An Thanksgiving gibts nichts geschenkt
Am kommenden Wochenende, an dem in den USA Thanksgiving gefeiert wird, ist im College Football eher Nehmen als Geben angesagt und Dankbarkeit schon gar nicht. Nachdem am letzten Spieltag die Top Ten der aktuellen Playoff-Rangliste, darunter die neun Teams, die noch Chancen auf das Erreichen der Playoffs haben, siegreich waren, wird sich das Feld der Playoffanwärter auf jeden Fall neu sortieren, allein schon wegen des direkten Duells zwischen Michigan und Ohio State. Wahrscheinlich ist aber auch, dass alle neun Kandidaten, auch der Verlierer des Michigan-Ohio-State-Spiels, bis zu den Conference Championship Games am ersten Dezember-Wochenende im Rennen bleiben.
Entscheidungen sind am letzten Spieltag aber auch gefallen, nämlich bezüglich der Besetzung der Conference Championship Games. Eines davon, das der SEC, hatte bereits seit der Vorwoche festgestanden, als sich Georgia und Alabama für dieses qualifiziert hatten. Beide gaben sich am Samstag keine Blöße - Alabama beim 66:10 gegen das unterklassige Tennessee-Chattanooga sowieso nicht, und Georgia setzte mit dem beängstigend souveränen 38:10-Erfolg bei Tennessee noch mal ein richtiges Zeichen an die Konkurrenz. Der kommende Gegner Georgia Tech wird die Bulldogs gewiss nicht in Bedrängnis bringen, und auch für Alabama wird im SEC-Finale eine Woche später verdammt schwer werden, den National Champion der letzten beiden Jahre zu schlagen.
In einer weiteren Power Five Conference steht die Ansetzung für das Championship Game seit Samstag ebenfalls fest. In der ACC wird das bereits vor einer Woche qualifizierte Florida State auf eine der größten Überraschungen dieser Saison, Louisville, treffen. Die Cardinals qualifizierten sich mit einem hart erkämpften 38:31-Comeback-Erfolg bei den Miami Huricanes aus eigener Kraft. Letztlich wären sie auch im Falle einer Niederlage ins ACC-Finale eingezogen, weil später am Samstagabend North Carolina bei Clemson mit 20:31 verlor. Bei Florida State dürften Gedanken an das ACC Championship Game am Samstag aber noch ganz weit weg gewesen sein. Der Grund: Beim 58:13-Sieg gegen das unterklassige North Alabama schied QB Jordan Travis kurz vor Ende des ersten Viertels verletzt aus. Die genaue Art und die Schwere der Verletzung waren bis Sonntagabend noch nicht bekannt, aber klar ist wohl, dass es eine schwerere Verletzung ist und dass Travis für den Rest der Saison ausfällt. Das ist zunächst einmal für Travis selbst tragisch und sowohl physisch als auch mental schmerzhaft. Für Florida State heißt das, dass man die Ziele Conference-Titel und Playoff-Teilnahme in den kommenden Spielen bei Florida und gegen Louisville ohne seinen wichtigsten Spieler erreichen muss. "Jordan ist so wichtig für diese Mannschaft, nicht nur als Quarterback, sondern mit allem, wofür er steht. Wenn sich ein Spieler verletzt und du nicht wirklich weißt, was passiert ist, ist das für jeden emotional belastend", sagte Head Coach Mike Norvell nach dem Spiel zum Ausfall von Travis.
In zwei weiteren Power Five Conferences steht seit Samstag zumindest ein Teilnehmer für das Champioship Game fest. In der Big Ten sicherte sich Iowa mit einem mühevollen 15:13 gegen Illinois schon vor dem letzten Spiel Platz eins in der schwächeren West Division. Das wird Vielen, vor allem in den Medien, nicht passen. Auf der in der Offensive nun wirklich nicht gerade ansehnlichen Spielweise der Hawkeyes wird ständig herumgeritten. Aber weil es im Wettkampfsport nunmal primär darauf ankommt, mehr Punkte zu erzielen als der Gegner, und das schafft Iowa meistens irgendwie, ist das ständige Lamentieren darüber inzwischen echt langweilig. Klar ist: Im Conference-Finale wird Iowa der krasse Außenseiter sein. Der Gegner dort wird der Sieger des Duells Ohio State gegen Michigan sein, und dass Iowa den allein mit Aktionen der starken Abwehr und der Special Teams schlagen kann, glaubt wohl niemand ernsthaft.
