Auswärtsfinale als Underdog
"Das nächste Spiel ist immer das wichtigste" (oder schwerste). In diesem Fall trifft das sicherlich zu, denn nach einer Spielzeit ohne einen Sieg 2022 steht Stuttgart Surge im Jahr darauf im Endspiel gegen Rhein Fire am kommenden Sonntag in Duisburg.
Während Rhein Fire in ihrer Gründungssaison 2022 knapp die Playoffs verpasste, als Zweite r ihrer Conference die Saison beendete und in der jetzigen Saison von Anfang an als Titelaspirant galt, befand sich die Stuttgart Surge nach zwei katastrophalen Spielzeiten vor einem kompletten Neubeginn.
Man kann getrost davon ausgehen, dass Stuttgart tief in die Tasche gegriffen hat, um Head Coach Jordan Neuman und eine Reihe Leistungsträger aus Schwäbisch Hall abzuwerben; der Erfolg gibt dieser Strategie auf jeden Fall recht: Die Bilanz konnte umgedreht werden, sodass Stuttgart mit zehn Siegen und nur zwei Niederlagen die Central Conference gewinnen und die Erwartungen fast aller übertreffen konnte. Trotz der zwischenzeitlichen Verletzung von QB Reilly Hennessey konnte die Offense stabil über die Saison hinweg punkten. Aber auch die starke Defense trug entscheidend zur Wende bei.
Nach einem dramatischen Halbfinal-Sieg vergangenen Samstag in Wien, bei dem den Vienna Vikings die erste Saison-Niederlage sowie die erste Heimpleite überhaupt in ihrer ELF-Historie zugefügt wurde, zog die Surge ins Finale ein. Das Team präsentierte sich ehrgeizig und kämpfte sich auch nach einem kurzen Ein-Punkt-Rückstand im vierten Quarter zurück zum Sieg. Zwischenzeitlich war gegen Ende der ersten Hälfte das vielzitierte Momentum Richtung Wien gekippt, bevor sich die Stuttgarter vor allem mit einem Fumble Return Touchdown wieder einen großen psychologischen Vorteil und letztendlich den verdienten Sieg erspielen konnten.
Das Team am Rhein rund um Head Coach Jim Tomsula kann bislang eine "perfect season" verbuchen: In der Regular Season konnten alle 12 Spiele gewonnen werden, was nicht zuletzt an der starken Offense liegt, die mit 5.482 Total Yards und insgesamt 78 Touchdowns führend in der Liga ist.
Zudem ist es quasi ein "Heimspiel" für Fire, das seine Partien in der Schauinsland-Reisen Arena ausgeträgt und deren Fans den Vorverkauf von Beginn an nutzten im Vertrauen darauf, ihr Team im Endspiel zu sehen.
Neue Ausfälle gab es für Stuttgart nicht im Halbfinale. Defensive Liner Sercan Vardar ist noch ein bisschen angeschlagen, aber ansonsten gibt es keine Änderungen – auch keine Rückkehrer – erklärte Head Coach Neuman im Rahmen seiner wöchentlichen Presseverfügbarkeit.
Der Head Coach ist Endspiel-erfahren wie kaum ein zweiter europäischer Coach. Allein zehn Endspiele konnte er als Head Coach gewinnen, so dass die Frage, ob es sich für ihn um ein "besonderes Finale" handle, durchaus Sinn macht: "Es ist schon speziell, wenn man bedenkt, dass es noch kein Jahr her ist, dass wir das Team gewechselt haben. Das ist schon besonders, wenn man sieht, von welchem Punkt alle in dem Jahr gekommen sind. Also von da, wo wir waren, zu dem Punkt, wo wir jetzt stehen. Daneben ist natürlich jedes Endspiel etwas Besonderes, weil es wirklich hart ist, da hinzukommen. Wirklich schwer."
Bevor es soweit ist, steht noch eine Trainingseinheit in Stuttgart am Freitagabend an, bevor der Tross am Samstag in Richtung Finalort aufbrechen wird. Ansonsten behandeln die Schwaben das Endspielwochenende wie ein "normales Auswärtsspiel."
Mit dem Quarterback des Gegners, Jadrian Clark, verlor Coach Neuman übrigens den German Bowl 2019 in Frankfurt. Den kennt er also bestens.
Bei den (österreichischen) Buchmachern geht Fire als haushoher Favorit in die Partie. Bei einem Einsatz von 10 Euro würde man nur 11,20 Euro (abzgl. Steuer) erhalten.
Aber die "Underdog-Mentalität" kennen die Stuttgarter schon aus dem Halbfinale vergangene Woche.
Carsten Keller - 21.09.2023
2019 verlor Head Coach Neuman mit seinem damaligen Quarterback und jetzigen Gegner Jadrian Clark den German Bowl (© Carsten Keller)
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