Utah State und UAB setzen die Highlights
Der Start in die diesjährige Bowl-Saison war durchwachsen. Erwartungsgemäß, könnte man hinzufügen, denn angesichts von 42 Bowl-Spielen vor dem National Championship Game und 22 Bowl-Teilnehmern ohne positive Regular-Season-Bilanz sind vor allem viele der Partien in der ersten Bowl-Woche, in der in erster Linie Teams aus den Group of Five Conferences spielen, von eher geringem sportlichen Reiz. Aber es gab auch dieses Mal wieder Spiele auf gutem Niveau. Im Independence Bowl in Shreveport (Louisiana) kam Alabama-Birmingham zu einem überraschenden 31:28-Erfolg gegen den Zwölften der AP Top 25, BYU, und im neu geschaffenen LA Bowl in Inglewood (Nachbargemeinde von Los Angeles) ließ Utah State seinem überraschenden Gewinn der Mountain West Conference einen 24:13-Sieg gegen Oregon State aus der Pac-12 Conference folgen.
Dass ausgerechnet diese beiden Partien für die Highlights des ersten Bowl-Wochenendes sorgten, war durchaus passend, weil die beiden letztlich siegreichen Außenseiter bemerkenswerte Erfolgsgeschichten zu bieten haben und hoch motiviert in die Spiele gingen. Für Alabama-Birmingham (abgekürzt UAB) war der Erfolg gegen ein Top-25-Team ein weiterer Höhepunkt in der bemerkenswerten Entwicklung des Teams in den letzten Jahren. Nach der Saison 2014 hatte die Universität das notorisch erfolglose Football-Team, zusammen mit anderen defizitären Sportarten, aus finanziellen Gründen aufgelöst. Nach massivem öffentlichen Druck wurde die Entscheidung im Juni 2015 zurückgenommen. Mit Hilfe einer groß angelegten Spendenaktion kam genug Geld zusammen, um das Football-Team neu aufzubauen, mit der Perspektive, aus dem sportlichen Schattendasein herauszutreten. Ab 2017 trat UAB dann wieder an und ist seither erfolgreicher als je zuvor in seiner noch jungen Geschichte (erste Saison: 1991). Seit der Rückkehr qualifizierten sich die Blazers jedes Jahr für ein Bowl-Spiel und gewannen zweimal (2018 und 2020) die Championship der Conference USA.
Der Aufstieg von Utah State zum Conference Champion und Bowl-Sieger ist eine der großen Erfolgsgeschichten dieser Saison. Nach einer völlig verkorksten Saison 2020 mit nur einem Sieg, der Entlassung des Head Coaches während der Saison und einer Spielerrevolte vor dem letzten Spiel waren die Aggies als eines der potenziell schlechtesten Teams der Mountain West Conference in die Saison 2021 gegangen. Die lief dann ganz anders als erwartet. Dank Spielern wie QB Logan Bonner, RB Calvin Tyler und WR Deven Thompkins verbesserte sich eine der schlechtesten Offenses der Saison 2020 bis unter die 25 statistisch besten, und auch die im letzten Jahr nicht minder lausige Abwehr verbesserte sich deutlich. Ein gelungener Saisonstart mit überraschenden Siegen bei Washington State und Air Force sowie einem souveränen Erfolg gegen North Dakota State, eines der Top-Teams der FCS in den letzten Jahren, zeigte früh den Fortschritt, den das Team unter dem neuen Head Coach Blake Anderson gemacht hatte. Selbst die Heimniederlagen gegen Boise State und BYU in den Spielen vier und fünf brachten die Mannschaft nicht aus dem Tritt. Letztlich qualifizierte man sich mit einer 9-3-Bilanz für das Championship Game der Mountain West Conference, und in dem demontierte man das favorisierte San Diego State mit 46:13. Im Bowl-Spiel gegen Oregon State, das seinerseits zu den positiven Überraschungen dieser Saison gehört, war man dann über weite Strecken die deutlich bessere Mannschaft, und ohne einen Fumble kurz vor der gegnerischen Goal Line zweieinhalb Minuten vor Spielende hätte sich das auch im Endergebnis deutlicher gezeigt.
Die übrigen sechs Bowls vom Freitag und Samstag waren mit einer Ausnahme durchaus unterhaltend, aber auch nicht unbedingt "must-see TV", vor allem, wenn der Unterhaltungsfaktor auf fragwürdige Art zustande kam. Zwei Beispiele: Beim überraschenden 59:38-Sieg von Western Kentucky gegen Appalachian State im Boca Raton Bowl stellte Western Kentuckys QB Bailey Zappe neue NCAA-Rekorde für Pass-Yards und Touchdown-Pässe in einer Saison auf, aber angesichts der indiskutablen Leistung von Appalachian States Abwehr hatte seine tolle Statistik (422 Yards, sechs Touchdowns) einen faden Beigeschmack. Und beim 47:41-Sieg von Coastal Carolina gegen MAC Champion Northern Illinlois im Cure Bowl in Orlando (Florida) leistete sich Northern Illinois’ Head Coach Thomas Hammock einen Fehler, der letztlich den Ausgang des Spiels entschied. Sieben Minuten vor Spielende ließ er bei einer knappen 41:39-Führung an der eigenen 34-Yard-Linie einen vierten Versuch ausspielen und scheiterte. Im nächsten Spielzug erzielte Coastal Carolina mit einem 34-Yard-Pass den Touchdown zur Führung. Natürlich vermag niemand zu sagen, wie das Spiel ausgegangen wäre, hätte Hammock in dieser Situation einen Punt spielen lassen, wie es vermutlich 99 von 100 Coaches in dieser Situation getan hätten. Außerdem stand sein Team am Ende kurz vor Coastal Carolinas Endzone und hätte doch noch gewinnen können, ehe ihm nach einem 4-Yard-Pass an die 4-Yard-Linie die Zeit auslief. Dennoch war Hammocks Entscheidung schlicht falsch, und sie wird auch nicht weniger falsch, wenn man berücksichtigt, dass Hammock häufig vierte Versuche ausspielen lässt und damit einem auffälligen Trend dieser Saison folgt, vierte Versuche gegen alle statistischen Trends unabhängig von Feldposition und Spielsituation ausspielen zu lassen.
Hoch - 19.12.2021
Bailey Zappe (Western Kentucky Hilltoppers) mit dem Offensive MVP Award des Boca Raton Bowls (© Getty Images)
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