Merdanovic: Primäres Ziel ist Wachstum

Fuad MerdanovicFuad Merdanovic ist seit 2019 Präsident des American Football und Cheerleading Verband Berlin-Brandenburg (AFCVBB). Der 55-jährige Diplom-Kaufmann ist geschäftsführender Gesellschafter einer Marketingagentur in Berlin, verheiratet und hat drei Kinder.

Die Leidenschaft zu Football entdeckte er Anfang der 90er-Jahre als Spieler bei den Berlin Stars, wo er auch im Vorstand tätig war. 1994 lernte er die NFL kennen als Mitglied im Organisationsteam des American Bowl in Berlin. Später war er u.a. als Marketingleiter des NFL-Europe-Teams Frankfurt Galaxy tätig. Anfang 2000 wechselte er als Berater auf die Agenturseite und gewann im Jahr 2006 mit der Kampagne "Holt euch die Hertha" für Arcor den "Neptun Cross Media Award". Nach 25 Jahren im Sportbusiness engagiert er sich nun wieder verstärkt (in ehrenamtlicher Funktion) im Football.

Fuad, Du bist als Präsident nach zwei Jahren im Amt bestätigt worden. In der Amtszeit hattet ihr nur eine Saison, seitdem ruht der Spielbetrieb sowie das Cheerleading. Und es wird auch in diesem Jahr keine reguläre Saison geben. Was macht man in so einer Zeit als Verband?

Fuad Merdanovic: Als wir unsere Arbeit 2019 aufnahmen, hatte der Verband leider kein so gutes Image bei den Vereinen. Unsere Vorgänger haben uns zwar solide Strukturen übergeben, doch unsere erste Aufgabe war es, bei den Vereinen das Vertrauen wieder zu gewinnen. Parallel haben wir so wichtige Themen wie Ausbildung, Kinderschutz, Frauen- und Jugend-Football, Aufbau der Geschäftsstelle aufgearbeitet. Die Ausrichtung des Ladies Bowls in 2019 war ein erstes Signal an die Senatsverwaltung und den LSB, dass wir etwas bewegen wollen. Dazu haben wir Anfang 2020 mit Christian Sörensen einen hauptamtlichen Trainer angestellt, der das Flag-Football-Schulprogramm "Football macht Schule" an 50 Schulen umsetzt. Denn unser primäres Ziel als Verband ist es zu wachsen. Und das geht nur, wenn wir den Vereinen Mitglieder zuführen.

Und dann kam Corona...?

Fuad Merdanovic: Das erste halbe Jahr waren alle in einer Art Schockstarre. Die Hoffnung, irgendwie doch noch zu spielen, schwand von Monat zu Monat, bis jeder realisiert hat, dass es ein Jahr ohne Football und Cheerleading sein wird. Die Zeit haben wir genutzt und den sportlichen Bereich aufgebaut. Mein Vorstandskollege Cem Herder hat die Ausarbeitung eines Rahmentrainingskonzepts bei Max von Wachsmann in Auftrag gegeben. Mit Volker Hertzberg und Falk Kunert konnten wir zwei weitere Trainer für den Verband verpflichten, die nun das Konzept mit Leben füllen. Hierzu wurde ein Kompetenzteam mit acht Trainern gegründet. Das Konzept soll allen Vereinen dazu dienen, einen Mindeststandard im sportlichen Bereich anzustreben, was am Ende auch den Auswahlmannschaften zu Gute kommt.

Volker und Falk sind in der Berliner Football Szene keine Unbekannten. Wie sind die Aufgaben verteilt?

Fuad Merdanovic: Mit der Bekanntgabe der Verpflichtung hatten wir sehr viel Zuspruch erhalten aus der Footballfamilie, was uns in unserer Entscheidung bestätigt hat. Volker ist der sportliche Leiter. Unter ihm bündeln sich alle Maßnahmen, das Junioren-Auswahlprogramm BIG EAST, Football macht Schule, das Kompetenzteam für das Rahmentrainingskonzept sowie aktuell die Camps mit dem Schwerpunkt der Ansprache für Jugendliche mit Migrationsgeschichte, die im Sommer starten sollen. Falk konzentriert sich auf das Auswahlprogramm BIG EAST. Die Spieler sollen ganzjährig betreut werden mit der Zielsetzung, jeden einzelnen Spieler ab 14 Jahren über die Zeit besser zu machen. Athletisch, physisch, sportlich, aber auch mit einem Blick auf die schulischen Leistungen und das soziale Umfeld. Hierzu sind wir auch gerade dabei, ein Konzept zu erarbeiten, um American Football in Berlin als Landesstützpunkt anerkennen zu lassen. Parallel dazu soll das auch für Cheerleading aufgebaut werden. Hier konnten wir mit Stephan Rönsch von der Cheer Sensation Cottbus das Amt des Cheerleading-Beauftragten vor ein paar Monaten besetzen.

Im letzten Jahr hat sich mit Restart21 eine Bewegung gegründet, die Veränderungen im AFVD bewirken möchte. Wie steht ihr dazu?

