bis zu vier neue Versuche mit jeweils etwa 40 bis 50 Sekunden Spielzeitverbrauch. Am allerbesten ist es, wenn Spieler genau das First Down holen und dann nicht mehr um Extra-Yards kämpfen (es sei denn, sie haben vielleicht freie Bahn zum Touchdown, was den Vorsprung ja noch erhöhen würde).

Irgendwann muss der Gegner beginnen, seine Auszeiten zu verbrauchen, sind alle drei genutzt, wird das Rechenexempel noch einfacher: Selbst wenn der Gegner einen der mehreren benötigten Scores schafft, kommt man danach ja für mindestens vier eigene Versuche in Ballbesitz, was wieder Spielzeit verbraucht, die dem Gegner für die weitere Aufholjagd fehlen. Das zurückliegende Team kann den Teufelskreis durchbrechen, indem es es schafft, die Offense zu einem Ballverlust zu zwingen. Dies erfordert aber ziemlich aggressives Vorgehen im Feldzentrum gegen eigentlich genau dagegen ziemlich gefeite Sicherheitsspielzüge.

Weiter: Comeback-Versuche

Zurück: Der Punt und andere Kicks

Ist Football kompliziert?

Teil 1: Eigentlich ist alles einfach

Teil 2: Lauf- und Passspiel

Teil 3: Touchdowns, Field Goals und Safetys

Teil 4: Vier Downs für zehn Yards

Teil 5: Münzwurf mit Fallstricken

Teil 6: Mit dem Kickoff geht es los

Teil 7: Start der echten Action: der Kickoff Return

Teil 8: Fouls im American Football

Teil 9: 15 Yards Strafe für schwere Fouls

Teil 10: Das Holding

Teil 11: Die „technischen“ Fouls

Teil 12: Die korrekte Startformation im Angriff

Teil 13: „Free Plays“ der Offense nach Defense-Fouls

Teil 14: Linienspieler zuerst im Fokus

Teil 15: Die Offensive Linemen

Teil 16: Die Ends im Angriff

Teil 17: Die Backs der Offense

Teil 18: Grundaufstellungen der Verteidigung

Teil 19: Pass Rush

Teil 20: Mann- oder Zonendeckung gegen den Pass?

Teil 21: Einfluss der Feldposition auf die Taktik

Teil 22: Gefahr in der eigenen Red Zone

Teil 23: Alle Optionen im "Mittelfeld"

Teil 24: „Schattenboxen“ zu Beginn

Teil 25: Geduld und Strategie zählen

Teil 26: Der vierte Versuch

Teil 27: Mut zum Risiko?

Teil 28: Der Punt und andere Kicks

Teil 29: Die Macht über die Spielzeit

Teil 30: Comeback-Versuche

Teil 31: Hail Mary!

Teil 32: Die Auszeiten

Teil 33: Nur der Sieg zählt - notfalls nach Verlängerung

Teil 34: Die Mathematik der Football-Scores

Läufe (wie hier von David Montgomery, Chicago Bears) verbrauchen viel Spielzeit.

Läufe (wie hier von David Montgomery, Chicago Bears) verbrauchen viel Spielzeit. (© Getty Images)

RegistrierenKennwort vergessen?

Login:

Kennwort:

dauerhaft: