Underdog im XFL-Finale
Die dritte Saison einer Frühjahrs-Football-Liga in den USA unter dem Signet XFL findet am 13. Mai (14. Mai, 2 Uhr deutscher Zeit) im Alamodome in San Antonio (Texas) ihren Höhepunkt: Favorit D.C. Defenders aus der US-Bundeshauptstadt Washington trifft auf den texanischen Herausforderer Arlington Renegades, der in der Süd-Gruppe der Liga völlig überraschend im Spiel um die Divisionsmeisterschaft die bis dahin so souveränen Houston Roughnecks mit 26:11 verblüffte und so die Rolle als das texanische "Heim-Team" im Finale in der 65.00-Mann-Schüssel in San Antonio übernehmen darf.
Die XFL steht in den USA natürlich nicht so im Spotlight wie die großen aktuell aktiven Ligen NBA, MLB oder NHL. Der Sensationserfolg der Renegades allerdings sorgte für einige Schlagzeilen im Sportwettenbereich. Gestartet waren die Houston Roughnecks in der Woche vor dem Spiel mit einer Anfangsquote von über 1,55, bis zum Spielbeginn hatte die Mehrzahl der Wettfreunde mit ihren Einsätzen die Buchmacher gezwungen, diese Quote auf unter 1,30 zu reduzieren. Arlington ging mit einer Quote von über 3,60 als Außenseiter in das Spiel - war da aber von Beginn an die bessere Mannschaft. Ohne Tipps von Experten sind solch günstige Gelegenheiten nur schwer zu finden.
Wie voll es in San Antonio beim XFL-Finale werden wird, ist eine spannende Frage. Welche Zuschauerzahl die Organisatoren bekanntgeben werden und wie weit deren Zahl von Schätzungen von unabhängigen Beobachtern abweichen wird, die zweite. Fest steht, dass die "XFL 3.0", die federführend von Dwayne "The Rock" Johnson und seiner Managerin /Ex-Frau Dany Garcia aus der Konkursmasse des zweiten Versuchs von Wrestling-Mogul Vince McMahon 2020 aufgebaut wurde, mit der Ausrichtung des Finales jedenfalls weiter gekommen ist als ihr Vorläufer, der - auch wegen Corona - schon nach fünf Wochen den Spielbetrieb eingestellt hatte.
Allerdings sind selbst die nach eigenen Angaben knapp 14.500 Zuschauer pro Spiel im Schnitt für die Saison 2023 der niedrigste Wert der drei XFL-Anläufe 2001, 2020 und 2023. Vor drei Jahren waren es 18.125 Besucher pro Spiel, 2001 gar 23.410. Beides reichte nicht für eine langfristige Finanzierung, weil - bei US-Ligen der weitaus wichtigere und finanziell entscheidende Wert - die TV-Quoten weit hinter den großen Hoffnungen der Liga-Investoren und der Fernsehsender zurückblieben. Auch da punktete die XFL 2023 nicht wirklich, auch bei den beiden Playoff-Spielen nicht. Knapp mehr und knapp weniger als eine halbe Million TV-Zuschauer wie bei den beiden Spielen in Houston und Washington Ende April sind in den USA nichts. Etwa zeitgleich sahen zum Beispiel rund zehn Millionen Amerikaner bei der NBA beim Basketball zu.
Dass die TV-Sender dennoch immer wieder auch bei Frühjahrs-Football einsteigen, hängt natürlich damit zusammen, dass immer mehr Spartenkanäle und Streaming-Angebote mit Programm bestückt werden wollen, und American Football live im Herbst bei der NFL schließlich die mit Abstand meistgesehenen TV-Sendungen hervorbringt. Selbst kleinste Krümel des großen Kuchens könnten das Image als aktueller oder potenzieller Vertragspartner der NFL stärken, auch wenn ein paar Millionen Dollar an Investitionen verloren gehen.
