College Football ist die zweitbeliebteste Sportart in den USA, wenn man Einschaltquoten, Zuschauerzahlen, Beliebtheit und natürlich die verdienten Milliarden US-Dollar berücksichtigt. Nur die NFL ist größer, ist aber nicht vergleichbar, wenn es um die akademische Kultur geht. So ist beispielsweise die NFL nicht vergleichbar mit der tiefgründigen, feierlichen Debatte, ob man an einem SEC Football Wochenende heiraten sollte. Manche Dinge sind einfach zu wichtig, um sie zu unterbrechen, selbst für ein Eheversprechen, zumindest in den USA.
Trotzdem, oder vielleicht deswegen, befindet sich College Football vor seiner 156. Saison an einem Scheideweg. Auf der einen Seite befinden sich die Bewahrer, die eine weitere Professionalisierung am liebsten verhindern, vielleicht aber mindestens verzögern wollen und die anderen wittern den großen Deal, wie bei einer neu entdeckten Ölquelle in North Dakota. Die Linie zwischen Befürwortern und Kritikern einer neuen Professionalisierungswelle findet nicht mehr zwischen reichen und weniger reichen Conferences oder Universitäten statt. Zum einen geht es um neue Medienrechte-Verträge. Der Wert der bestehenden Verträge zwischen den Conferences und den TV Sendern besitzt momentan ein Volumen von 17 Milliarden US-Dollar, der exklusive Vertrag zwischen ESPN und der CFP Organisation (1,3 Milliarden US-Dollar) ist zu dieser Summe noch hinzuzufügen. Der Vorwurf einiger Medienexperten lautet nun, dass das Geld zwar reichlich fließt, der Wert der Verträge aber nicht optimiert sind. Ein höherer Umsatz von 4 - 5 Milliarden US-Dollar wären möglich, wenn sich College Football konsolidieren würde. Diese Konsolidierung haben die Conferences durch die letzten Realignments bereits teilweise vollzogen, aber nicht abgeschlossen. Im Hintergrund lauert die Idee der "Super League", die 70 bis 72 Teams umfasst und damit die bisherigen 134 FBS Programme noch einmal teilt, die Interessen der Wohlhabenden aber stärkt, indem diese Interessen gebündelt werden. Bereits heute sitzen einige interessierte Investoren und Risikokapitalgeber in den Startlöchern, die in unterbewertete US-Sportarten investieren wollen und warten auf das Jahr 2031, wenn die TV Verträge der Big Ten, Big 12 und der CFP Organisation auslaufen, beziehungsweise auf das Jahr 2028, wenn die Gespräche über neue Verträge beginnen müssten. Die SEC und die ACC haben noch etwas Zeit, da ihre Kontrakte erst im Jahr 2034, beziehungsweise 2036 auslaufen.
Das Einzige, was diese Investoren noch abschreckt, ist das historisch gewachsene Klima im College Football. Endlose Klagen, endlose Debatten, der Vergleich House vs. NCAA, mögliche Tarifverträge zwischen Spielern und Universitäten / Conferences, also steigende Kosten in Höhe von 200 Millionen Dollar pro Hochschule in den nächsten zehn Jahren und die Tatsache, dass heute nur eine Handvoll von College Football Teams auch wirklich interessante Gewinne generieren, führen aus Sicht von Investoren zu Instabilität und unberechenbare Risiken. Auch das bisherige ausgleichende Geschäftsmodell, dass College Football und College Basketball zur Finanzierung anderer Sportarten und des Lehrbetriebes im erheblichen Maße beitragen, kann nicht im Interesse der Risikokapitalgeber sein, die College Football als unterbewertet ansehen, weil die NBA Profi-Basketball Liga zwar nur die Hälfte an Zuschauern generiert, wie es die FBS Klasse kann, dafür aber über doppelt soviel Umsatz wie die FBS verdient. Also gibt es noch viel Luft nach oben und für wenige viel Geld zu verdienen und vor allem viel Platz für Konfrontationen zwischen den Commissioners, die ihre Macht behalten wollen und den Freunden der Super League, die glauben, dass eine einzelne Liga viele zusätzliche Milliarden US-Dollar generieren könnte. Fakt ist auch, dass diese neue Zeit bereits begonnen hat. Florida State ist seit langem mit einem privaten Kapitalgeber verbunden und ein anderer Investor war bis 2024 mit der Big 12 verbunden. Auch gibt es Versuche von privaten Kapitalanlegern, die einen Teil eines Athletic Departments erwerben wollten, darunter gut verdienende NFL Spieler und Schauspieler. Dieses Geschäft kam nicht zustande, doch das wird das Interesse der wirklich großen Risikokapitalgeber an dieser "Wachstumsaktie" nicht beenden und das externe Interesse erinnert fast an die in der Geschäftswelt vorherrschende Variante einer feindlichen Übernahme. Abschreckend ist stets nur, dass jede Veränderung von den Conferences abgesegnet werden muss und dass sich die fiskalisch konservativen Hochschulpräsidenten, die milliardenschwere Bilanzen überwachen, eine Partnerschaft mit dem Risikokapital bisher ablehnten, damit sie wiederum nicht einen Teil ihrer Macht abgeben müssen.
