Kaepernick spielt vor

Seit seinem Abgang bei den 49ers fand Colin Kaepernick kein neues TeamMichigan Head Coach Jim Harbaugh hat seinem ehemaligen NFL-Quarterback die Chance gegeben, die ihm die Profiliga seit mehreren Jahren – ziemlich sicher ausschließlich wegen seiner Proteste gegen rassistische Gewalt – verwehrt.

Beim traditionellen internen Frühjahrsspiel "Maize vs. Blue" Michigans führte Harbaugh in der Halbzeitpause durch ein zuvor angekündigtes Workout mit dem 34jährigen Kaepernick, der zu Wide Receivern passen durfte, die sich Hoffnungen auf eine NFL-Karriere machen.

Zuletzt startete Kaepernick bereits 2016, damals im sechsten Jahr bei den San Francisco 49ers, für 11 seiner 12 Spiele und kam dabei auf 2.241 Pass Yards, 16 Touchdowns, vier Interceptions plus 468 Rushing Yards und zwei erlaufene Touchdowns. Sein Quarterback Rating von 90.7 damals hätte unter anderem die Werte von Matt Ryan (90.4), Tua Tagovailoa (90.1), Ryan Tannehill (89.6), Lamar Jackson (87.0), Taylor Heinicke (85.9), Daniel Jones (84.8) und Baker Mayfield (83.1) geschlagen.

Dass er aber seitdem keinen NFL-Job mehr hatte, liegt zu einem kleinen Teil auch an ihm, zu einem großen Teil aber an der politischen Landschaft der NFL: Der kleine Teil war die Umwandlung seines Vertrags, bei dem das zweite Jahr – mit 16.9 Millionen durchaus üppig dotiert – in ein Optionsjahr geändert wurde. Allerdings lag die Option bei Kaepernick, der aber stattdessen lieber zum Free Agent werden wollte.

Im Sommer vor der Spielzeit 2016 hatte Kaepernick mehrere Fälle von rassistischer (Polizei-) Gewalt angeprangert und sich im dritten Preseasonspiel erstmals in Spielkleidung nicht für die Hymne erhoben, wie es eigentlich Brauch in den USA ist.

Es war der Start der "Black Lives Matter" Bewegung innerhalb der NFL. Ab der Woche darauf kniete er während der Hmyne, nachdem er mit Ex-Army Green Beret – einer Spezialeinheit – und Seahawks Practice Squad Spieler gesprochen hatte.

Andere Spieler folgten seinem Beispiel und führten letztendlich dazu, dass auch der damalige US-Präsident sich ungefragt einmischen "musste" und das Verhältnis der Spieler zu dem mehr als umstrittenen Trump eskalierte.
Allerdings kamen sehr wenig Reaktionen von den Teambesitzern, die einerseits weder das Verhältnis zu ihren hochbezahlten Angestellten noch das zu dem oftmals von ihnen finanziell unterstütztem Republikaner gefährden wollten.

Eine Reaktion war jedoch definitiv, dass Kaepernick zur "persona non grata" wurde und keinerlei Angebote in der Free Agency erhielt. Die Owner scheuten eindeutig das Risiko, hochkonservative Fans (und gut bezahlende Dauerkartenbesitzer) zu verlieren, die in vielen Standorten Boykotte bei einer Verpflichtung Kaepernicks androhten.

So vergingen die Jahre ohne ein Engagement Kaepernicks, obwohl bei jeder Franchise, die unterdurchschnittliche Quarterbacks hatte (und davon gibt es genug), sein Name ins Spiel gebracht wurde. Rein sportlich betrachtet müsste Kaepernick sicherlich ein NFL-Quarterback oder zumindest Backup sein. Aber die NFL ist eben keine reine Sportliga, sondern von vielen wirtschaftlichen Interessen gelenkt. Und die sprachen – und sprechen – wohl klar gegen eine Verpflichtung Kaepernicks.

Kaepernick verklagte schließlich im Herbst 2017 die NFL, indem er der Liga und ihren Teams sittenwidrige Absprachen, ihn zu meiden, vorwarf. Das Verfahren wurde 2019 außergerichtlich beigelegt, soll Kaepernick jedoch bei weitem nicht das Geld eingebracht haben, das ursprünglich von ihm gefordert worden war.

Ein von der NFL organisiertes Workout in Atlanta im November 2019 verlegte er 30 Minuten vor Beginn; Bonuspunkte brachte ihm dieses Manöver kaum.

Dass er noch spielen könnte und auch will, erklärte er jetzt Jeanna Trotman (WXYZ Detroit): "Ich kann helfen, das Spiel Deines Teams besser zu machen. Ich kann Euch helfen, Spiele zu gewinnen" äußerte er in Richtung der 32 Teams. Dass er momentan wohl kein Starter wäre, sondern erst einmal lediglich ein Backup, würde er mittlerweile akzeptieren.

Und mehr negative Publicity als Deshaun Watson jetzt für die Cleveland Browns eingefahren hat, kann man wohl eh kaum bekommen. So gesehen wäre es bestimmt Zeit für eine Verpflichtung Kaepernicks – alleine schon um zu sehen, ob er sportlich nach der langen Pause wirklich noch in der Lage wäre, mitzuhalten. Vielleicht war das Workout in der Halbzeit der erste Schritt, um das zu beweisen. Perfekt waren seine Würfe nicht, aber davon konnte auch niemand ernsthaft zuvor ausgehen.



Carsten Keller - 03.04.2022

Seit seinem Abgang bei den 49ers fand Colin Kaepernick kein neues Team

Seit seinem Abgang bei den 49ers fand Colin Kaepernick kein neues Team (© Getty Images)

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