Du bist der immer noch aktive Head Coach mit den meisten Siegen der NFL und auf Platz 2 in der NFL Geschichte, hast sechs Super Bowls als Head Coach gewonnen (zwei weitere als Defensive Coordinator) und bist ...arbeitslos? Verwunderung herrscht bei Trainerlegende Bill Belichick, dass mit ihm noch nicht über die sich bald öffnenden Posten des Cheftrainers bei verschiedenen NFL-Teams gesprochen wurde. Mit den North Carolina Tar Heels soll es Gespräche gegeben haben, die allerdings ergebnislos verliefen.
Dass selbst relativ erfolglose Trainer wieder Jobs als Head Coach bekommen, aber Belichick nicht mal Anfragen hat, verwundert die Fachwelt, die Fans und die Trainerlegende gleichermaßen. So durfte beispielsweise im vergangenen Winter Dennis Allen in New Orleans weitermachen (mittlerweile gefeuert) trotz einer Bilanz von 24 Siegen und 46 Niederlagen in der Führungsrolle. Raheem Morris bekam statt Belichick den Posten bei den Atlanta Falcons trotz einer Karrierebilanz von 21 Siegen und 38 Niederlagen als Head Coach der Tampa Bay Buccaneers und Interims-Head-Coach (2020) der Falcons. Mittlerweile sind neben Allen auch Robert Saleh (New York Jets) und Matt Eberflus (Chicago Bears) entlassen worden, bei weiteren wie Brian Daboll (New York Giants), Doug Pederson (Jacksonville Jaguars) oder Antonio Pearce (Las Vegas Raiders) soll der Wechsel am "Black Monday", also unmittelbar nach dem letzten Saisonspiel erfolgen. Anfragen an Belichick bisher (nach dessen eigener Aussage): 0.
Mehrere Gründe haben die ausbleibenden Jobangebote für die Trainerlegende der New England Patriots allerdings. Daher bleibt abzuwarten, ob Bill Belichick 2025 seinen Anzug und Kommentatorenplatz wieder gegen seinen Hoodie und den Platz an der Seitenlinie eintauchen kann. Dabei wirkt es derzeit aus mehreren Gründen so, als ob kein Team ihn seine Überlegungen beim Head Coach Wechsel einbezieht.
1.) Seine Methodik hat sich überholt
Bill Belichick ist ein typischer Coach der alten Schule. Er übt Druck auf seine Spieler aus, um sie zu Höchstleistungen zu pushen. Dies klappt gut, wenn man die richtigen Spieler im Team hat, die dafür empfänglich sind. Dies war auch vor 30 Jahren die weitverbreitete Coaching Methodik, mittlerweile sind jedoch Trainer populärer, die mit den Spielern zusammenarbeiten und sich in die Situation der Spieler besser hineinversetzen können. Coaches wie Dan Campbell (Lions), Mike McDaniel (Dolphins) oder Sean McVay (Bills) haben den Ruf mit ihrer Art "Teambuilder" zu sein. Sie haben eine Verbindung zu ihren Spielern, können aber auch mit Druck arbeiten. Bei Belichick klappt aber der "Kumpeltyp" nicht, er ist alleine von seinem Alter her zu weit von den Spielern entfernt. Ebenso spielt in der NFL immer mehr "Wertschätzung" eine Rolle. Dabei ist Belichick bekannt dafür selbst seinen Stars keinen hochdotierten Vertrag anzubieten und auf "Hometown Discounts" zu bestehen oder sie alternativ plötzlich und unvorbereitet im Trade an einen Konkurrenten zu schicken (zB LB Jamie Collins).