Fuad Merdanovic: Wir haben mit den wichtigen Akteuren von Restart gesprochen. Wir sehen einige gute Punkte, einige andere Punkte sehen wir aber auch kritisch beziehungsweise eher unrealistisch. Was meiner Meinung nach nicht akzeptabel ist - und das habe ich Alexander Sperber auch so gesagt - sind die persönlichen Angriffe gegen die Person Robert Huber. Bitte nicht falsch verstehen. Robert Huber hat sicherlich seinen Teil dazu beigetragen, aber ihm allein an allem die Schuld zu geben, ist so nicht richtig. Kritik an den AFVD-Strukturen ist mehr als berechtigt, auch Kritik an vermeintlich versäumten Entwicklungen der letzten Jahre. Jedoch sind wir Landesverbände der AFVD. Das Präsidium arbeitet "nur" so gut, wie wir Landesverbände das auch einfordern beziehungsweise uns daran beteiligen. Ich sehe, dass mit uns und dem einen oder anderen neuen Landesverbandsvorstand auch "neue" Gesichter bei den Sitzungen vertreten sind, die einige Themen auch anders beurteilen. Aber, und davon bin ich überzeugt, kann eine Veränderung nur aus den Landesverbänden kommen, und nicht von außen.

Die Gründung der ELoF begründet sich ja aus diesen vermeintlich nicht erfolgten Entwicklungen im deutschen Football in den letzten Jahren. Wie beurteilt ihr die Liga beziehungsweise die versäumten Entwicklungen?

Fuad Merdanovic: Als ehemaliger Mitarbeiter von zwei NFL-Europe-League-Teams weiß ich, welcher Aufwand damals betrieben wurde und welche Budgets dahinterstanden. Und trotzdem gab es z.B. auch Kritik an der sportlichen Qualität der Liga, das wäre ja nicht annähernd das Niveau der NFL. Und bis auf Düsseldorf und Frankfurt haben die anderen Standorte es nicht geschafft, die Massen in die Stadien zu ziehen, trotz Top-Arenen, Power-Parties, Show-Acts etc.

Der Football ist in Europa weiterhin eine Randsportart und was Regelwerk, Spieldauer und die Masse an Menschen betrifft, die am Spielfeldrand stehen, immer noch ein Exot. Spätestens, wenn man mit dem Gesundheitsamt diskutiert, warum wir unsere Zuschauer bis an den Spielfeldrand lassen wollen, oder das Sportamt der Meinung ist, dass auf keinen Fall bunte Farbe auf einen Fußballrasen gesprüht werden darf. Da einfach zu fordern, das hätte schon alles viel professioneller sein müssen, ist leicht gesagt. Und ich frage mich, warum gerade der Football hier eine Sonderstellung beansprucht. Wer im Sport tätig ist, weiß, dass es sehr viele Athleten gibt, die jeden Tag auf olympischem Niveau ihren Sport ausüben, damit nicht reich werden und auch nicht im TV zu sehen sind. Bis auf alle vier Jahre bei Olympia, wenn sie es dahin geschafft haben. Man kann die NFL nicht gleichsetzen mit dem Europäischen Football, das sind zwei verschiedene Sportarten.

Zur ELoF kann ich nur sagen, dass jeder, der in Football investiert, herzlich willkommen ist. Ob die Liga für den Football gut wird, das muss sich noch zeigen. Aktuell hat sie erst einmal einigen Schaden angerichtet und für viel Verunsicherung gesorgt. Sich bei den Vereinen zu bedienen, ohne auf Dauer bereit zu sein, etwas zurück zu geben, sollte nicht als Geschäftsmodell belohnt werden. Ob der Businessplan der Liga aufgeht, wird sich zeigen. Auch die NFL war am Ende nicht mehr gewillt, draufzulegen. Ob das Produkt für die NFL-Zuschauer TV-tauglich ist und ein Quotenhit wird, da habe ich meine Zweifel. Und ob jetzt zehntausende in die großen Arenen pilgern werden, da lasse ich mich gerne überraschen. Ob die Logos schön bunt sind und der Social-Media-Auftritt gefällt? Bestimmt.

Wir müssen die Entwicklung des deutschen Footballs weiter forcieren und in der Präsentation moderner werden. Was in der Corona-Krise zum Vorschein kam und zum Bruch führte, war die Inhomogenität der GFL-Vereine und damit die Schwächung der Marke GFL. Daran wird gearbeitet.


Was habt ihr Euch für die nächste Amtszeit vorgenommen?

Fuad Merdanovic: Leider ist Verbandsarbeit eben nicht so aufregend, wie man denkt. Wir wollen wachsen, Trainer ausbilden, Randgruppen der Gesellschaft integrieren, die jungen Athleten intensiver fördern und den tollen Sport in der Region noch populärer machen und vermarkten. National wollen wir die Kommunikation der Landesverbände untereinander ausbauen und dazu beitragen, dass sich Football Deutschland in die richtige Richtung entwickelt.


Frank Schulze - 13.05.2021

Fuad Merdanovic

Fuad Merdanovic (© AFCVBB)

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