Favoriten stürzen, und alle machen wieder mit

Am vierten Spieltag wurde die Saison deutlich lebhafter und interessanter, nicht nur wegen des Eintritts der SEC in den Spielbetrieb. Mit dem Dritten der aktuellen AP Top 25, Oklahoma (35:38 gegen Kansas State), und dem Sechsten und letztjährigen National Champion LSU (34:44 gegen Mississippi State) kassierten gleich zwei Playoff-Kandidaten ihre ersten Niederlagen, und mit Texas kam beim 63:56-Overtime-Erfolg bei Texas Tech ein drittes Top-Ten-Team gegen ein deutlich schwächer eingeschätztes Team mit dem Schrecken davon. Und die zweite gute Nachricht: Im Verlauf der letzten Woche folgten die übrigen Conferences, die in diesem Jahr eigentlich nicht spielen wollten, der Big Ten Conference und kündigten an, Ende Oktober beziehungsweise Anfang November den Spielbetrieb aufzunehmen.

Die unerwarteten Niederlagen sind für Oklahoma und LSU natürlich noch nicht das Ende ihrer Playoff-Ambitionen. Wenn man sie nicht erst in der Schlussphase der Regular Season kassiert, lassen sich Niederlagen noch ausgleichen. Das weiß man vor allem bei Oklahoma. In der letzten Saison hatten die Sooners auch gegen Kansas State verloren (damals mit 41:48 auswärts), hatten dann aber alle restlichen Spiele und die Big Twelve Championship gewonnen und waren in die Playoffs eingezogen. Ebenfalls ermutigend für Oklahoma: Man verlor das Spiel am Samstag nicht, weil man etwa auf Schlüsselpositionen zu schwach besetzt wäre oder gravierende Schwächen in einzelnen Mannschaftsteilen hätte. Letztlich rächten sich zwei Ballverluste, die Kansas State zu Touchdowns nutzte (zum 7:14 im zweiten Viertel und zum 28:35 im vierten), und dass den Wildcats im dritten Viertel zweimal in Folge nach Touchdowns zu 21-Punkte-Rückständen mit Hilfe von langen Pässen (77 Yards vor dem Touchdown zum 14:28 und 78 Yards vor dem zum 21:35) in jeweils nur drei Spielzügen eigene Touchdowns gelangen. "Wir beantworteten ihre schnellen Scores mit Big Plays, das gab uns neues Leben. Wir wussten, dass, wenn wir bis auf zwei Scores Differenz dran bleiben und wir irgendwann auf einen Score herankommen könnten, wir eine Chance haben", sagte Kansas States Head Coach Chris Klieman zur Bedeutung dieser beiden schnellen Touchdowns.

Die Chance, bis auf einen Touchdown heranzukommen, hatte sich dann ebenso schnell geboten. Nur zwei Spielzüge nach dem Touchdown zum 21:35 verlor Oklahomas RB Seth McGowan beim Tackle den Ball an der eigenen 38-Yard-Linie. Acht Spielzüge später kam Kansas State auf 28:35 heran. Danach kippte das Spiel komplett. Oklahomas nächster Ballbesitz endete mit einem geblockten Punt, was zu Kansas States Ausgleich zwei Spielzüge danach führte. Es folgten zwei kurze, nach Quarterback Sacks mit Punts beendete Auftritte von Oklahomas Offensive, unterbrochen von Kansas States Field Goal zum 38:35, und eine Interception, die 34 Sekunden vor Spielende die Niederlage der Sooners besiegelte.

Titelverteidiger schon unter Druck

Für LSU ist die Pleite gegen Mississippi State folgenreicher, schon weil das Programm deutlich anspruchsvoller ist als das von Oklahoma in der Big Twelve. Die Tigers haben unter anderem noch schwere Auswärtsspiele bei Auburn, Florida und Texas A & M sowie das Heimspiel gegen Alabama vor sich. Vor allem aber zeigte die Mannschaft mehr Schwächen als erwartet. Die Vorstellung der Abwehr wirkte in einigen Szenen konfus. Man konnte weder konstant Druck auf Mississippi States Quarterback machen noch die Passempfänger der Bulldogs, die gewiss keine furchteinflößende Truppe sind, gut genug abschirmen. Am Ende hatte LSUs Abwehr 632 Yards kassiert. Das war umso fataler als die Offensive gegenüber der letzten Saison erwatungsgemäß an Durchschlagskraft verloren hat. Dass Myles Brennan, der neue Stamm-Quarterback, als Nachfolger von Joe Burrow, der 2019 eine ohne zu übertreiben historische Saison gespielt hatte, ein schweres Erbe antritt, war klar, aber sein erster Auftritt als Nummer eins war enttäuschender als befürchtet. Das lag allerdings auch an der Leistung der Offensive Line, die ihn nie ausreichend schützte, sieben Quarterback Sacks zuließ und auch im Laufspiel nur selten Räume schaffen konnte. LSU hat jetzt zwei eher moderate Spiele vor sich, bei Vanderbilt und gegen Missouri, aber ab Mitte Oktober, wenn man innerhalb von 14 Tagen bei Florida und Auburn antreten muss, ist die Schonfrist für die umgekrempelte Truppe von Head Coach Ed Orgeron vorbei, wenn man im Rennen um zumindest erst einmal das Erreichen des SEC Championship Games bleiben will.