In der Pac-12 Conference hat sich Washington mit dem 22:20-Erfolg bei Oregon State vorzeitig für das Conference Championship Game qualifiziert. Selbst, wenn die Huskies am kommenden Wochenende das Lokalderby gegen Washington State verlieren würden, blieben sie Erster, weil sie gegen Oregon, das einzige Team, das in der Conference-Bilanz noch mit ihnen gleichziehen könnte, das direkte Duell gewonnen hatten. Für Washington geht es aber um mehr. Der Conference-Titel soll nur Zwischenstation auf dem Weg in die nationalen Playoffs sein. Ein leichtes Spiel dürfte die Huskies nicht erwarten. Derbys haben auch im College Football ihre eigenen Gesetze, und Washington State muss gewinnen, wenn es sich noch für eines der kleineren Bowl-Spiele qualifizieren will.
Wahrscheinlich wird es für Washington im Championship Game zu einem erneuten Duell mit Oregon kommen, das am Samstag mit 49:13 bei Arizona State gewann. Mit einem Sieg gegen Oregon State, das nach der Niederlage gegen Washington das Conference-Finale nicht mehr erreichen kann, würde Oregon als Zweiter ins Championship Game einziehen. Im Falle einer Niederlage am Freitagabend müsste Oregon darauf hoffen, dass das in den letzten Wochen immer stärker werdende Arizona am Samstag bei Arizona State verliert. Bei einem eigenen Sieg und einer Niederlage von Oregon, würde Arizona als Zweiter gegen Washington um den Pac-12-Titel spielen. In dem Fall hätten Arizona und Oregon die gleiche Conference-Bilanz. Weil sie in den Punnktspielen aber nicht gegeneinander gespielt haben und so der direkte Vergleich nicht als Tie-Breaker herangezogen werden könnte, würde der nächste Tie-Breaker-Schritt zur Anwendung kommen, nämlich das Ergebnis gegen den nächst-höchstplatzierten Gegner. Das wäre in diesem Fall Oregon State. Gegen das hat Arizona gewonnen, Oregon hätte bei diesem Szenario aber gegen die Beavers verloren.
Richtig verworren ist noch die Situation in der Big Twelve Conference. Selbst der Tabellenführer Texas, der am Samstag bei Iowa State mit 26:16 gewann, ist noch nicht sicher im Finale. Das Tie-Breaker-Verfahren in der Big Twelve ist so unübersichtlich, dass selbst mehrere Statements der Conference dazu in den letzten Tagen die Situation nur bedingt überschaubarer machten. Das große Problem ist, dass am Ende vier Teams mit der gleichen Conference-Bilanz an der Spitze stehen könnten und die nicht alle gegeneinander gespielt haben. Klar ist zumindest das: Wenn Texas am Freitag gegen Texas Tech gewinnt, ist es Erster und damit drin. Sollten die Longhorns verlieren, brauchen sie entweder eine Niederlage von Oklahoma State gegen BYU, oder Niederlagen von Oklahoma gegen TCU und Kansas State gegen Iowa State. Die drei mit je zwei Conference-Niederlagen hinter Texas platzierten Teams - Oklahoma State, Oklahoma und Kansas State - brauchen neben eigenen Siegen immer Hilfe durch die Ergebnisse der anderen. Am einfachsten ist es dank der Siege gegen Oklahoma und Kansas State für Oklahoma State. Ein Sieg gegen BYU plus ein Sieg von Texas gegen Texas Tech bringt sie ins Finale. Im Falle einer Niederlage müssten entweder Texas gewinnen und Oklahoma verlieren oder Oklahoma und Kansas State ebenfalls verlieren. Oklahoma kann es mit einem Sieg schaffen, wenn entweder Oklahoma State verliert oder Texas (gegen das man gewonnen hatte) und Kansas State verlieren. Kansas State wiederum muss gewinnen und braucht entweder Niederlagen von Oklahoma State und Oklahoma oder Siege dieser Beiden plus eine Niederlage von Texas. Einfach ist anders, aber das war der College Football ja nie.
Hoch - 20.11.2023
Florida States QB Jordan Travis schied gegen North Alabama verletzt aus und wird dem Playoffanwärter in den letzten Spielen fehlen. (© Getty Images)
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