2.) Er hat zu viele Brücken verbrannt
Wer kennt sie nicht die Geschichte des zweimaligen Head Coaches der New York Jets, der nicht einmal ein Training geleitet hat? Diese Geschichte hat Bill Belichick geschrieben als er 1997 im Februar als "Head Coach" der Jets verpflichtet wurde, um sechs Tage später seinem Mentor Bill Parcells Platz zu machen und wieder Defensive Coordinator und Assistant Head Coach unter ihm zu werden. Etwas anrüchig war dies damals, war Belichick doch schon bei den New York Giants und New England Patriots der Defensive Coordinator von Parcells. Während die Patriots den Abgang von Belichick als Defensive Coordinator zu einem Konkurrenten hätten blockieren können, da es keine "Beförderung" war, waren sie durch den Titel als (Assistant) Head Coach dann machtlos, auch wenn Belichick nach sechs Tagen wie geplant ins zweite Glied zurückrutschte. Da für Bill Parcells eine Ablöse fällig wurde, gab es die Argumentation auch Belichick mit eingepreist zu haben - ein Nachgeschmack blieb aber.
Für Patriots Besitzer Robert Kraft aber kein allzu schaler Nachgeschmack, er wusste was er vom Trainer hielt. Denn nur drei Jahre später war die Ära Parcells bei den Jets beendet und dieser hatte arrangiert, dass Bill Belichick sein Nachfolger werden würde. Einen Tag war Belichick im Amt, als er vor die versammelte Presse trat, um von den Jets vorgestellt zu werden. Er trat ans Podium und sprach den Satz "Ich treten hiermit als Head Coach der New York Jets zurück". Dies erklärte er anschließend, um wenige Tage später von den New England Patriots als Head Coach vorgestellt zu werden. Die Jets verlangten daraufhin Ablöse und bekamen nach einer Kontroverse von der NFL einen Erstrundenpick zugesprochen.
Zugegeben, nur eine Geschichte hier und der Grund, warum die Jets ihn sicher nicht als Nachfolger von Salah verpflichten werden. Aber - auch wenn es 25 Jahre her ist - eine Warnung an die Teams im Umgang mit ihm. Zumal er auch als Erfolgstrainer der Patriots nicht immer einen reibungslosen Umgang mit seinen Konkurrenten pflegte, was ihm nun auf die Füße fällt.
3.) Belichick hält sich nicht an Regeln
Wenn es einen Trainer gibt, der das NFL Regelwerk bis auf die letzte Nuance ausreizt, dann Bill Belichick. Zahlreiche Regeln wurden wegen ihm angepasst und konkretisiert, nicht zuletzt die Regelungen zur Bekanntgabe verletzter und angeschlagener Spieler vor einer Partie. Auch 'Spygate' gehört dazu, denn damals war für Belichick alles was nicht ausdrücklich verboten ist erlaubt - selbst wenn es sich von selbst erklärt, dass es nicht legal sein kann.
4.) Seine gewünschte Kontrollfunktion
Dass er in New England so einen Erfolg hatte lag auch daran, dass er in allen Bereichen Mitspracherecht hatte. Welche Spieler die Patriots und ihr de Facto Vice President of Player Personel verpflichteten, unterlag Head Coach, Kaderplaner, Salary Cap Spezialist und General Manager Bill Belichick. War Belichick mit seinem Offensive oder Defensive Coordinator unzufrieden, setzte er sich selber in diese Funktion ein und übernahm das Playcalling. Eine solche Machtkonzentration wird kein Team dem Trainer mehr zugestehen, doch ist Belichick dafür bekannt sich nicht in seine Entscheidungen hineinreden zu lassen. Eine Verpflichtung des Trainers würde entweder eine Umstellung des Trainers voraussetzen oder eine de facto Entmachtung des bisherigen General Managers - ein ganz schwieriges Thema.
5.) Die Folgen seiner Verpflichtung
Wenn man eins ihm zugutehalten muss, dann das: er ist sehr loyal seinen Weggefährten gegenüber, wenn sie ihm gleiches zurückgeben. Man denke nur an seinen langjährigen Offensive Coordinator Josh McDaniels, den er gerne zurückholte nachdem dieser erfolglos die Denver Broncos trainert hatte. Auch Bill O'Brien oder Eric Mangini bekamen von ihm eine zweite Chance. Somit muss ein Team damit rechnen, dass Belichick versuchen wird sich mit "seinen" Leuten zu umgeben, die aber recht häufig abseits der Patriots nicht die erhoffte Verstärkung waren. Ebenso gab es Gerüchte, dass er bei den Verhandlungen mit den North Carolina Tar Heels seinen Sohn Stephen als Nachfolger in den Vertrag festschreiben wollte - was für die meisten Teams ein absolutes No-go ist seine Zukunft so festzuschreiben.