Mischt Leach die SEC auf?

Für Mississippi State wiederum erfüllten sich mit dem Coup in Baton Rouge die Erwartungen, die man an das Anheuern von Head Coach Mike Leach (kam von Washington State) knüpfte, schneller als man sich erhoffen durfte. Der schrullige Offensiv-Guru sollte vor allem das in der letzten Saison lausige Passspiel der Bulldogs aufmöbeln. Dass ihm das offensichtlich im Eiltempo gelungen ist, liegt gewiss nicht nur an seinem extrem auf Pässe ausgerichteten Spielsystem, sondern an einem zweiten Neuzugang des Teams: QB K.J. Costello, der nach Abschluss seines Studiums bei Stanford als so genannter "Graduate Transfer" zu den Bulldogs wechselte. In der letzten Saison hatte er verletzungsbedingt wenig gespielt, aber 2018 war er einer der besten Quarterbacks der Pac-12 Conference gewesen. Mit seiner Erfahrung ist Costello für Leach genau der richtige Mann, um die junge und eher unerfahrene Receiver-Truppe des Teams zu führen. Leach lobte später die Ruhe, die Costello ausstrahlte, und dass er sich auch in Phasen, in denen es für ihn nicht gut lief (vor allem im ersten Viertel), nicht aus dem Rhythmus bringen ließ. "Ich denke, seine Gelassenheit in diesem Spiel war herausragend. Wenn er eine Enttäuschung erlebt, etwas Schlechtes passiert, bleibt er der Gleiche - bereit für den nächsten Spielzug, bereit die Truppe mitzureißen", sagte er zu Costellos Auftritt unter anderem. Zugegeben, noch fällt es schwer, sich vorzustellen, dass Mississippi State im weiteren Saisonverlauf Teams wie Alabama, Auburn und Georgia schlägt, aber wenn die Mannschaft die Leistung gegen LSU bestätigen und die Fehler, die man trotz des Sieges natürlich auch gemacht hat, reduzieren kann, dann ist am Samstag in Baton Rouge vielleicht die Überraschungsmannschaft dieser schrägen Spielzeit geboren worden.

Alle Conferences wieder dabei

Wie eingangs erwähnt, wird in den kommenden Wochen ein bisschen mehr Normalität einkehren, wenn auch die letzten Conferences nachträglich in den Spielbetrieb einsteigen. Als erste dieser drei Conferences kündigte die Pac-12 an, ab 6. November wieder zu spielen. Die Teams werden sieben Spiele bestreiten, gegen die fünf Gegner in ihrer Division plus zwei Spiele gegen Teams aus der anderen Division. Das Pac-12 Championship Game mit den Ersten der beiden Divisionen ist für den 18. Dezember geplant. Die Zweit- bis Sechstplatzierten der beiden Divisionen werden an diesem Wochenende Spiele gegen die Teams aus der anderen Division bestreiten, sodass alle Pac-12-Teams am Ende acht Spiele bestritten haben werden. Die Mountain West Conference will bereits ab 24. Oktober wieder spielen, wenn auch die Big Ten ins Geschehen eingreift. Die Teams sollen acht Spiele bestreiten. Das Conference-Finale ist für den 19. Dezember angesetzt. Die Mid-American Conference steigt am 4. November wieder ein. Geplant sind sechs Regular-Season-Spiele plus das Conference Championship Game am 18. oder 19. Dezember.

Grundsätzlich ist natürlich zu begrüßen, dass letztlich doch alle Conferences spielen. Die Idee der vier Conferences, die sich im August für die Verschiebung der Saison entschieden hatten, die Saison im kommenden Frühjahr nachzuholen, war aus einer Reihe von Gründen keine besonders kluge. Man hätte sich allerdings gewünscht, dass sich die zehn Conferences und die sieben Independents im Sommer abgestimmt und auf ein gemeinsames Konzept geeinigt hätte. Die scheibchenweise Aufnahme des Spielbetriebes schafft neue Probleme, etwa bei der Vergabe der Playoff-Plätze. Noch hat sich das Playoff Selection Committee nicht dazu geäußert, wie es damit umgehen will, wenn es Playoff-Anwärter mit unterschiedlicher Anzahl an Spielen, im Extremfall bis zu vier Spielen Unterschied, bewerten muss. Da ist Ärger vorprogrammiert, zumal dieses Problem (unterschiedliche Anzahl an Spielen) angesichts weiterer Spielausfälle - fünf an diesem vierten Spieltag, inklusive der erste eines Playoff-Kandidaten (Notre Dame) - und insgesamt schon zwei Dutzend Spielabsagen ohnehin von Woche zu Woche immer größer wird.

Hoch - 27.09.2020

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