Höhenflüge und Abstürze
Die Saison 2024 nimmt rasant an Fahrt auf. Am zweiten vollen Spieltag kassierten vier Top-25-Teams Niederlagen gegen nicht platzierte Teams, inklusive eines "Upset for the ages" durch Northern Illinois aus der Mid-American Conference (MAC), das beim Ranglisten-Fünften Notre Dame sensationell, zugleich aber auch völlig verdient, mit 16:14 gewann. Fünf weitere Top-25-Teams, darunter mit Penn State und Oregon zwei weitere aus den Top Ten, konnten das gleiche Schicksal gerade noch so abwenden. Und auch der letztjährige National Champion Michigan ist schon zu diesem frühen Zeitpunkt nicht mehr ungeschlagen, wobei die Niederlage gegen den letztjährigen Playoff-Teilnehmer Texas an sich keine Überraschung ist, nur in der Höhe (12:31) und in der Art des Zustandekommens so nicht erwartet worden war. Gleichzeitig deuteten Teams wie Tennessee, Miami und USC an, dass sie in ihren Conferences und im Kampf um die Plätze in den Playoffs eine bessere Rolle spielen könnten, als man es ihnen vor der Saison zugetraut hatte. So darf es getrost weitergehen.
Der Spieltag hatte zwei große Gewinner und zwei große Verlierer. Letztere waren Notre Dame und Michigan. Das aufsehenerregenste Ergebnis war natürlich das von Notre Dame. Nach dem Sieg bei Texas A & M in der Woche zuvor wähnte man die Fighting Irish klar auf Kurs Richtung Playoffs. Mit den Aggies hatten sie einen der beiden potenziell schwersten Gegner im Programm besiegt. Der andere ist USC, gegen das man im letzten Regular-Season-Spiel Ende November antritt. Und dann das. Das Erstaunliche war, dass Northern Illinois von der Anfangsphase abgesehen, in der Notre Dame mit dem ersten Angriff (13 Spielzüge, 75 Yards, dechseinhalb Minuten Ballbesitz) das 7:0 vorlegte, das bessere Team war. Die Huskies holten deutlich mehr Yards, waren fast zehn Minuten länger in Ballbesitz, setzten mit dem spektakulären Pass zum 7:7 das Highlight des Spiels und waren überraschenderweise ihrem prominenten Gegner physisch mindestens ebenbürtig. Für Head Coach Thomas Hammock war das gar nicht mal überraschend. "Wir waren kräftiger als sie dachten. Meiner Meinung nach sind wir kein normales MAC-Team. Wir haben große Offensive und Defensive Lines. Ich sah da kein ungleiches Duell. Wir haben einfach den Kampf an der Linie gewonnen", so sein Fazit dazu.
Die Niederlage hat für Notre Dame mit Blick auf die angepeilte Playoff-Teilnahme durchaus Folgen, auch wenn nach der Erweiterung der Playoffs Niederlagen nicht mehr ganz so folgenschwer sind. Sollte Notre Dame kein weiteres Spiel verlieren und die Regular Season mit einer 11-1-Bilanz beenden, sind die Chancen, die KO-Runde zu erreichen, eigentlich groß. Aber: Notre Dame spielt in dieser Saison ein eher leichtes Programm und hat entsprechend weniger Gelegenheit, um die Mitglieder des Playoff Selection Committees zu beeindrucken, zumal man als Independent auch kein Conference Championship Game spielt. Und die Niederlage gegen ein Team aus der MAC wiegt deutlich schwerer als eine gegen einen namhaften Gegner. Für Notre Dame heißt es jetzt, erstens alle restlichen Spiele zu gewinnen, möglichst überzeugend, und darauf zu hoffen, dass die stärksten Gegner - Texas A & M, USC, Louisville und Florida State - möglichst viele Spiele gewinnen, damit die eigenen Siege gegen diese eindrucksvoller aussehen. Die Fighting Irish können sich nach der Niederlage gegen Northern Illinois im Grunde keine weitere Niederlage leisten, wenn sie ihr Playoff-Schicksal selbst in der Hand behalten wollen.
