Sean Lee denkt noch nicht ans Aufhören

Dallas Cowboys Linebacker Sean Lee, mit 34 Jahren schon fast ein Urgestain bei Americas Team, hat sich wohl schon das ein oder andere Mal Gedanken um seine Zukunft gemacht. Wer die Staffel "All Or Nothing mit den Cowboys" vor zwei Jahren gesehen hat, kann erahnen, dass die wohl im Coaching liegen wird. Aber noch ist es nicht so weit, wie er jetzt in einem Videocall betonte.

Lee hatte sich in der letzten Offseason entschieden, auch diese Spielzeit noch dranzuhängen. Und die Aussichten waren ja auch obejektiv gesehen nicht schlecht: Er sollte unter dem neuen Defensive Coordinator Mike Nolan vermehrt als SAM (Strongside-) Linebacker zum Einsatz kommen, was den Cowboys die Möglichkeit eröffnete, öfter in einer 4-3 Defense zu spielen.

Der ehemalige Zweitrundenpick der Cowboys im NFL Draft 2010 hatte zeit seiner Karriere mit Verletzungen zu kämpfen. Nach zwei Kreuzbandrissen am College bei Penn State folgte ein dritter bei den Organized Team Activities (OTAs) vor der Saison 2014. In der jüngeren Vergangenheit waren es aber vor allem Oberschenkel-Verletzungen, die ihn immer wieder zu unfreiwilligen Pausen zwangen. Auch in dieser – von sportlich überraschendem Misserfolg geprägten - Saison konnte er bislang nur in sieben der fünfzehn Spiele auflaufen.

Da steht natürlich wieder einmal die Frage im Raum, ob es das jetzt langsam für den Leader der Defense gewesen sein könnte. Diese Spekulationen wies er jetzt jedoch erst einmal zurück: "Ich meine, da überlegst Du natürlich immer einmal wieder hin und her, wenn Du älter wirst. Aber das Problem ist, jedes Mal wenn ich dann raus aufs Feld gehe, spielen darf und ein paar Plays mache, dann denke ich mir: Ich mag das einfach zu sehr! Und das ist mein Problem. Ich liebe dieses Spiel zu sehr. Ich liebe diese Franchise zu sehr. Und ich liebe es zu spielen. Ich liebe die Linebacker-Position, und ich scherze immer mit meiner Frau, dass ich manchmal süchtig danach bin, zu sprinten, zu hitten und jeden Tag zu trainieren.

Physisch denke ich mir manchmal: Du hast schon viel durchgemacht. Und dann gehe ich wieder raus und fühle mich großartig und bin in der Lage zu helfen und das treibt mich wieder an, viele Male zurückzukommen. Und letztes Jahr hat das dann die Oberhand behalten.

Physisch fühle ich mich so gut wie zu besten Zeiten. Ich weiß nicht, was passieren wird. Ich werde in meinen Körper reinhören und das mit meiner Familie besprechen."

Und dann gibt es ja noch den ultimativen Grund für ihn, noch nicht aufzuhören: Bislang ist ihm noch kein Titel mit den Cowboys gelungen und das ist seinen Worten nach auch ein Faktor, warum er eben noch nicht aufhören will: "Ich will unter allen Umständen eine Meisterschaft gewinnen. Wie auch immer ich das schaffen kann. Die Arbeit, dieses drängende Gefühl von Woche zu Woche. Alles, was ich dazu beitragen kann, damit wir dahin kommen, diesen Titel zu holen. Das ist es, wovon ich besessen bin."

Vor zwei Jahren zwang ihn eine Verletzung – wieder einmal – zu einer längeren Spielpause. Trotzdem half er damals aus, wo er konnte, und coachte die jungen Linebacker Jaylon Smith und anschließend auch Leighton Vander Esch, wo es nur ging. Das machte er so gut, dass man ihm wohl bereits damals einen Vertrag als Positionscoach gegeben hätte, wenn er denn nicht als Anführer der Defense so wichtig gewesen wäre.

Denn seinen Traum vom Titel könnte er sich natürlich auch als Coach erfüllen. Nur die täglichen Plays und Hits im Training müssten dann ausfallen. Sein Körper würde es ihm sicherlich danken.

Früher oder später wird es soweit sein, aber jetzt steht für ihn erst einmal das Spiel gegen die Eagles bevor. Und sicher kein Titel 2020.


Carsten Keller - 24.12.2020

Sean Lee bei seiner Videocall vor dem Spiel gegen die Eagles (© Carsten Keller)