6.) Der Media-Zirkus und die Erwartungen
Für jedes Team, das Belichick verpflichtet ist eins klar: die Medien werden diesen "Coup" eng begleiten und der Erwartungsdruck der Medien und der Fanbase wird immens sein. Jeder erwartet den Trainer, der innerhalb weniger Jahre nach Amtsantritt drei Titel nach New England holte, genauso groß ist aber auch die Wahrscheinlichkeit den Trainer zu bekommen, der bei den Cleveland Browns zwischen 1991 und 1995 36 Siege und 44 Niederlagen und nur eine "Winning Season" mit Playoffteilnahme erlebte.
Somit müsste es ein Team sein, das schon vom Personal her gut aufgestellt ist, sowie einen etablierten Teambesitzer hat, der alles was die Verpflichtung nach sich zieht tragen kann. Von den derzeitigen übkichen Kandidaten wäre da niemand geeignet. Die New York Jets werden die Personalie Belichick sicher nicht noch einmal anfassen, zudem sind sie ein Kandidat für einen totalen Neuaufbau. Dies gilt auch für die New York Giants - das andere Team für das Belichick schon tätig war. Zu den New Orleans Saints passt er auch nicht ganz, denn Teambesitzerin Galye Benson ist noch zu neu im Geschäft, zu wenig engagiert und wesentlich weniger in den Ligakreisen etabliert als ihr verstorbener Mann Tom. Ob Belichick mit General Manager Micky Loomis funktionieren würde, lässt sich ebenso bezweifeln. Auch Virigina Halas-McCaskey gilt als "Hands off" Owner, die die Führung des Teams einem starken Management überlässt unter dem der Head Coach angesiedelt ist. Zudem ist McCaskey 101 Jahre alt und es ist nicht ausgeschlossen, dass sich in naher Zukunft einiges beim Team verändern wird. Bei den Las Vegas Raiders ist Mark Davis der Teambesitzer und dieser gilt in Ligakreisen eher als Paradiesvogel.
So gäbe es nur ein Team, zu dem die Personalie Bill Belichick passen könnte: die Dallas Cowboys. Mit Jerry Jones haben die Cowboys einen Besitzer, der in NFL Kreisen sehr akzeptiert und respektiert wird, wie es in New England nach etwas Anlaufzeit auch Robert Kraft wurde. Jones ist nah am Team dran und versteht die verschiedenen notwendigen Aspekte ein Team zu führen. Mit Belichick könnten beide ein starkes Duo bilden a la Belichick und Kraft - ob Jones dies allerdings seinem Coach zugestehen möchte, kann nur er selbst entscheiden. Gewinnen will Jones aber auf jeden Fall und dies ist auch das oberste Ziel von Belichick. Vom Kader her sollte das Team auf jeden Fall reizvoll für die Trainerlegende sein. Alleine OLB/DE Micah Parsons könnte beim defensiv-orientierten Belichick eine "Lawrence Taylor" Rolle im System einnehmen. Mit QB Dak Prescott und WR CeeDee Lamb hat das Team auch im Angriff schon Stars vorzuweisen, denen der Ruf nachhallt nie ihr wahres Potenzial erschlossen zu haben. Bei den Cowboys müsste Belichick aber Mike McCarthy ersetzen, der zwar nicht ganz unumstritten ist, aber auch zu den renommierten Trainern der NFL zählt. Interessant wird es daher werden, ob Jerry Jones nach der Saison McCarthy entlässt und welche Richtung er dann einschlägt. Für beide Seiten könnte es eine zueinander passende Zweckehe auf Zeit werden - Belichick fehlen 15 Siege um den Rekord des "Siegreichsten Coaches" der Liga zu erringen (Miamis Don Shula ist dies noch) und Jones möchte endlich mit den Cowboys wieder Erfolge feiern.
Schüler - 10.12.2024
Wird Bill Belichick 2025 einen Trainerstuhl bekleiden? (© Schüler)
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