Studentische Kicks

Ball eines Spiele Yale gegen Princeton von 1888Im 12. Jahrhundert gab es ähnliche Wettkämpfe wie das berüchtigte Shrovetide-Spektakel entfesselter Dorf-"Mannschaften" auch zwischen Schülern verschiedener Schulen. Im 13. Jahrhundert soll das erste Mal jemand auf die Idee gekommen sein, den Ball mit dem Fuß zu schießen. Anfang des 14. Jahrhunderts schließlich waren auch Studenten bei der Sache, was allerdings dadurch dokumentiert ist, dass der Tod eines Kommilitonen in einem Spiel beklagt wird. Erstmals "Football" genannt - jedenfalls soweit belegt - wurde das Spiel dann in einem päpstlichen Gnadenerlass für einen Akteur, dem im Kampf um den Ball ein Gegenspieler in das zufälligerweise mitgeführte Messer gelaufen war - kann ja mal passieren.

Bei der Obrigkeit war man gespalten in der Beurteilung des Treibens des wilden, jungen Volkes. In Kriegszeiten konnte es nicht schaden, trainierte junge Männer in Reserve zu haben. In Friedenszeiten störte das ausgelassene Treiben wohl eher das Gefüge von Macht und Ordnung. Mal gab es also Verbote, mal nicht. Wobei die Vermutung nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Verbote das eine oder andere Mal auch dazu genutzt worden sein dürften, unliebsame Zeitgenossen aus dem Weg zu räumen, wenn man ihnen anderweitig nichts anhängen konnte. Der Adel selbst jedenfalls mischte mal mit, mal nicht: Von Englands König Henry VIII. existiert eine schriftliche Bestellung für ein Paar Footballschuhe von 1526, sein Sohn Edward VI. erneuerte 22 Jahre später das absolute Verbot von Football.

Genutzt hatte es wohl wenig, nur wenig später sahen sich die Universitäten Oxford und Cambridge genötigt, ihren Studenten die Teilnahme zu untersagen. Eine 1555 erschienene Schrift beschrieb eine Urfom von Tennis und enthielt als abschreckend gemeinten Vergleich eine kurze Beschreibung von Football. Demnach wurde der Ball durch einen Kickoff von der Feldmitte in die gegnerische Hälfte gekickt und sollte von dort in die Endzone zurückgebracht werden. Werfen und Kicken des Balles war nicht erlaubt, so ziemlich alles andere schon. Immerhin: Waffen durften die Spieler nicht auf dem Feld dabei haben. Zuschauer gab es auch, und die hätten sich vor allem daran erfreut, wie aus der Spielertraube um den Ball herum immer wieder einzelne Akteure kopfüber in die Lüfte geschleudert wurden...

1581 war das erste Mal von Schiedsrichtern die Rede. Über die Insel verstreut entwickelten sich verschiedenste Varianten des Urspiels, Grundregeln wurden von Fall zu Fall vereinbart, mit Größe, Form und Beschaffenheit des Balles wurde freihändig experimentiert. Zeitweise soll er gar mit Quecksilber gefüllt worden sein, um seinen Bewegungen ein wenig Eigenleben einzuhauchen und das Ballhandling zu erschweren. Die Gesundheitsgefährdung durch das immer noch raue eigentliche Spielgeschehen immerhin wurde nach und nach geringer.

Während die britische Seemacht die Weltmeere beherrschte und nach und nach auch Nordamerika zu Neu-England umformte, wurde zu Hause Fußball zunächst an Schulen, später an Universitäten salonfähig. Die Pioniere, die in der "Neuen Welt" daran gingen, die "New Frontier" immer weiter nach Westen zu verschieben, hatten andere Sorgen, als sich um Football zu kümmern. Stress mit der alten Heimat kam noch hinzu, was 1776 ja auch zur Unabhängigkeitserklärung führte.

Die kulturellen Bindungen an England blieben zwar erhalten. Aber da Football dort eine Sache der Schulen und Universitäten geworden war und viele der Auswanderer eben gerade nicht aus den Schichten stammten, die Zugang zum Bildungssystem hatten, die eigenen neuen Siedlungen klein und - falls überhaupt - nur mit Behelfsschulen ausgestattet waren, war in den frühen USA Sport kein Thema. Erst als ein eigenes Schulsystem und erste Universitäten etabliert wurden, knüpfte man wieder an die britische Entwicklung an.

Bereits in den 1820er Jahren spielten Yale und Harvard (später gesellte sich Dartmouth dazu) verschiedene Varianten. Es war eine Mischung aus Völkerball und heutigem Rugby, doch fehlte es an einem Regelwerk, einer Organisation, nicht einmal die Zahl der Spieler war reglementiert. Es verwundert nicht, dass die Verletztenrate extrem hoch war und die Universitätsleitungen von Yale und Harvard in den Jahren 1860 und 1861 das Spiel verboten.

Weiter: Abgrenzung zum Rugby

Zurück: Die britisch-barbarische Variante

Historie von American Football

Teil 1: Die Elf steht

Teil 2: Antike Gladiatoren

Teil 3: Calcio und Cuju

Teil 4: Die britisch-barbarische Variante

Teil 5: Studentische Kicks

Teil 6: Abgrenzung zum Rugby

Teil 7: Das Boston Game

Teil 8: Geburtsstunde des American Football

Teil 9: Erste Regelwerke für US-Universitäts-Teams

Teil 10: Walter Camp denkt nach

Teil 11: Die Unterschiede zu Rugby und Fußball

Teil 12: Wie viele Punkte für was?

Teil 13: Gewaltexzesse und Beinahe-Verbot

Teil 14: Siegeszug in den USA

Ball eines Spiele Yale gegen Princeton von 1888

Ball eines Spiele Yale gegen Princeton von 1888 (© College Football Hall of Fame)

RegistrierenKennwort vergessen?

Login:

Kennwort:

dauerhaft: