Qwan'tez Stiggers steiniger Weg
Seine Geschichte im Vorfeld des Drafts ist eine der Ungewöhnlichsten und das nicht nur in diesem Jahr – jetzt erfüllte sich ein Traum für ihn: Der Passverteidiger Quan’tez Stiggers wurde von den New York Jets am Ende der fünften Runde gedrafted und ist damit erst der dritte Spieler der modernen Ära, der dies schaffte, ohne einmal an einem US-College gespielt zu haben.
Defensive Lineman Eric Swann (Erstrundenpick der Cardinals 1991) und der deutsche Tight End Moritz "MoBo" Böhringer (2016 Sechstrundenpick der Minnesota Vikings) waren die beiden anderen. Swann spielte zehn Jahre – neun davon bei den Cardinals - und insgesamt 126 Partien in der NFL und wurde 1995 und 1996 zum Pro Bowl geschickt. Seine schulischen Leistungen hatten eine College-Karriere verhindert, stattdessen schloss er sich einer semi-professionellen Liga an. Das klappte damals so gut, dass er gleich mit dem sechsten Pick überhaupt ausgewählt wurde.
Böhringer war dagegen mit dem 180. Pick und vielen Fanfaren bei der Liveübertragung ausgewählt worden, schaffte es aber letztendlich nie in einem regulären Saisonspiel auch auf das Spielfeld. Bei den Vikings und Bengals stand er vorwiegend in der Practice Squad und kehrte vier Jahre später nach Deutschland zurück. Dort lief er seitdem für die Schwäbisch Hall Unicorns in der GFL und Stuttgart Surge in der ELF auf.
Doch zurück zu Quan’tez Stiggers: Der musste als eines von 13 Kindern den Tod seines Vaters im Herbst 2020 verkraften, nachdem der im Frühjahr bei einem schweren Autounfall verletzt und seitdem im Koma gelegen war.
Der Verlust löste schwere Depressionen aus und Stiggers konnte sich nicht mehr auf Football konzentrieren. Statt nach der High School im Corona-Jahr ans College zu können, saß er zwangsläufig ohne große Perspektive zu Hause.
Seine Verlobte, deren Schwester 2019 durch eine verirrte Kugel getötet worden war, verstand ihn und gegenseitig führten Gespräche dazu, die seelischen Wunden zu heilen. Er fuhr Essen für den Lieferdienst Door Dash aus und reinigte Mietwagen für 8,50 Dollar die Stunde.
Letztendlich motivierte ihn seine Mutter, wieder mit Footballtraining zu beginnen und sich bei der "Fan Controlled Football"-Liga (FCF) zu bewerben, von der er vorher noch nie gehört hatte. Dort hatten schon der 48-jährige Terrell Owens, Johnny Manziel oder Martavis Bryant ihr Glück mit mehr oder weniger Erfolg versucht.
Erfolg hatte jedoch Quan’tez Stiggers: John Jenkins, einer der Coaches, war so überzeugt, dass er seine langjährigen Verbindungen zur Canadian Football League (CFL) spielen ließ. Stiggers landete bei den Toronto Argonauts und glänzte auch dort: Nachdem er sich mit starken Trainingsleisten nachhaltig ins Gespräch gebracht hatte, lief er in 16 Partien auf und kam auf 53 Tackles und fünf Interceptions – genug für die Auszeichnung zum "Most Outstanding Rookie" der Liga.
Die NFL wurde aufmerksam: Beim East-West Shrine Bowl, zu dem er eingeladen worden war, spielte er vor nahezu allen NFL-Teams vor und überzeugte einmal mehr.
Im Adam Schefter-Podcast wurde er vom Host gefragt, was er denken würde, wenn er denn tatsächlich gedrafted werden würde, wonach es im Vorfeld auch irgendwann sicher aussah. Seine Antwort: "Wir habens geschafft, Dad. Wir habens geschafft!"
Das Daumendrücken hat geholfen und die NFL, die an emotionalen Momenten alles andere als arm ist, hat eine weitere Story, die reif für ein Hollywood-Drehbuch scheint.
Jetzt muss sich nur noch zeigen, ob sich Quan’tez Stiggers auch bei den Jets durchsetzen kann. Angesichts seiner Vorgeschichte sollte man keinesfalls dagegen setzen...
Carsten Keller - 28.04.2024
Die Jets Fans hatten mehrfach Grund zum Feiern am letzten Tag (© Carsten Keller)
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