Also werden "The Rock" und Frau Garcia auch nicht müde zu verkünden, dass es 2024 mit XFL Football weitergehen wird. Wie bei ähnlichen Projekten der Vergangenheit oder der aktuellen Konkurrenz USFL helfen auch die jeweiligen TV-Partner kräftig mit, ihre Kameras stets so durch die halb oder noch weniger gefüllten Arenen schweifen zu lassen, dass leere Sitze möglichst selten zu sehen sind. Ganz ohne Fans vor Ort geht es aber eben nicht, denn nur wirkliche Live-Atmosphäre lässt auch die TV-Produktion lebendig werden. Dass bei den verkündeten Zuschauerzahlen der Liga bei insgesamt 40 Spielen der Hauptrunde gleich 14 Mal der Wert ganz knapp über einem Tausender-Sprung lag, wird nicht jeder als glückliche Fügung interpretieren, sondern eher als statistisch recht unwahrscheinliche Auffälligkeit.
Wenig vertrauensbildend war sicher auch, dass man sich ständig fragen musste, wo genau im Stadion in Las Vegas sich eigentlich die 6.000+ Zuschauer gerade versteckten. Aber immerhin: Eine klare Erfolgsgeschichte hatte die XFL. Die St. Louis Battlehawks lockten regelmäßig über 30.000 Zuschauer zu ihren Spielen. Die Anti-NFL-Stimmung in der Football-verrückten Stadt in Missouri hat die XFL grandios für ihre Zwecke genutzt. Ausgerechnet wenige Jahre vor ihrem Super-Bowl-Sieg im Februar 2022 waren die NFL-Rams nach Jahrzehnten in St. Louis Richtung Los Angeles umgezogen - der Stachel sitzt da noch immer tief.
Die Leidensgeschichte fand ihre sportliche XFL-Fortsetzung, als die Battlehawks am vorletzten Spieltag ihre zweite Heimniederlage kassierten und damit Seattle den Vortritt in die Playoffs lassen mussten. Die erste Heimniederlage hatten die Battlehawks gegen die D.C. Defenders kassiert. Das Team aus der Hauptstadt war nicht nur für St. Louis eine Nummer zu groß - bis auf einen einzigen Ausrutscher mit einem Punkt Unterschied (ausgerechnet bei Ligaschlusslicht Orlando) gingen die Defenders bisher immer siegreich vom Platz.
Auch für das Finale sind sie so klarer Favorit, so sehr man in Arlington auch gerade euphorisiert ob des Sensationserfolgs in Houston ist. Im Endspiel stellt sich der Verteidigung der Renegades und Cheftrainer Bob Stoops die Aufgabe, noch einmal so zu dominieren wie im Divisions-Finale gegen Houston. Dies wird vor allem deswegen schwer, weil Running Back Abram Smith (mit 741 Yards aus der Saison die Nummer eins der Liga) den Top-Laufangriff der Liga anführt, und Quarterback Jordan Ta'amu auch wegen Smith an seiner Seite nur drei Interceptions warf.
Die Defenders kassierten so zwar die drittmeisten Gegenpunkte der Liga, waren aber dank des ballsicheren Angriffs mit 29,8 eigenen Punkten pro Spiel klar das offensiv erfolgreichste Team. Die Renegades kamen dagegen als schwächstes Team der Liga nicht einmal auf die Hälfte (14,6 Punkte pro Spiel). Erst im Divisions-Finale in Houston zeigte Quarterback Luis Perez mit 289 Yards und drei Touchdowns ohne Interceptions, was an einem guten Tag für ihn drin ist. Während der Saison allerdings bremste er seinen Angriff mit zu vielen Fehlwürfen immer wieder selbst aus.
Ob im XFL-Finale die sportlichen Verhältnisse erneut noch einmal auf den Kopf gestellt werden und ob der kommende Ligameister 2024 die Chance bekommen wird, in einer weiteren Saison seinen Titel zu verteidigen, wird man abwarten müssen.
Frank Schulze - 09.05.2023
Tomasi Laulile und die Arlington Renegades sind klare Außenseiter gegen die D.C. Defenders. (© Getty Images)
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