Ausgefallene Ereignisse locken Wetter an

Sport vereint über Landesgrenzen hinweg. Dank Live-Streaming und reinen Sportkanälen ist es mittlerweile kein Problem mehr, nach der Bundesliga etwa in der National Football League, der Cricket-Testserie Ashes oder bei den Rugby Six Nations vorbeizugucken.

Wohl kein anderes sportliches Ereignis auf einem anderen Kontinent zieht in Deutschland ein größeres Publikum an als die Super Bowl, das legendäre Finalspiel im amerikanischen Football. Mehr noch als der heißgeliebte Sport steht für viele Zuschauer die Show zur Halbzeit im Mittelpunkt, für die Jahr um Jahr Superstars aus der Musikszene engagiert werden. In diesem Februar trat der kanadische Sänger The Weeknd im Stadium in Tampa, Florida auf.

Allein in Deutschland saßen rund 2,11 Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm, als die Tampa Bay Buccaneers und die Kansas City Chiefs miteinander um den Titel in der National Football League kämpften. Das war ein neuer deutscher Rekord. Die Super Bowl 2020 hatte rund 1,9 Millionen Zuschauer vor den deutschen Bildschirmen gelockt.

Wie bei vielen sportlichen Großereignissen gehörten auch Wetten auf den Ausgang für viele Fans dazu. Das Ergebnis war allerdings keine Überraschung. Liga-Superstar Tom Brady holte mit den Tampa Bay Buccaneers mit einem überlegenen 31:9 den siebten Titel.

Egal, wer gewinnt, in Deutschland liegen Sportwetten seit Jahren im Aufwind. Allein im Jahr 2018 betrug der Umsatz bei realen Annahmestellen und Wettbüros und online rund 8,8 Milliarden Euro. Das war fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2014. Mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag werden die erlaubten Wetten in der Bundesrepublik noch ausgeweitet, und dank einheitlicher Regelungen werden klare Bedingungen geschaffen. Bereits jetzt haben ausgewählte Anbieter Lizenzen erhalten oder werden im Rahmen einer Übergangsregelung geduldet.

Worauf gewettet wird, ist je nach Land sehr unterschiedlich. In Deutschland und in Großbritannien haben vor allem Tipps auf Fußballspiele und Pferderennen Tradition. Beim Grand National, einem der berühmtesten und bis vor kurzem auch gefährlichsten Galopprennen der Welt, bei dem im Laufe der Jahre etliche Pferde so schwer verletzt wurden, dass ihnen nur der Gnadentod blieb, greifen die Briten so tief in die Tasche wie nirgendwo sonst. Allein im Jahr 2015 waren ihnen die Wetten auf den Ausgang des Grand National umgerechnet rund 200 Millionen Pfund wert.

Doch auch andere Ereignisse lassen die Zockerherzen höher schlagen. Dazu gehört der alljährlich ausgetragene Schlagerwettbewerb Eurovision Song Contest, der durch die jüngst auf die Bildschirme gekommene Netflix-Komödie „Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga“ auch außerhalb Europas das Interesse an dem musikalischen Großereignis verstärkt hat.

In diesem Jahr wird der Wettbewerb am 22. Mai in Rotterdam ausgetragen. Für Deutschland geht der 26 Jahre alte Hamburger Jendrik Sigwart an den Start. Der ausgebildete Musical-Darsteller und ESC-Fan, der seine Songs selbst schreibt und außerdem unter anderem Gitarre und Klavier spielt und die Ukulele als sein Lieblingsinstrument beschreibt, hatte zwei unabhängige Jurys überzeugt.

Bei den Buchmachern liegt Jendrik Sigwart bei den Wettquoten auf den ESC allerdings weit unten. Als Favoriten gelten derzeit die Beiträge aus Island, Italien und Frankreich, was sich allerdings bis zum 22. Mai noch deutlich ändern kann.

Im unteren Feld, was die erwarteten Chancen angeht, liegt derzeit auch Australien. Dass der rote Kontinent vom anderen Ende der Welt ausgerechnet bei einem europäischen Wettbewerb zugelassen ist, ist ein skurriler Fakt, der dem ESC eine gewisse komödiantische Würze verleiht. Weil in den ESC-Regeln nur festgelegt ist, dass das Teilnehmerland Mitglied in der European Broadcasting Union sein und nicht zwangsläufig geografisch mit Europa verbunden sein muss, erhielt Australien 2015 seine erste Einladung.

Die Australier gehören seit Jahrzehnten zu den größten Fans des Wettbewerbs. Besonders stolz waren sie 1974, als die Australierin Olivia Newton-John für Großbritannien an den Start ging und einen beachtlichen vierten Platz belegte. Sieger in dem Jahr wurde das schwedische Quartett Abba, das von der Eurovision-Bühne aus die Musikwelt eroberte.

Interessant wird es, falls Australien den Wettbewerb gewinnen sollte. Der nächste ESC wird nämlich prinzipiell im Land der Vorjahressieger ausgetragen. Doch statt den kompletten Wettbewerb nach „Down Under“ zu verschiffen, wird über einen Kompromiss spekuliert, nachdem die Gastgeberehre an England gehen würde. Schließlich gehört Australien zum britischen Commonwealth, dessen gemeinsames symbolisches Oberhaupt die Queen ist.

Wetten rund um sportliche Ereignisse, die sich statt auf das eigentliche Spiel eher auf die Rahmenbedingungen konzentrieren, sind zwar weniger bekannt, machen aber zumindest im Nachhinein stets Schlagzeilen. Unvergessen ist die Wette bei der Weltmeisterschaft 2014, bei der ein junger Norweger umgerechnet rund 3,65 Euro auf einen schmerzlichen Zwischenfall gesetzt hatte. Er ging davon aus, dass der für Bissattacken berüchtigte uruguayische Kicker Luis Suarez erneut seinen niederen Instinkten nachgeben und einen anderen Spieler beißen würde. Der Tipper hatte Recht. Stürmer Suarez schlug seine Zähne beim entscheidenden Gruppenspiel gegen Italien in die Schulter seines Kontrahenten. Der Norweger kassierte genau wie 166 andere Tipper den 175-fachen Einsatz.

Eine Wette, die nicht Wahrheit wurde, bezog sich 2008 auf die Europameisterschaft im Fußball. Eine Quote von 350:1 wurde für eine Kombiwette geboten, nach der Österreich den Titel hätte holen müssen, während DJ Ötzi zeitgleich die österreichischen Charts hätte toppen müssen. Auch durch solche Wetten verbindet Sport über Ländergrenzen hinaus, und wenn es nur durch ein Grinsen über die verrückten Ideen ist.

Frank Schulze - 29.03.2021

(© Unsplash/Roger Harris)

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