Rückschau auf die Draft Class of 2021 der Indianapolis Colts

Carson WentzDer Draft 2021 ist Geschichte, aber seine Auswirkungen werden uns noch eine Weile beschäftigen. In diesen Tagen müssen sich die Franchises entscheiden, ob sie die Fith-Year Option für die First-Round Picks 2018 ziehen oder nicht. Heute ist noch nicht abzusehen, welcher der 32 Spieler, denen am Donnerstag die große Bühne gewährt wurde, ihr fünftes Jahr an dem Ort verbringen dürfen, an dem er inzwischen angekommen ist.

Die Bewertung der Draft kurz nach seiner Beendigung ist schwieriges Unterfangen, denn wir kennen die Gründe, die zur Auswahl eines spezifischen Spielers führten, nicht. Das beliebte Spiel in der Argumentation nach Need auszuwählen, funktionert nicht immer. Zumal wir nur bedingt bis gar nicht in den Evaluierungsprozess involviert sind. Klar wir kennen die Werte der Scouting Combine, aber Grundlage für das Auswählen oder Wegstreichen verschiedener Spieler sind völlig unbekannt – z.B. das Interview.
Ein weiterer Aspekt, den unbekannt, ist die teaminterne Einschätzung des Kaders seiner weiteren Entwicklungsmöglichkeiten. Vor allem die unter Vertrag stehenden Spieler und ihr Potenzial werden nicht überall gleich gesehen. Und drittens spielt es natürlich auch eine Rolle, welche jeweilige Draftstrategie die Franchise gewählt hat.

Über die letzten Jahre hat sich der General Manager der Indianapolis Colts Chris Ballard den Ruf erarbeitet, sehr gut zu draften. Innerhalb von fünf Jahren hat er den Kader durch gute Auswahl zielführend verstärkt. Spieler wie Darius Leonard und Quenton Nelson sind der Kern der Colts, der mittlerweise die Chance hat, die Division zu gewinnen. Während die beiden Spieler sehr früh gepickt wurden, entdeckte Ballard auch in späteren Runden Spieler, die in Indianapolis funktionierten, wie RB Marlon Mack oder LB Anthony Walker.
Gregg Rosenthal wählte ihn in seinem Ranking auf den ersten Platz und somit zum best-drafting General Manager.

Dementsprechend war die Erwartungshaltung hoch, als NFL Commisioner Roger Godell den 21. Pick der ersten Runde verlas. Im Vorfeld war nicht klar, was genau die Colts als erstes draften würden. Als größeren Baustellen galten die Defensive Linie und die Left Tackle Position. Letzteres, so die Einschätzung, gab es einige gute Talente. Dem neu verpflichteten Quarterback Carson Wentz die bestmöglichen Umstände zu geben, wäre eine denkbare Option zu geben. Es sollte anders kommen.

