Der Punt und andere Kicks
Das letzte Mittel der Wahl, wenn gar nichts anderes im vierten Versuch übrig bleibt, ist der Punt: Der Punter nimmt allein etwa 15 Yards hinter der Anspiellinie Aufstellung und bekommt dort per langem Snap dem Ball. Aus der Hand und mit weit schwingendem Schussbein tritt er ihn hoch über die blockenden Linienspieler hinweg. Schafft es ein Gegner, den Ball zu blocken, ist der Ball frei wie ein Fumble. Und da dies eigentlich nur auf der Seite des puntenden Teams geschehen kann, nutzt diesem die Rückeroberung des Balles meist gar nichts, denn der Ballbesitz wechselt ja, wenn im vierten Versuch kein First Down erzielt wurde.
Ziel des Punters ist, den Ball möglichst in eine der beiden Ecken des Feldes vor der Endzone zu bringen. Von dort ist ein Return schwer, weil dessen möglicher Weg auf einer Seite durch die Auslinie versperrt ist. Und dicht vor der Endzone wäre ein Start für den Gegner und seine Offense am unbequemsten. Gerechnet von der Anspiellinie stellen 40 Yards Distanz (mit dem Weg hinter der Linie etwas über 50 Yards Schuss) eine gute Ausbeute für einen Punter dar. "Bonuspunkte" verdient er sich für jeden Punt, der den Gegner seinen Angriff hinter dessen 20-Yard-Linie beginnen lässt. Geht der Ball allerdings in die Endzone, ist es ein Touchback, der wie einer nach einem Kickoff zu einem Anspiel an der 20-Yard-Linie führt.
Wie beim Kickoff auch kann der Returner durch Winken mit der Hand über dem Kopf einen "Fair Catch" ankündigen. Er darf danach unbedrängt den Ball fangen, aber logischerweise nicht mehr zu einem Return ansetzen. Im Unterschied zum Kickoff Return allerdings muss der Returner auch erst gar nicht zum Ball gehen. Nach einem Kickoff ist der Ball frei für jeden Spieler auf dem Platz, das Return Team muss ihn also mindestens sichern und vor dem Zugriff des Gegners schützen. Es gibt immer wieder Fälle (selbst auf höchster Profi-Ebene in der NFL), dass Spieler hier mit den Regeln durcheinander kommen, was nach einem Kickoff katastrophale Folgen hat, wenn sie den Ball nicht sichern. Denn dann greifen die Kameraden des Kickers einfach zu und holen das Angriffsrecht für ihr Team.
Die Regeln unterscheiden eben zwischen "Scrimmage Kicks" und "Free Kicks". Free Kicks sind die Kickoffs nach Punkterfolgen (wobei der Free Kick nach einem Safety eher einem Punt ähnelt). Dabei ist der kickenden Mannschaft vorgeschrieben, dass sie kicken muss, die ganze Aufstellung ist von vornherein nur auf einen solchen Kick ausgelegt. Der Kicker kann also nicht einfach loslaufen und einen Touchdown holen. Mit solchen Kicks soll das Angriffsrecht neu festgelegt werden. Die Regeln zur Aufstellung für diese Kicks begünstigen eindeutig das Return Team, sie garantieren ihm aber nicht, dass es das Angriffsrecht bekommt.
Bei den Scrimmage Kicks wie beim Punt (oder auch beim Field Goal) wird der Ball aus einer Formation mit Snap und Anspiellinie mit dem Fuß geschossen. Dieses tut das Team in der Offense freiwillig, und es könnte aus der gleichen Formation heraus ja auch etwas ganz anderes spielen. Zum Beispiel einen Punt oder ein Field Goal nur antäuschen und dann doch ganz normal laufen oder passen. Manchmal geschieht es ja auch unabsichtlich, nach einem nicht korrekt von Holder oder Punter gefangenem Snap kommt es manchmal nicht mehr zum Kick, sondern der Spieler muss sich schnell etwas anderes einfallen lassen. Es handelt sich also von den Regeln her um ganz "normale" Spielzüge. Kicks jenseits der Anspiellinie (also nach einem Passfang oder Lauf mit Raumgewinn) wären dabei technische Fouls. Hinter der Anspiellinie (also bei Punts oder Field Goals) haben sie die Konsequenz, dass das angreifende Team mit der Berührung des Balles mit dem Fuß und der anschließenden Überquerung des Balles über die Anspiellinie sein Angriffsrecht verwirkt hat, den Ball also nicht mehr weiter vorwärts bewegen darf.
