Die Baltimore Ravens haben ihren langjährigen Kicker Justin Tucker entlassen und dabei betont, dass es sich um eine rein footballorienterte Entscheidung gehandelt hat. Eine Untersuchung der NFL aufgrund Vorwürfen wegen sexuellen Fehlverhaltens zu Beginn seiner Karriere geht derweil weiter.
Der mittlerweile 35-jährige Tucker war nach seiner Zeit am College bei den Texas Longhorns nicht gedrafted, aber anschließend von den Ravens als undrafted Free Agent unter Vertrag genommen worden. Unzweifelhaft ist er aus seinem Jahrgang 2012, in dem die Kicker Randy Bullock, Greg Zuerlein, Blair Walsh und John Potter (vor ihm) gedrafted worden waren, der mit weitem Abstand erfolgreichste Kicker.
Ligaweit wurde er zum lange Jahre unumstritten besten Kicker überhaupt und er war bis zur Trennung jetzt das letzte verbleibende Mitglied des Ravens-Teams, das Super Bowl XLVII vor 12 Jahren in New Orleans gewinnen konnte.
Zur Trennung veröffentlichten die Ravens auf ihren Social Media Kanälen ein Statement von Executive Vice President / General Manager Eric DeCosta, der derartige "Footballentscheidungen als manchmal unglaublich schwierig" beschreibt. "Im Hinblick auf unser jetziges Roster haben wir die harte Entscheidung getroffen, Justin Tucker zu entlassen.
Justin hat viele signifikante und unvergessliche Momente in der Ravens-Geschichte erschaffen. [...] Wir sind dankbar für Justins vielfältige Beiträge, während er für die Ravens gespielt hat. Wir wünschen ihm und seiner Familie von tiefstem Herzen nur das Allerbeste für das nächste Kapitel in ihrem Leben."
Tuckers letzte Vertragsverlängerung stammte aus dem August 2022, als er sich mit den Ravens auf weitere vier Jahre Zusammenarbeit für die damalige Rekordsumme von (bis zu) 24 Millionen Dollar geeinigt hatte. Die endet nun zwei Jahre früher als geplant, aber nicht gänzlich unerwartet: Zunächst waren seine Leistungen in wichtigen Kategorien der Vorsaison auf die schlechtesten Werte zurückgefallen, die er in seiner erfolgreichen NFL-Karriere verzeichnen konnte. Sein Erfolg zuvor zeigen die sieben Pro Bowl-Teilnahmen und acht NFL All-Pro Nominierungen. Die gerade einmal 73,3 Prozent Field Goal Quote lagen fast zehn Prozent unter seinem zweitschlechtesten Wert aus dem Jahr 2015 (82,5 Prozent).
Abgesehen vom sportlichen Rückgang waren Ende Januar vom bis dato vor allem regional bekannten Portal Baltimore Banner Vorwürfe gegen den Kicker erhoben worden, dass er in seiner NFL-Anfangszeit von 2012 bis 2016 bei Massage- und Therapiesitzungen sexuelles Fehlverhalten gezeigt und daher bei zwei derartiger Einrichtungen Hausverbot erhalten hätte. Die zahlreichen Vorwürfe werden seitdem von der NFL untersucht, ein Ergebnis steht noch aus. Die damaligen 16 Geschädigten aus acht verschiedenen Spas werden vorwiegend von zwei Anwälten vertreten.
Justin Tucker hatte bei Bekanntwerden die Vorwürfe umgehend als "eindeutig falsch" von seiner Anwaltskanzlei zurückweisen lassen. Der Fall erinnert doch in mehreren Facetten an die Vorwürfe gegen den damaligen Houston Texans und aktuell (verletzten) Cleveland Browns Quarterback DeShaun Watson.
Ganz überraschend kommt die Entlassung von Tucker zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr: Die Ravens hatten erstmals in ihrer Teamgeschichte einen Kicker im Draft 2025 verpflichtet – Tyler Loop von Arizona wurde in der sechsten Runde gedrafted. Dazu wurde John Hoyland, der am College bei den Wisconsin Badgers aufgelaufen war, zum Mini-Camp eingeladen.
Ob es jetzt wirklich eine "reine Footballentscheidung" aufgrund nachlassender Leistungen oder doch eher die untersuchten Vorwürfe eine gewichtigere Rolle gespielt haben, als es die Verantwortlichen verlauten lassen, wissen nur die Ravens. Sicher ist, dass es künftig nach 13 erfolgreichen Jahren einen anderen Kicker in Baltimore geben wird.
Carsten Keller - 06.05.2025
Justin Tucker blickt in eine ungewisse Zukunft (© Getty Images)
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