Sicher der erste Pick für DE Kwitty Paye war entsprechend der Notwendigkeit und des Talents ein guter Pick. In vier Jahren bei Michigan verbuchte der 22-jährige 11.5 Sacks und 23.5 Tackle for Loss, was ihn zu einer guten Ergänzung zu DeForest Buckner machen könnte. Defensive Coordinator Matt Eberflus, dessen Abwehrschema konstanten Druck aus dem 4-Man Rush vorsieht, bekam einen spannenden Spieler.
Indy schien im Soll. Es erhärtete sich der Eindruck, dass Ballard präzise wie ein Schweizer Uhrwerk die Baustellen der Mannschaft kennt und sukzessiv adressiert und somit die Qualität des Kaders kontinuierlich verbessert.
Die Geschichten des ersten Tages wurden an anderen Orten geschrieben. Wie dieser Artikel weitergegangen wäre, wenn Ballard genau das im weiteren Verlauf getan hätte, was erwartet worden wäre? Vermutlich ein langatmiges Loblied, das dem General Manager in den Himmel gelobt hätte. Fakt ist, es hätte sich in der Nachbetrachtung vieles anders dargestellt, wenn in Runde 2 ein Offensive Tackle gezogen worden wäre.
Ballard hatte eine andere Strategie und pickte mit Dayo Odeyingbo erneut einen Defensive End. 31 Tackles for Loss und 12 Sacks konnte der 21-jährige in seiner College Zeit verbuchen. Wann er der Mannschaft zur Verfügung stehen wird, ist unklar, da er sich einen Achillessehnenriss zuzog.
Allerdings ist es nicht so sehr die Problematik, wer gepickt wurde, sondern eher wer es hätte sein können oder sollen. Anfang des Jahres hat der langjährige Left Tackle der Colts Anthony Costanzo seine Karriere beendet und ein großes Loch hinterlassen. Dass Indy diese Lücke im Draft füllen würde, schien für fast alle vorher klar. Mit Jaylen Mayfield oder Brady Christensen waren zwei entsprechende Spieler in Reichweite, aber Indy entschied sich gegen sie und für einen anderen Spieler.
Ein gewisses Erstaunen setzte ein und das Schweizer Uhrwerk bekam einen Riss. Ballards Strategie schien sich nicht an den Baustellen der Mannschaft zu orientieren, sondern eher nach der Best Player Avaible Variante zu gehen. So könnten dann auch der Rest der Draft Klasse eingeordnet werden.
Im weiteren Verlauf der Draft hatten die Colts fünf Picks, da das Auswahlrecht der dritten Runde war für Carson Wentz nach Philadelphia gegangen.
In der vierten Runde wurde Tight End Kylen Granson ausgewählt. In seinen letzten zwei Jahren am College konnte der 23-jährige 14 Toudowns fangen, was ein neuer Schulrekord ist. Er gibt der Offensive eine zusätzliche Option in der Red Zone und könnte als zweiter Tight End hinter Jack Doyle spielen.
Mit Shawn Davis kam ein Safety nach Indianapolis, der bereits über Erfahrung im Special Team verfügt und hinter den Startern Julian Blackmon und Khari Willis als Backup geplant ist.
Der Pick der sechsten Runde QB Sam Ehlinger blickt auf eine erfolgreiche Collegekarriere mit über 11000 Yards Passing und 33 Rushing Touchdowns zurück. Sein Draft Profil bei NFL Network weist ihn als zukünftigen Backup aus. Zusammen mit Jacob Eason, der 2020 in der vierten Runde gedraftet wurde, wird er um diesen Posten kämpfen müssen.
Mit Michael Strachan wurde in der siebten Runde ein 1,96m großer physischer Receiver geholt, der in zwei Jahren jeweils über 1000 Yards gefangen hatte. Und mit ihrem letzten Pick kam mit Will Fries dann doch ein Offensive Tackle nach Indianapolis.

Am Ende steht eine Draft Klasse, bei der nicht klar ist, was von ihr gehalten werden soll. Der Pick in der zweiten Runde und die Auswahl Sam Ehlingers scheinen schwer nachvollziehbar. Warum wurde fast komplett darauf verzichtet, einen Offensvie Tackle zu draften? Hat Ballard seine Magie verloren? Waren die eigenen Erwartungen nach den starken Jahrgängen von 2018 und 2020 zu hoch?

2020 waren vier der von Ballard ausgewählten bzw unter Vertrag genommenen Spieler ins All-Rookie Team gewählt worden. 2018 wurden Nelson und Leonard nicht nur in den Pro Bowl gewählt sondern auch zu All-Pros ernannt. Diese Ergebnisse jedes Jahr zu erwarten, ist vermessen und einfach nicht möglich.
Bereits vor der Draft wurde mit Sam Tevi und Julién Davenport zwei Tackles verpflichtet, die beide mit 26 Jahren noch jung sind und bereits über 50 Spiele in der NFL absolviert haben. Vielleicht war Ballard sicher keinen Offensive Tackle mehr zu benötigen.

Die Draft Class of 2021 hat spannende junge Spieler in seinen Reihe, aber die Diskussion wird wohl eher darüber geführt, die nicht ausgewählt wurden. Dieses Narrativ wird Indy durch die nächsten Monate begleiten, mit Pech sogar die nächsten Jahre, wenn es sich erweisen sollte, dass die Auswahl nicht gepasst hat.
In zehn Monaten ist der Draft 2022, dann wissen wir mehr über die "Class of 2021".

Stefan Demps - 06.05.2021

Carson Wentz

Carson Wentz (© Getty Images)

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