Für Michigan ist die Niederlage gegen Texas weniger folgenschwer. Die Longhorns waren ein Top-Gegner, gegen den man mit einem komplett umgebauten Team am Anfang der Saison eine Niederlage einkalkulieren musste. Und man hat im weiteren Verlauf der Saison noch genug weitere hochkarätige Gegner, gegen die man sich profilieren kann. Das Programm mit später anstehenden Spielen gegen USC, Oregon und Ohio State plus einem eventuellen Conference Championship Game birgt andererseits die Gefahr, noch weitere Spiele zu verlieren - zumal die Frage ist, wie lange das Zusammenwachsen der neuen Mannschaft dauert und ob die nachrückenden Spieler überhaupt die Qualität haben, das Niveau der letztjährigen Mannschaft zu erreichen. In Kommentaren zum Texas-Spiel wurde zum Beispiel kritisiert, dass der neue Head Coach Sherrone Moore nicht versucht habe, über das Transfer-Portal einen erfahreren Quarterback zu holen. Im Angriff passte gegen Texas wenig zusammen, und auch die Abwehr war anfälliger als erwartet. Viel Zeit bleibt den Coaches nicht, um Lösungen zu finden. Bereits in zwei Wochen kommt mit USC der nächste angriffsstarke Gegner nach Ann Arbor.
Texas war einer der beiden großen Gewinner des Spieltages. Die statistischen Zahlen lasen sich später gar nicht mal so beeindruckend. Das lag aber auch daran, dass das Spiel bei Halbzeit schon so gut wie vorentschieden war. In der ersten Halbzeit, in der Texas knapp zwei Drittel der Spielzeit in Ballbesitz war und eine 24:3-Führung vorlegte, war der Auftritt der Longhorns eine Demonstration der Stärke. Vor der Pause holte Texas 299 seiner 389 Yards, Michigan nur 83. Mit dem klaren Sieg in Ann Arbor bestätigte Texas die hohen Erwartungen an das Team, auch wenn der Weg Richtung Playoffs noch schwer genug wird. Im Oktober spielt man an aufeinander folgenden Wochenenden zunächst gegen den ewigen Südwest-Rivalen Oklahoma und dann gegen Georgia. Ende November steht dann das Lokalderby bei Texas A & M an und anschließend eventuell das SEC Championship Game. "Dieses eine Spiel wird nicht über unsere Saison entscheiden, aber ich denke, dass es ein guter Maßstab dafür sein kann, was für ein Team wir werden können", sagte Head Coach Steve Sarkisian später.
Der zweite große Gewinner war Tennessee. Die Volunteers nahmen North Carolina State, das vor der Saison als das vermeintlich stärkste Team der ACC hinter Florida State und Clemson gesehen wurde, mit 51:10 regelrecht auseinander, vor allem in der zweiten Halbzeit. Bemerkenswert war vor allem der Auftritt von QB Nico Iamaleava in seinem ersten College-Spiel. Iamaleava unterliefen zwar zwei Interceptions, er warf aber auch zwei Touchdown-Pässe und erlief einen weiteren Touchdown. Head Coach Josh Heupel lobte später Iamaleavas Beharrlichkeit und wie er auf die Fehler reagierte. Wenn Tennessee die Leistung von Samstag in den kommenden Wochen bestätigen kann, dann hätte die SEC einen Playoff-Kandidaten mehr. Die Volunteers spielen im Oktober und November zwar sowohl gegen Georgia als auch gegen Alabama, aber eine 10-2-Bilanz ist erreichbar, und die sollte für einen Platz in den Playoffs reichen.
Hoch - 09.09.2024
QB Quinn Ewers führte Texas zu einem klaren 31:12-Erfolg beim letztjährigen National Champion Michigan. (© Getty Images)
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