Dieses Super League Modell würde dem der NFL in den 1960er Jahren ähneln. Der damalige NFL Commissioner Pete Rozelle überzeugte seinerzeit die Eigentümer, dass ein Zusammenschluss zu einem einzigen Unternehmen mit geteilten Einnahmen profitabler und wettbewerbsfähiger wäre und sollte letztlich auch Recht behalten. Die geplante Super League würde dasselbe tun. Klingt nach einer Profiliga? Jawohl, es geht nicht um Meisterschaften, Entertainment, akademische Weihen und die Verbindung von Sport und Geist, sondern einfach nur um Gewinnmaximierung durch die Etablierung eines neuen Geschäftsmodelles, bei dem Wenige profitieren werden. Die Mehrheit der Power Four Conferences und ihre Rechteinhaber stehen einem solchen radikalen Wandel derzeit ablehnend gegenüber. Doch diese Front bröckelt. Stakeholder der Big 12 und der ACC trafen sich Ende letzten Jahres mit Befürwortern der Super League. "Dass die Leute Interesse daran haben, Ideen einzubringen, liegt in ihrer Hand", sagte SEC Commissioner Greg Sankey letztes Jahr gegenüber Reportern, als die Pläne der Super League bekannt wurden. "Ich verbringe meine Zeit mit dem, was ich tun muss." Sankey und Big Ten Commissioner Tony Petitti haben sich bisher nicht mit Verantwortlichen der Super League getroffen. Man kann wohl sagen, dass beide Commissioners die Idee weiterhin ablehnen, die Frage ist nur, wie lange noch. Apple, Netflix, Google und Amazon werden voraussichtlich in den nächsten zehn Jahren viel Geld für Sport ausgeben. Ihr Gesamtvermögen liegt im Billionenbereich und sie arbeiten im Hintergrund mit am Projekt Super League. Dass Teile des College Football Sports finanzielle Unterstützung benötigen, ist zudem unbestritten. Rutgers muss bis 2027 warten, um einen vollen Anteil an den Einnahmen aus Medienrechten der Big Ten zu erhalten. Die Universität nahm bei ihrem Beitritt zur Liga ab 2014 Kredite auf zukünftige Einnahmen auf. UCLA trat letztes Jahr aus ähnlichen Gründen – also aus finanzieller Not – der Big Ten bei. Der Grund, warum UCLA die Pac-12 verließ, um in die Big Ten zu wechseln war, dass sie in diesem Jahr über 50 Millionen Dollar mehr verfügen kann, als letztes Jahr. Ohne diese 50 Millionen Dollar wäre UCLA heute bankrott." Interessant ist auch, dass die Big Ten erwägt, Risikokapital-Investoren in ihren Reihen zuzulassen. Sie folgt damit der NFL, die bereits im letzten August beschloss, Private-Equity-Firmen den Erwerb von Anteilen an ihren Teams zu ermöglichen. Im Dezember wurde berichtet, dass die Buffalo Bills und die Miami Dolphins Minderheitsanteile ihrer Teams an Private-Equity-Häuser verkauft hatten und CBS Sports berichtete im Juni letzten Jahres erstmals, dass die Big 12 einen Private-Equity-Deal mit der Firma CVC erwäge, der der Liga bis zu eine Milliarde Dollar eingebracht hätte. Die Ligapräsidenten entschieden sich schließlich, dem Anliegen nicht zuzustimmen und verbündeten sich scheinbar mit der NCAA. Die NCAA strebt weiterhin eine Ausnahmegenehmigung des US-Kongresses an, die die Verdienstmöglichkeiten von Sportlern teilweise weiterhin einschränken würde. Sollte der US-Congress diesen Status tatsächlich bestätigen, prognostizieren viele Experten ein Chaos mit einer Vielzahl von daraus resultierenden Klagen. Die NCAA könnte ihren Willen tatsächlich durchsetzen wenn sie Senator Ted Cruz – den Vorsitzenden des Handelsausschusses des Senats, der mögliche Ausnahmegesetze beaufsichtigt, auf ihre Seite bringen würde. Cruz gilt zwar als "Waffe des Wandels" und Vollstrecker des US-Präsidenten Trumps, die NCAA arbeitet jedoch mit einer logisch klingenden Argumentationskette, die wiederum Donald Trump gefallen könnte: Mit der Super League wird es Geschäftsentscheidungen geben, die der Hochschulbildung zuwiderlaufen. "Das wird nicht gut für die olympischen Sportarten sein. Es wird nicht gut für die Olympischen Spiele in den USA sein. Werden wir in 20 Jahren überhaupt noch viele Goldmedaillen gewinnen?", gab vor wenigen Tagen auch der Chef des Organisationskomitees der Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles, Casey Wasserman, zu bedenken und ergänzte: "Wenn Präsident Trump sagen könnte: ‚Hey, seht her, ich kann den Amateursport und die zukünftigen Goldmedaillen retten‘, dann wäre das eine ziemlich mächtige Position für ihn." Nur wird er, will er das wirklich tun? Will das heutige Amerika überhaupt noch eine freie Forschung und Lehre und die Selbstverwaltung der Hochschulen? Oder will vielmehr das extrem wirtschaftsliberale Silicon Valley in einem zukünftigen Hochschulmarkt eine neue oligopolistische Marktstruktur schaffen, bei denen kleinere Sportarten und kleinere Universitäten auf der Strecke bleiben, Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften gegeneinander ausgespielt werden und wenige Kapitalgesellschaften auch in den Athletic Departments zukünftig das Sagen haben? Wir werden diese Veränderungen demnächst live und in Farbe miterleben.
Schlüter - 05.04.2025
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