Die Herleitung der Rohwerte
Mit der Skala, auf der "Normalleistungen" von Passern im American Football Werte zwischen 66,7 und 100 zugewiesen wurden, war erst einmal die PR-Abteilung der NFL glücklich gestellt. Auch dass die vier Einzelkomponenten Raumgewinn, Vollständigkeitsrate, Touchdowns und Interceptions gleich gewichtet wurden, war eine schlichte Festlegung. Die Mathematiker standen aber weiter vor der Aufgabe, wie sie nun die eigentlichen Einzel-Skalen definieren sollten. Die "1" sollte dem Durchschnitt aller Leistungen von 1960 bis 1970 zugeschrieben werden. Da in jenem Zeitraum im Durchschnitt etwa fünf Prozent der Pässe zu Touchdowns geführt hatten, wurden hierfür 5 Prozent als Standard festgelegt. Diese fünf Hundertstel (0,05) muss man mit 20 multiplizieren, um auf 1 zu kommen.
Für die Completion Percentage war der Durchschnitt 50,4 Prozent gewesen, was die 50 Prozent als Referenzwert für die erwünschte "1" nahelegte. Anders als bei Touchdowns jedoch gab es keinen Quarterback, der vom Coach nicht ausgewechselt worden wäre, wenn er bei 14 Passversuchen 0 Prozent erreicht hätte - und es gab auch keinen, der auf Dauer 100 Prozent erreichen konnte.
Hier musste also eine andere Untergrenze als "0" her. Die Statistiker ließen ihre mathematische Intuition spielen: Wenn bei den Touchdown-Pässen 0,05 mal 20 zur "1" führte und - wie man aus der Schule weiß - demzufolge auch die umgekehrte Multiplikation 20 mal 0,05 zur selben "1", war es eine runde Sache, nur die Prozente oberhalb 30 Prozent zu werten, sodass von den 50 Prozent eben 20 zählen. Eine kurze Rückfrage bei den Football-Experten ergab: Ja, 30 Prozent gültige Pässe von einem Quarterback sind tatsächlich unterirdisch und verdienen "0" Punkte. Die Prozentzahl oberhalb 30 (also Completion Percentage minus 30) mit 5 zu multiplizieren, passte daher sehr gut zu der Touchdown-Pass-Skala. 50 Prozent waren hier nun das Gleiche wie 5 Prozent Touchdown-Pässe: eine "1" für Durchschnitt.
Ähnlich war die Überlegung zu den Yards pro Versuch. 0 Yards pro Versuch waren praktisch ebenso wenig denkbar wie 0 Prozent gültige Pässe. Die mathematische Intuition ließ die Statistiker, die die "30" als Untergrenze bei den Prozenten der gültigen Pässe definiert hatten, hier auf die "3" als Untergrenze kommen. Und die Football-Experten konnten dem sehr gut zustimmen. Würde nämlich ein Team immer Pässe spielen und der Quarterback würde immer genau drei Yards schaffen, hätte es nach drei Versuchen neun Yards gewonnen. Der wirkliche Erfolg für den Angriff wäre dabei - nun ja, null, denn es wäre kein First Down geschafft worden. Die Idee, dafür null Punkte für das Rating gutzuschreiben, war nicht von der Hand zu weisen. Der Durchschnitt aller Quarterbacks damals lag etwa bei sieben Yards pro Passversuch, weswegen alle Yards oberhalb der "3" mit 0,25 multipliziert werden, um im Roh-Rating eine "1" für den Durchschnitt zu ergeben, denn 7 minus 3 ist 4, und 4 mal 0,25 ist 1.
Es blieben die Interceptions. Dort kam es zu einem kleinen Konstruktionsfehler, der sich später bei immer sicherer werdendem Passspiel auch in den ermittelten Ratings niederschlug. Es ist nicht so ganz ersichtlich, warum er passierte beziehungsweise man ihn damals als sinnvoll akzeptierte. Der Durchschnittswert lag zwischen 1960 und 1970 bei 5,5 Prozent Interceptions. Dies war ein wenig höher als der Wert der Touchdown-Pässe, aber es wäre nicht abwegig gewesen, auch hier die runden 5 Prozent für das Rating anzusetzen - zumal dann (siehe die ersten beiden Absätze im folgenden Teil) alle vier Einzel-Skalen zwischen Werten von 0 und 2 gependelt wären, was Mathematiker hätte glücklich machen sollen. Hier aber setzten sich die Football-Weisen durch: Eine Interception war für ein Team schädlicher, als es durch einen Touchdown-Pass profitierte (den Touchdown hätte schließlich auch der Running Back erlaufen können, aber natürlich nicht, wenn vorher der Quarterback das Angriffsrecht vertändelt hatte). Und deswegen musste dieser Fehler stärker bestraft werden. Statt des Faktors 20, mit dem Touchdown-Pässe das Rating in die Höhe trieben, sollten Interceptions mit einem Faktor von 25 multipliziert werden und es stärker nach unten drücken.
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Das Passer Rating im American Football
Teil 1: Noten für den Quarterback
Teil 2: Möglichst kompliziert...
Teil 3: Die Herleitung der Rohwerte
Teil 4: Warum der Höchstwert "krumm" ist
Teil 5: Nicht alles passt
Teil 6: Die Kritik an der starren Formel
Touchdown-Pässe zählen viel. (© Getty Images)