Am kommenden Freitag (20. Dezember) ist es endlich soweit. Dann bekommt auch die höchste Spielebene endlich das, was für die unteren Spielklassen schon seit Mitte der 1970er Jahre ganz normal ist: richtige Playoffs mit mehreren Runden, hoffentlich vielen packenden Partien und vielleicht auch der einen oder anderen Überraschung. In zunächst vier Erstrunden-Begenungen werden die vier Teams ermittelt, die zusammen mit den vier in der Playoff-Setztliste bestplatzierten Conference Champions am 31. Dezember und 1. Januar die Viertelfinals spielen. Am 9. und 10. Januar findendann die Halbfinals statt und am 20. Januar das National Championship Game (in Atlanta). Das Ganze verspricht echt spannend zu werden, weil eigentlich alle Playoff-Teilnehmer in der Regular Season Schwächen gezeigt haben, die ihnen in der KO-Runde zum Verhängnis werden könnten. Und so wäre es keine so große Überraschung, wenn schon in der ersten Runde Teams ausscheiden würden, die man vor der Saison noch als fast sichere Kandidaten für das Erreichen des Halbfinales gesehen hätte.
Gefährdet sind in Runde eins vor allem der letztjährige Halbfinalist und Verlierer des diesjährigen SEC Championship Games Texas, der zu Hause gegen ACC Champion Clemson spielt, und Ohio State, das vor der Saison als das potenziell zweitbeste Team hinter Georgia galt, dann aber nicht einmal das Championship Game der eigenen Conference (Big Ten) erreichte und in der ersten Runde mit Tennessee den schwersten Gegner bekam. Texas nimmt als "mentalen Ballast" die Niederlage gegen Georgia im SEC Championship Game mit in die Partie gegen Clemson. Ein Problem der Longhorns ist, dass die Offensive Line gegen stärkere Gegner schnell Probleme bekommt, was sich vor allem negativ auf das Laufspiel auswirkt, zugleich aber auch QB Quinn Ewers unter Druck setzt. Gegen Georgia holte Texas nur etwas mehr als einen Yard pro Laufspielzug und kassierte sechs Quarterback Sacks. Clemsons Abwehr ist gegen das Laufspiel zwar nur Durchschnitt, stellt mit DE T.J. Parker aber einen der besten Pass Rusher der Saison. Der verbuchte bislang elf Quarterback Sacks und verursachte die meisten Fumbles (6). Beim Sieg gegen SMU im ACC Championship Game war er mit vier Tackles im Backfield (ein Quarterback Sack) sowie einem erzwungenen Fumble und einer Fumble Recovery der auffälligste Akteur in Clemsons Abwehr. Vor allem ihn muss Texas in Schach halten.
Ohio State ist vor dem Playoff-Duell mit Tennessee eine große Wundertüte. Seit der Heimpleite gegen Michigan am 30. November ist es um die Buckeyes ruhig geworden. Wie wird sich das Team am Samstag präsentieren, so wie bei den Siegen gegen Penn State und Indiana sowie der knappen Niederlage bei Oregon, oder so wie gegen Michigan? In diesem Spiel werden zwei der besten Defenses dieser Saison auf dem Platz stehen. Im Angriff hat Ohio State Vorteile im Passspiel - wenn es sich nicht selbst an die Kette legt. Gegen Michigan war man erstaunt darüber, warum die Coaches kaum längere Pässe spielen ließen, was gegen die beiden Top-Gegner, Oregon und Penn State, anders gewesen war. Tennessee ist besser im Laufspiel, auch besser als Ohio States letzter Gegner Michigan, der bei seinem Erfolg in Columbus fast nur mit Läufen operierte, und stellt mit Dylan Thompson einen der produktivsten Running Backs dieser Saison (1.485 Yards, 22 Touchdowns).
In den beiden anderen Spielen sind die Rollen klar verteilt. Bereits am Freitag trifft der achtmalige National Champion Notre Dame auf die größte Überraschungsmannschaft dieser Saison, Indiana. Beide haben nur einmal verloren, Indiana bei Ohio State und Notre Dame auf eigenem Platz gegen Northern Illinois. Daraus kann man aber keine Schlüsse ziehen. Notre Dame ist das potenziell bessere Team und hat sich seit der peinlichen Pleite im September kontinuierlich gesteigert. Die beiden Teams stellen die nach erzielten Punkten zweit- und drittbesten Offenses. Nur Miami war mit 44,2 Punkten pro Spiel noch besser als Indiana (43,3) und Notre Dame (39,8), wobei Indiana deutlich besser im Passspiel ist und mit QB Kurtis Rourke den Top-Passer nach Passer Rating stellt, während Notre Dame klare Vorteile im Laufspiel hat. Die beiden Defenses liegen in der Statistik sowohl nach kassierten Yards als auch nach kassierten Punkten unter den Top-Ten. Allerdings muss man solche Zahlenvergleiche immer differenziert sehen. Notre Dame hat zwar kein Monster-Programm gespielt, aber immerhin ein stärkeres als Indiana, mit Siegen gegen Texas A & M und Louisville (Abschlussbilanz jeweils 8-4), Army (11-2) und Navy (9-3), Indianas einziger Sieg gegen ein Power-Four-Team mit positiver Abschlussbilanz war das 20:15 gegen Michigan (7-5). Der X-Faktor in diesem Spiel wird die Einstellung sein, vor allem bei Indiana. Der neue Head Coach Curt Cignetti, ein ehemaliger Assistant Coach von Nick Saban bei Alabama, der mit diversen unterklassigen Teams nie eine "Losing Season" erlitten hatte, hat der Mannschaft ein neues Selbtverständnis verpasst. Die Hoosiers erstarren vor großen Namen nicht mehr vor Ehrfurcht sondern glauben daran, gegen Jeden eine Chance zu haben. Wenn sie so auch in South Bend aufteten, haben sie eine Chance.
Im vierten Spiel ist Penn State im eigenen Stadion in College Station klarer Favorit gegen SMU. Die Nittany Lions stellen eine der besten Defenses dieser Saison und besitzen mit DE Abdul Carter einen sehr guten Pass Rusher (10 Quarterback Sacks). Der Star in ihrer Offense ist TE Tyler Warren (88 Fänge, für 1.062 Yards und 6 Touchdowns). QB Drew Allar ist als Passer nur minimal effektiver als sein Gegenüber bei SMU, Kevin Jennings. Im Laufspiel wurde Penn State in der zweiten Saisonhälfte besser, besitzt mit Nicholas Singleton und Kaytron Allen gleich zwei Running Backs die über 800 Yards erliefen, und zeigte ausgerechnet gegen den stärksten Gegner, Oregon im Big Ten Championship Game, mit 292 Yards die beste Leistung. SMU wird in diesem Spiel versuchen müssen, mit möglichst gutem Laufspiel länger in Ballbesitz zu bleiben. Die Frage wird sein, ob RB Brashard Smith (1.270 Yards, 14 TDs) gegen Penn States Abwehr annähernd so produktiv sein wird, wie im Saisondruchschnitt. Der entscheidende Spieler bei den Mustang ist aber Jennings, den so gefährlich macht, dass er sich auch mal mit Läufen aus brenzligen Situationen befreien kann. Wenn den Mustamgs ein "Upset" gelingen soll, müssen er und die Offensive Line das beste Spiel ihrer Karrieren machen.
Hoch - 15.12.2024
Tennessee könnte in der ersten Playoff-Runde bei Ohio State für eine Überraschung sorgen. (© Wittig)
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