Jede Ballberührung der Ex-Angreifer ist danach Grund für den Abpfiff und Ballbesitz für den Gegner an dieser Stelle. Dies ändert sich erst, wenn ein Spieler des anderen Teams den Ball berührt, auch unabsichtlich. Damit wird der Ball wieder frei für alle, und wer ihn sichert, bekommt danach das Angriffsrecht. Bei Punts führt dies ab und an dazu, dass alle potenziellen Returner lieber vor dem Ball "wegrennen", wenn sie gegen die heranstürmenden Gegner keine Chance auf einen vernünftigen Return sehen. Trumpft der Ball dann auf dem Boden auf, lässt sich schwer kalkulieren, wohin er als nächstes springt, eventuell eben auch irgendwem ans Bein, und daraus entstünde die Pflicht, ihn sichern zu müssen.
Rollt er nach einem Punt einfach irgendwo aus, bekommt ihn das Team der Returner an dieser Stelle zum Angriff. Die Mitspieler des Punters, so sie in Ballnähe gekommen sind, verfolgen den über den Boden "eiernden" Ball, so lange er noch in die für sie "richtige" Richtung schlingert. Hopst er zurück, wird er aber festgehalten, und manchmal wird es ganz spektakulär, wenn er droht, in die Endzone zu schlingern. Dies würde den Touchback mit Anspiel von der 20-Yard-Linie bringen. Also sieht man zuweilen auch einen Hechtsprung, um ihn in letzter Sekunde daran zu hindern, die Goal Line zu überqueren.
Bei Punts, ebenso wie bei den Kickoffs, mit denen der Ball nach Punkterfolgen und zum Start der ersten und zweiten Hälfte ins Spiel gebracht wird, hat der Gegner allerdings ja auch die direkte Möglichkeit, die erste Anspielposition für seinen folgenden Angriff günstiger zu gestalten. Ein "Returner", der den Ball nach Punt, Kickoff oder auch dem Free Kick nach einem Safety fängt, wird sofort zum Ballträger, fast wie in einem normalen Spielzug. Von Nachteil für ihn ist, dass er den Ball erst einmal konzentriert fangen muss (eine unbedachte Berührung macht den Ball zum freien Ball für alle wie ein Fumble) und auch seine Mitspieler sich im vollen Lauf "sortieren" müssen, ehe sie ihn durch Blocken unterstützen können. Wie bei allen Reurns tut er gut daran, sich für eine aussichtsreiche Route nach vorn zu entscheiden und darin sein Heil zu suchen.
Weiter: Die Macht über die Spielzeit
Zurück: Mut zum Risiko?
Wie funktioniert American Football
Teil 1: Eigentlich ist alles einfach
Teil 2: Lauf- und Passspiel
Teil 3: Touchdowns, Field Goals und Safetys
Teil 4: Vier Downs für zehn Yards
Teil 5: Münzwurf mit Fallstricken
Teil 6: Mit dem Kickoff geht es los
Teil 7: Start der echten Action: der Kickoff Return
Teil 8: Fouls im American Football
Teil 9: 15 Yards Strafe für schwere Fouls
Teil 10: Das Holding
Teil 11: Die „technischen“ Fouls
Teil 12: Die korrekte Startformation im Angriff
Teil 13: „Free Plays“ der Offense nach Defense-Fouls
Teil 14: Linienspieler zuerst im Fokus
Teil 15: Die Offensive Linemen
Teil 16: Die Ends im Angriff
Teil 17: Die Backs der Offense
Teil 18: Grundaufstellungen der Verteidigung
Teil 19: Pass Rush
Teil 20: Mann- oder Zonendeckung gegen den Pass?
Teil 21: Einfluss der Feldposition auf die Taktik
Teil 22: Gefahr in der eigenen Red Zone
Teil 23: Alle Optionen im "Mittelfeld"
Teil 24: „Schattenboxen“ zu Beginn
Teil 25: Geduld und Strategie zählen
Teil 26: Der vierte Versuch
Teil 27: Mut zum Risiko?
Teil 28: Der Punt und andere Kicks
Teil 29: Die Macht über die Spielzeit
Teil 30: Comeback-Versuche
Teil 31: Hail Mary!
Teil 32: Die Auszeiten
Teil 33: Nur der Sieg zählt - notfalls nach Verlängerung
Teil 34: Die Mathematik der Football-Scores
Nur weg den Ball: Befreiungsschlag per Punt (© CS-Sportfoto)