"Toxisches Klima" mit 10 Millionen abgestraft

Üblicherweise vermeldet die NFL Strafen und Suspendierungen, die nicht unbedingt förderlich für das Ansehen der Liga sein könnten, am späten Freitagnachmittag amerikanischer Zeit. Dann befindet sich ein Großteil der US-Journalisten bereits im Wochenende und das Rauschen im (virtuellen) Blätterwald fällt geräuscharmer aus als unter der Woche. Diesmal wählte man jedoch einen anderen Weg und publizierte die Strafen gegen das Washington Football Team, die Jacksonville Jaguars, Dallas Cowboys und San Francisco 49ers bereits am Donnerstag. Ob man sich einen großen Gefallen damit getan hat, lässt sich bezweifeln.

Die Cowboys, 49ers und Jaguars hatten gegen die Vereinbarungen und Regelungen zur Durchführung der Organized Team Activities (OTA) verstoßen (siehe gesonderter Artikel), bei Washington wurde die Untersuchung zum "toxischen Arbeitsplatzklima" beendet und sanktioniert.

Auf den ersten Blick war es natürlich vor allem die Strafe gegen Washington und dessen Owner Dan Snyder, die für Aufsehen sorgte. Auf den zweiten Blick kann man diese nach Abwägung aller Reaktionen auch als Schuss, der nach hinten losging, werten.

Zur Erinnerung: Ein Artikel der Washington Post, über den im Vorfeld viel spekuliert worden war, beschrieb im Juli 2020 – also vor genau einem Jahr - detailliert Verfehlungen hochrangiger Angestellter der Franchise gegenüber weiblichen Mitarbeiterinnen. Gleich mehrere durften daraufhin ihren sprichwörtlichen Hut nehmen.

Insgesamt 15 Frauen prangerten Verstöße sexueller Art, anzügliche Bemerkungen und herabwürdigendes Verhalten in dem Artikel von Washington Post Mitarbeiter Will Hobson an; 14 wurden als anonyme Quellen geführt, da sie zum Teil in den letzten Jahren im Rahmen einer "Stillhalteerklärung", die sie mit dem Team geschlossen hatten, rechtlich gebunden waren.

Tatsächlich erinnerte die Geschichte dann auch sofort an die Cheerleader-Vorwürfe zwei Jahre zuvor. Offensichtlich hatte sich nicht viel getan, seit man damals Aufklärung versprach. Wer grundsätzlich nicht direkt beschuldigt war, war Teameigentümer Dan Snyder, der seine Hände sprichwörtlich in Unschuld wusch. Allerdings ist er verantwortlich für das Klima in seiner Organisation und das sah jetzt die Untersuchung der NFL ebenfalls.

Die NFL brummte der Franchise eine Geldstrafe von 10 Millionen Dollar auf, was zunächst nach einer unglaublichen Summe klingt. Wenn man aber allein die Fernseheinnahmen nimmt, die pro Franchise von der Liga ausgezahlt werden, so sind das ungefähr 3 Prozent dieser aktuellen jährlichen Zahlung. Draft Picks, die die Franchise womöglich härter getroffen hätten, wurden nicht abgezogen. Dan Snyder muss sich auf Druck der Liga für eine Zeit aus dem Tagesgeschäft zurückziehen und wird hier durch seine Frau Tanya Snyder ersetzt.

Das Statement der Liga enthielt: "Der Commissioner kam zu dem Schluss, dass viele Jahre das Arbeitsklima beim Washington Football Team, sowohl allgemein als auch besonders für Frauen, höchst unprofessionell war. Mobbing und Einschüchterungen fanden häufig statt, und viele beschrieben eine Kultur der Angst [...]. Eigentümer und Senior Management haben diesen Themen wenig oder gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Zum Teil waren sie selbst an unpassendem Verhalten und öffentlicher Bloßstellung beteiligt."

Was sauer aufstößt: Während man die Aufklärung von "DeflateGate", wo es um Bälle mit minimal zu wenig Druck ging, mit Anwaltskosten von über 20 Millionen Dollar und Unmengen Papier bedachte, gibt es zur Untersuchung jetzt, die von Lisa Friel - Beraterin der NFL für derartige Untersuchungen - geleitet wurde, keinen schriftlichen Bericht. Die Anwälte von ungefähr 40 ehemaligen Angestellten verhehlten ihre Bestürzung darüber nicht.


Carsten Keller - 02.07.2021

Dan Snyder kommt nicht aus den Negativschlagzeilen, wird jetzt aber erst einmal von seiner Frau vertreten (© Carsten Keller)