Bill Belichick - umtriebiger Rentner

Demnächst vor anderen Mikrofonen - Bill BelichickDer Mann ist wahrlich kein typischer Rentner. Zumindest nicht nach deutschem Verständnis. Zum Einen arbeitete er schon deutlich länger, als das hierzulande die Norm ist, zum Anderen werden momentan im Tagestakt neue Verpflichtungen von Ex-Patriots Head Coach Bill Belichick im Medienbereich verkündet.

Das kann einen langjährigen NFL-Beobachter durchaus verwundern. Oft schien es bei Pressekonferenzen so, als ob er die versammelten Medienvertreter als Feinde ansehen würde. Unvergessen sein fünfmal wiederholtes "we’re on to Cincinnati" nach einer krachenden Pleite gegen die Kansas City Chiefs kurz nach Ligaauftakt vor zehn Jahren. Auch sonst reagierte er oft schmallippig und dünnhäutig bei den für ihn offensichtlich lästigen Verpflichtungen. So auch nach der schmerzhaften Niederlage der Patriots gegen die Indianapolis Colts in Frankfurt im vergangenen Jahr.

Damals musste man sich nicht wundern – es hätte durchaus auch seine letzte Partie als Patriots Head Coach gewesen sein können. Dass sein Engagement länger als den Rest der Saison 2023 andauern würde, war zu diesem Moment schon kaum mehr vorstellbar, trotz aller Verdienste in den Jahren zuvor.

Am Ende hatten ihn auch seine acht Super Bowl Siege, davon sechs mit den New England Patriots als Head Coach und zwei mit den New York Giants als Defensive Coordinator von Bill Parcells, nicht vor einer Entlassung schützen können. Es fühlte sich aber auch an, als ob es Zeit dafür gewesen ist.

Belichick sah das anders. Trotz seiner damals knapp 72 Jahre hätte er weitergemacht. Schließlich war Coaching sein Traumjob, dem er spätestens seit Collegezeiten nachlief. "Das ist verdammt nochmal viel besser als ein Klemptner zu sein" hatte er bei der Pressekonferenz nach dem Super Bowl Sieg im Februar 2019 in Erinnerung an eine frühe Begegnung mit Julian Edelman erklärt.

Trotz seiner Titel war er im Frühjahr aber kaum ein Thema für einen der freigewordenen Head Coach Posten. Am längsten vermutete man ihn als aussichtsreichen Kandidat für den Job bei den Atlanta Falcons, aber nach zwei Vorstellungsgesprächen – bei denen wohl eher Belichick Seine Vorstellungen geäußert haben dürfte – zog man dort Cowboys Defensive Coordinator Dan Quinn vor.

Belichick wurde anschließend als Neuzugang für die Crew der Pat McAfee Show für den NFL Draft in Detroit vorgestellt; ein Job, bei dem er dann erstaunlich unterhaltsam aufgetreten ist. Dass es keinesfalls am Fachwissen scheitern würde, war im Vorfeld jedermann klar gewesen.

Die Lobpreisungen überschlugen sich und damit kamen auch die Angebote, die die Medienfachleute Richard Deitsch und Andrew Marchand gut zusammenfassten: "Belichick ist überall. Er wird ein regelmäßiger Gast in Pat McAfees Show sein, er hat einen festen Gastauftritt in ESPNs ‚Monday Night Football with Peyton and Eli‘ [fast besser bekannt als ‚Manningcast‘], er wird eine Rolle in der CW-Sendung "Inside the NFL" spielen, er hat eine 30-minütige Show mit Peyton Manning auf ESPN+, die sich auf das "Monday Night Football"-Matchup dieser Woche konzentrieren wird; er moderiert "Coach with Bill Belichick" – eine wöchentliche Football-Analyseshow für Underdog Fantasy, die auf YouTube laufen wird – und er wird während der NFL-Saison mit SiriusXM arbeiten. Dieser Typ ist in einer Offseason zu Ryan Seacrest geworden." Seacrest ist ein Medien- und Unterhaltungsprofi, der im amerikanischen TV allgegenwärtig ist.

Marchand schätzt, dass sich die Einnahmen aus diesen Gigs auf gut zehn Millionen Dollar für die kommende Saison summieren.

Nicht schlecht für einen Rentner, der sich erstmals im Medienbereich versucht und die Angehörigen dieses Berufsstands früher verachtete.

Carsten Keller - 04.09.2024

Demnächst vor anderen Mikrofonen - Bill Belichick

Demnächst vor anderen Mikrofonen - Bill Belichick (© Carsten Keller)

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