Die Cleveland Browns holen ein vertrautes Gesicht zurück: Quarterback Joe Flacco kommt mit einem Ein-Jahres-Vertrag wieder ans Ufer des Lake Erie, wo er vorletzte Saison noch überraschend stark gespielt hatte.
Trotzdem hatten die Verantwortlichen der Browns vor der Saison 2024 entschieden, dem "Comeback Player Of The Year 2023" keinen neuen Vertrag zu geben. Vermutlich wollte man sich die Diskussion um die Personalie des vermeintlich dann wiedergenesenen Busts Deshaun Watson ersparen. Geholfen hat es nichts - es war lediglich eine weitere Fehlentscheidung in einer langen Reihe davon rund um die Personalie Watson. Watson war erneut schlecht und dann wieder verletzt. Und erhielt erneut voll garantierte 46 Millionen Dollar dafür.
Flacco ging stattdessen zu den Indianapolis Colts, wo er jedoch nur zwei seiner sechs Starts (bei insgesamt acht Partien) auch gewinnen konnte. Dabei kam er auf 1.761 Yards, 12 Touchdowns und sieben Interceptions.
Ursprünglich hatten die Baltimore Ravens Flacco vor - in NFL-Zeitspannen gesehen - Ewigkeiten, nämlich im Jahr 2008 in der ersten Runde (mit Pick #18) gedrafted. Am College hatte er zuvor mit den Delaware Fightin‘ Blue Hens die Gegner gerupft.
Er wurde in Maryland umgehend zum Starter und verpasste in den ersten zehn Jahren seiner Karriere überhaupt nur sechs Spiele; alle anderen 163 Partien startete er auch für die Ravens.
Vor der Saison 2012 stockten die Vertragsverhandlungen und er entschied sich dazu, "auf sich selbst zu setzen" und die letzte Saison ohne neues Arbeitspapier zu starten - in der Hoffnung, sich mit guten Leistungen einen Monstervertrag im Anschluss zu sichern.
Das Wagnis zahlte sich aus: Mit einer 10-6 Bilanz zogen die Ravens in die Playoffs ein und Flacco führte sein Team mit Siegen gegen die Colts, einen nach Verlängerung gegen die Broncos (ermöglicht durch das "Mile High Miracle" - einen 70 Yard Touchdown-Pass) und einen deutlichen 28:13 Sieg gegen die Patriots ins Endspiel.
In New Orleans - dem Super Bowl mit dem legendären Stromausfall - wurde Flacco mit den Ravens als Außenseiter dann Super Bowl Sieger und MVP des Endspiels.
"Playoff Joe" konnte natürlich nicht ziehen gelassen werden und so musste Owner Steve Bisciotti tief in die Tasche greifen: Ein Vertrag über sechs Jahre und gut 120 Millionen Dollar machte Flacco vorübergehend zum bestbezahlten Spieler der NFL-Geschichte.
Nach der Saison 2018 endete seine Zeit in Baltimore und es folgten Stationen in Denver (acht Starts, 2-6 Bilanz), bei den New York Jets (12 Spiele, davon neun Starts, 1-8 Bilanz) und eben 2023 bei den Cleveland Browns. Bei den Browns wurde er nach der Verletzung von Starter Deshaun Watson im November 2023 von der Couch geholt und führte mit unerwartet guten Leistungen die Browns mit einer 4-1 Bilanz bei seinen fünf Starts noch in die Playoffs (wo er dann zugegebenermaßen eine schlechte Partie ablieferte).
Zum Pro Bowl fuhr er nie - einmal wurde er eingeladen, lehnte jedoch ab (2014).
Zurück in Cleveland erhält er vier Millionen Dollar für ein Jahr, wie ESPN zuerst berichtet hatte.
Im Quarterback-Raum wird er nicht allein sein: Deshaun Watson ist verletzt, aber mit Ex-Steelers Erstrundenpick Kenny Pickett, der zuletzt mit den Eagles (als Backup) Super Bowl Sieger wurde, gibt es durchaus Konkurrenz. Zudem ist es alles andere als auszuschließen, dass man im Draft noch einen Quarterback der Zukunft holen wird. Das kann nach den gezeigten Leistungen weder Deshaun Watson noch der mittlerweile 40-jährige Joe Flacco sein.
Aber vielleicht schlagen die Browns ja auch hier wieder mit einer Fehlentscheidung zu. Überraschend wäre es angesichts ihrer Historie sicher nicht.
Carsten Keller - 11.04.2025
Joe Flacco konnte mit den Browns 2023 durchaus Erfolge feiern (© Getty Images)
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