Mindestens einen Spieler benötigen wir als Offense im American Football immer hinter dem Center, denn der kann den Ball ja nur rückwärts anspielen und darf ihn nicht selbst vorwärts bewegen. Für die Amerikaner steht dieser Mann in der Regel sogar "under the center", denn die risikoloseste Form dieses Anspiels ist es, wenn der Quarterback seine Hände hinter dem zum Anspiel gebückten Center noch eine Ebene tiefer hält und ihm den Ball dort quasi aus den Händen nimmt. Der Center kann anschließend schnell zum Blocken übergehen. Der Quarterback hat den Ball nach dieser tausendfach geübten Routine sofort sicher unter Kontrolle (wenn beim Startkommando nichts schief gegangen ist).
Hätten wir jetzt hinter dem Quarterback einen Running Back zu stehen, darf der im Moment des Snaps lossprinten, der Quarterback müsste sich aufrichten und ihm den Ball vor die Arme halten. Center und Guard hätten in der Zwischenzeit ihre direkten Gegenspieler ein wenig nach außen gedrückt, der Running Back würde den Ball im Lauf in seine Hände nehmen, an seinen Körper drücken und dann mit Karacho so weit wie möglich zwischen Guard und Center hindurch in die gegnerische Seite "eintauchen". Solche "Power Dives" waren einst zentrales Element "ordentlichen" Footballs. Heute kommt man allein damit nicht mehr sehr weit.
Übrig geblieben sind aus den Ur-Zeiten die Spielerbezeichnungen, die sich aus dem Abstand der Rückraumspieler zur Anspiellinie ergaben. Jener "Fullback", der mit Power und Karacho geradeaus nach vorn stürmte, startete von der Stelle, die man einst als normal für den Beginn eines "vollen" Anlaufs erachtete. Nur etwa halb so weit hinter der Linie gab es dazu die Halfbacks und dicht an der Linie halt die "Viertel-Backs", wobei jene Quarterbacks zur Entstehungszeit des Footballs ebenso Running Backs waren wie die anderen. Erst mit dem mehr und mehr an Bedeutung erlangenden Passspiel stellte sich heraus, dass es vorteilhaft war, wenn der Spieler, der dem Center am nächsten war, den Ball auch gut werfen kann.
Heute ist das Passspiel Hauptaufgabe der Quarterbacks. Die in der Regel sehr kräftig gebauten Fullbacks erleben wir auch heute zuweilen noch beim beschriebenen Power Dive: über kurze Strecken mit viel Körperkraft und -kontakt geradeaus. Halfbacks nutzen etwas weniger die Power (in footballerischen Maßstäben jedenfalls) und dafür umso mehr die Athletik. Stehen sie zu Beginn leicht seitlich versetzt hinter dem Quarterback, kann dieser den Ball seit- bis leicht rückwärts zu ihnen "pitchen". Danach steht ihnen zumindest auf dieser Seite des Feldes dessen volle Breite für die anvisierte Überquerung der Line of Scrimmage zur Verfügung.
Diese klassischen Laufaufgaben und Positionierungen verwischen mit der zunehmenden Bedeutung des Passspiels immer mehr. Selbst Spieler mit Fullback-Statur werden als Anspielstation für einen Pass immer wertvoller. Dann stehen sie sinnvollerweise aber nicht "voll" zurück. Dafür rückt wiederum der Quarterback manchmal weit hinter die Linie. Hat er beim Anspiel Tuchfühlung mit dem Center, muss er schließlich erst einige Yards rückwärts aus der unmittelbaren Gefahrenzone in eine Position kommen, aus der er Übersicht hat und den Ball sicher auch über eventuell springende Gegenspieler an der Linie passen kann.
Diese Zeit lässt sich einsparen, wenn er von vornherein so weit hinten steht und der Center ihm den Ball dorthin zuwirft. Die resultierende Formation heißt "Shotgun", weil Amerikaner oder Waffennarren die Aufstellung an eine Flinte mit Gewehrlauf und dem Quarterback am Abzug erinnert. Der Quarterback ist hier schneller zum Pass bereit, vor allem hat er in Ruhe Gelegenheit, sich den Überblick über die Aktionen der Defense zu verschaffen. Für weitere Pässe müssen die Receiver dennoch erst einmal ihre Route schaffen, ein schneller Pass auf einen Mann in Nähe der Anspiellinie ist aber sofort möglich.
Was weniger einfach ist: aus dieser Formation heraus einen Lauf mit Raumgewinn zu produzieren. Denn der Running Back muss ja mit dem Ball erst einmal den zusätzlichen Weg wieder zurück in Richtung Linie absolvieren. Ein wenig erleichtert es also der Verteidigung deren erste Aufgabe: herauszubekommen, ob die Angreifer einen Pass oder einen Lauf planen.
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Wie funktioniert American Football
Teil 1: Eigentlich ist alles einfach
Teil 2: Lauf- und Passspiel
Teil 3: Touchdowns, Field Goals und Safetys
Teil 4: Vier Downs für zehn Yards
Teil 5: Münzwurf mit Fallstricken
Teil 6: Mit dem Kickoff geht es los
Teil 7: Start der echten Action: der Kickoff Return
Teil 8: Fouls im American Football
Teil 9: 15 Yards Strafe für schwere Fouls
Teil 10: Das Holding
Teil 11: Die „technischen“ Fouls
Teil 12: Die korrekte Startformation im Angriff
Teil 13: „Free Plays“ der Offense nach Defense-Fouls
Teil 14: Linienspieler zuerst im Fokus
Teil 15: Die Offensive Linemen
Teil 16: Die Ends im Angriff
Teil 17: Die Backs der Offense
Teil 18: Grundaufstellungen der Verteidigung
Teil 19: Pass Rush
Teil 20: Mann- oder Zonendeckung gegen den Pass?
Teil 21: Einfluss der Feldposition auf die Taktik
Teil 22: Gefahr in der eigenen Red Zone
Teil 23: Alle Optionen im "Mittelfeld"
Teil 24: „Schattenboxen“ zu Beginn
Teil 25: Geduld und Strategie zählen
Teil 26: Der vierte Versuch
Teil 27: Mut zum Risiko?
Teil 28: Der Punt und andere Kicks
Teil 29: Die Macht über die Spielzeit
Teil 30: Comeback-Versuche
Teil 31: Hail Mary!
Teil 32: Die Auszeiten
Teil 33: Nur der Sieg zählt - notfalls nach Verlängerung
Teil 34: Die Mathematik der Football-Scores
Handoff vom Quarterback zum Running Back (© Kratky)