Georgia überschätzt? TCU unterschätzt?

Die beiden Gegner für das Football Playoff National Championship 2023 sind ausgespielt und die ungeschlagenen Georgia Bulldogs werden als Titelverteidiger diesmal von TCU im SoFi Stadium in Inglewood bei Los Angeles herausgefordert. Im Mutterland des American Football Sportes wird das Match als ein Spiel David gegen Goliath gehandelt. Ob die amerikanische Presse damit Recht behält, ist abzuwarten, ob man der einen oder anderen Mannschaft damit ein Gefallen tut, bleibt zweifelhaft, passt doch der biblische Vergleich überhaupt nicht. Innerhalb der AP Top 10 Liste des College Footballs findet man grundsätzlich keinen "David" und die professionelle Anwendung der relativ neuen Transfer-Bestimmungen üben mittlerweile viele Coaches aus, so dass auch mit relativ wenig Aufwand der eigene Kader signifikant in kürzester Zeit verstärkt werden kann, um damit das gesamte Team im besten Fall auf einen Top 4 Platz zu katapultieren. Und selbst dann, wenn dieser Plan gelingt, dann ist das noch kein Garant für den Gewinn der Meisterschaft. Georgia hätte am letzten Wochenende auch gegen Ohio State scheitern können, die Abstände waren extrem gering und die Nerven mögen auf beiden Seiten blank gelegen haben. Noch zu Beginn des vierten Viertels lagen die Bulldogs mit 24:38 zurück im Peach Bowl, überwanden aber ihre Schwächeperiode und scorten dreimal, um das Halbfinale doch noch zu gewinnen. Quarterback Stetson Bennett IV stieg somit zum strahlenden Sieger auf, obwohl während der ersten drei Viertel Bennett eine eher traurige Rolle spielte. In den 13 Spielen zuvor war es den Bulldogen stets gelungen, den Gegner auf Abstand zu halten und klar mit einem nennenswerten Abstand zu gewinnen.

Aus einer anderen Perspektive agierte TCU im Fiesta Bowl gegen Michigan. Dass die Frogs mit 51:45 gegen die Wolverines gewinnen würden, galt vor dem Anpfiff als keinesfalls sicher. Noch nie hatte ein Big 12 Team ein CFP Playoff Spiel gewonnen und die evangelisch geprägte Universität aus Fort Worth/Texas galt bei den Buchmachern als Underdog mit acht Punkten Rückstand. Noch letztes Jahr gewannen sie nur fünf Spiele, verloren aber sieben und feuerten Head Coach Gary Patterson. Sonny Dykes, Head Coach bis dato bei SMU, also beim methodistischen Nachbarn und Glaubensbruder aus Dallas, übernahm das Training und startete mit drei unbeachteten Siegen. Erst der 55:24 Erfolg gegen Oklahoma am 19. Oktober ließ die Fachwelt aufhorchen und TCU wurde in der AP Liste auf den 17. Platz gesetzt. Es folgten vier Siege gegen gerankte Teams und ein 17:10 Erfolg gegen die Texas Longhorns. Die horned Frogs zeigten während dieser wichtigen Spiele eine bemerkenswerte Resilenz und präsentierten sich als eine Comeback-Mannschaft, die auch von den Entwicklungssprüngen seines Quarterbacks Max Duggan profitierte. Duggan begann die Saison 2022 als Backup und übernahm das Ruder, als sich Chandler Morris verletzte. Schließlich erreichte er sogar das Finale der Heisman Trophy und gilt als ein Pfeiler, auf denen sich TCU verlassen kann. Diese Entwicklung wäre aber nicht möglich gewesen, wenn sie nicht ihre Spiele an der Line of Scrimmage kämpfend gewonnen hätten und ihre Defense das gefährliche Michigan Laufspiel nicht effektiv gestoppt hätte. Also müssen Sonny Dykes und seine Coaches in der Pre-Season an den richtigen Stellschrauben rechtzeitig zum 150. Jubiläumsjahr der Texas Christian University gedreht haben, um aus einer Durchschnittsmannschaft einen Finalteilnehmer mit Ambitionen zu schnitzen, der nach 84 Jahren Wartezeit, seine zweite Landesmeisterschaft erobern möchte. Dykes zog an einigen Registern, besorgte sich Linebacker Johnny Hodges via Transfer Liste, der zuvor bei Navy Lacrosse und "etwas" Football zum Zeitvertreib gespielt hatte. Hodges mutierte zum Albtraum von Wolverines QB J.J. McCarthy und strafte damit Head Coach John Harbaughs Aussage vor dem Spiel, dass TCU nicht so robust aufgestellt sei, wie sein Team. "Ich habe es gehört und es hat mich frustiert, unserem Team allerdings mehr geholfen. Wir haben bewiesen, dass wir ausreichend Tiefe besitzen. Als Kendre Miller verletzt ausschied, lief sein Backup 150 Yards. Michigan konnte bis heute keinen Ersatz für RB Blake Corum finden. Auch haben wir den Kampf "In the Trenches" zumindest nicht verloren und unsere Defense hat zwei McCarthy Pässe abgefangen, beziehungsweise einen weiteren Fumble forciert. Niemand kann jetzt sagen, wir wären nicht robust aufgestellt, meinte er gegenüber football-aktuell.de und ergänzte schmunzelnd: "Die ganze Sache mit dem Erfolg hat einen Nachteil, ich wurde vor ein paar Tagen im Starbucks in Fort Worth erstmals erkannt. Das ist mir vor der Saison 2022 noch nie passiert."

Von Georgia wiederum hatte es die Fachwelt erwartet, erneut das Finale zu erreichen. Auch wenn sie vor ihrem Titel im letzten Jahr zuvor seit 1980 auf ihre zweite Meisterschaft warten mussten. Die Grundlage des Erfolges legte 2021 die Defense, doch während der Saison 2022 änderten sich die Zeiten und die Dawgs sahen so aus, als wenn sie mit ihrem Essen spielen würden. Am Zenit ihrer eigenen Leistungsfähigkeit angelangt, zeigte sie sich immer noch hochklassig, aber keineswegs dominant und schnell agierend, sondern eher als arrogant und gelangweilt über die Durchschnittlichkeit ihrer Gegner. Oregon und Auburn wurden in seine Einzelteile zerlegt, Tennessees Playoff-Träume wurden zerstört und LSU im SEC Championship Game beigebracht, dass man in Baton Rouge sich noch einmal in die Schlange anstellen muss, um letztlich die nächste Backpfeife zu kassieren. "Caesars Sportsbook" sieht Georgia auf jeden Fall mit 13 Punkten Vorsprung in Inglewood, Kalifornien als den Favoriten. Doch Buchmacher haben sich in dieser Saison schon oft getäuscht.

Schlüter - 03.01.2023

TCU Head Coach Sonny Dykes arbeitete u. a. früher bei SMU und Cal. (© Getty Images)