Chancenloser Widerstand

Das schnelle Akzeptieren der NCAA-Strafen brachte Penn States Präsidenten Rodney Erickson Kritik ein.Erster Widerstand im Verwaltungsrat der Penn State University gegen die vor zweieinhalb Wochen von der NCAA gegen die Universität verhängten Strafen in Folge des Sandusky-Skandals um jahrelangen sexuellen Missbrauch von Kindern durch den ehemaligen langjährigen Assistant Coach Jerry Sandusky und dessen Vertuschung hatte sich bereits kurz nach Bekanntgabe der Strafen geregt, jetzt wollen einige Mitglieder des Verwaltungsrates bei der NCAA Einspruch gegen die Strafen einlegen und, wenn dieser Einspruch erfolglos bleiben sollte, gegen die Strafen mit einer Klage vorgehen. Ein vom Verwaltungsratsmitglied Ryan J. McCombie beauftragter Anwalt unterrichtete die NCAA Anfang der Woche über den Einspruch seines Mandaten sowie weiterer Mitglieder des Verwaltungsrates, deren Namen bislang nicht bekannt sind. Begründet wird der Widerspruch im Wesentlichen mit folgenden Punkten:

1. Die schriftliche Übereinkunft zwischen der Universität und der NCAA, mit der die Universität die Strafen annimmt, sei nichtig, weil Universitätspräsident Rodney Erickson rechtlich nicht befugt gewesen sei, eine solche Übereinkunft ohne vorherige Beratung mit dem gesamten Verwaltungsrat zu unterzeichnen.

2. Die NCAA habe eigene grundsätzliche Verfahrensrichtlinien verletzt, weil sie keine eigene Untersuchung des Falles durchgeführt und Betroffene nicht angehört habe und sich stattdessen allein auf den Freeh Report, das Ergebnis einer im Herbst letzten Jahres vom Verwaltungsrat selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung durch den ehemaligen Richter und FBI-Direktor Louis Joseph Freeh, gestützt habe.

3. Die Übereinkunft zwischen der Universität und der NCAA auf Grundlage des Freeh Reports sei „fundamental unfair“, weil der Freeh Report Ergebnisse, Vermutungen und Schlussfolgerungen beinhalte, die nicht durch klare Beweise gestützt würden. Außerdem seien im Zuge der Freeh-Untersuchung Betroffene nicht angehört worden. Und die Dinge, die der Freeh Report herausgefunden habe, stellten keine Verstöße gegen NCAA-Regeln dar.

4. Die Strafen seien überzogen und unbegründet. Sie würden am Ziel der NCAA, einen Kulturwandel bei Penn State herbeizuführen, vorbei gehen und stattdessen eine ganze Generation von Spielern und Coaches, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen, dauerhaft schädigen.

Dass die NCAA dieser Argumentation nicht folgen und den Widerspruch zurückweisen wird, ist klar. Aber davon abgesehen, stellt sich die Frage, wie viel Gehalt die vier Argumentationsstränge tatsächlich haben. Zu Punkt 1: Erickson sieht sich sehr wohl als dazu befugt, die Vereinbarung mit der NCAA ohne Beratung mit dem Verwaltungsrat zu unterzeichnen, und wahrscheinlich würde sich die Frage nach der Befugnis erst in einem Rechtsstreit zwischen der Universität und Erickson klären lassen. Einen solchen würde es aber nur geben, wenn die Mehrheit des Verwaltungsrates Zweifel an Ericksons Befugnis zur Unterzeichnung des Schriftstückes hätte und ihn entlassen würde. Dazu wird es aber nicht kommen. Mehr noch: Ende der Woche gab es Meldungen, unter Bezug auf anonyme Quellen, dass der Verwaltungsrat in den nächsten Tagen die von Erickson unterzeichnete Vereinbarung ratifizieren wird.

Zu Punkt 2: Die NCAA hat beim Verkünden der Strafen gegen Penn State ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Strafen beispiellos und eine Reaktion auf ebenso beispiellose Vorgänge an der Universität seien. Und daraus leitet sie ab, dass sie bei der Bestrafung auch von üblichen Verfahrensweise habe abweichen dürfen. Dagegen lässt sich kaum etwas sagen. Das wissen auch McCombie & Co., deshalb der Vorwurf der Verweigerung eines ordentlichen Verfahrens und der Verletzung eigener grundsätzlicher Verfahrensrichtlinien. Wer der NCAA das aber vorwirft, der müsste ihr nachweisen, dass sie in vergleichbaren Fällen anders gehandelt hätte. Solche Präzedensfälle gibt es aber nicht. Und auch das alleinige Stützen auf den Freeh Report spricht nicht gegen die NCAA. Die Freeh-Untersuchung war von der Universität selbst in Auftrag gegeben worden und ihre Ergebnisse wurden von der Universität akzeptiert. Wozu also eine eigene Untersuchung?

Zu Punkt 3: Der Freeh Report hat gewiss an der einen oder anderen Stelle Schwächen, ihn aber als Ansammlung von Vermutungen und Schlussfolgerungen, die nicht durch klare Beweise gestützt würden, abzutun, wird ihm nicht gerecht. Im Kern sind seine Ergebnisse unstrittig - dass es bereits 1998 erste Verdachtsmomente gegen Sandusky gegeben hatte und dass der im November letzten Jahres entlassene und im Januar verstorbene Head Coach Joe Paterno sowie der ehemalige Universitätspräsident Graham Spanier, sein Vize Gary Schultz und der ehemalige Athletic Director Tim Curley (alle Drei im letzten November ebenfalls entlassen) spätestens ab 2001, als es sogar einen Zeugen aus dem Trainerstab gab, von Sanduskys kriminellem Treiben wussten und nichts beziehungsweise zu wenig taten, um der Sache nachzugehen und Sandusky zu stoppen. An welcher Stelle aus Nichtstun aktives Handeln mit dem Ziel, das Ganze unter der Decke zu halten, wurde und wer von den Vieren einen wie großen Anteil daran hatte, ist fast unerheblich. Das unglaubliche charakterliche Versagen der Vier bleibt, und dass die vom Freeh Report angeprangerte Kultur der „übertriebenen Konzentration auf den Sport“ dazu beigetragen hat, wird niemand ernsthaft bestreiten wollen. Und was heißt kein Verstoß gegen NCAA-Regeln? Für die NCAA zeigen die Ergebnisse der Freeh-Untersuchung, dass es bei Penn State einen Mangel an institutioneller Kontrolle gegeben habe, und das ist im Katalog der Verstöße gegen NCAA-Regeln der vielleicht schwerwiegendste.

Zu Punkt 4: Dass die Strafen überzogen und unbegründet seien und am Ziel, bei Penn State einen Kulturwandel herbeizuführen, vorbei gingen, ist eine persönliche Meinung, die man teilen kann oder auch nicht, wirklich interessant ist der zweite Teil. Dass durch die Strafen Spieler und Coaches dauerhaft geschädigt werden, die sich nichts haben zu Schulden kommen, stimmt. Das ist aber ein grundsätzliches Dilemma bei NCAA-Sanktionen: Betroffen sind in der Mehrzahl immer Unschuldige. Würde man die NCAA dazu verpflichten, nur Regelverletzer direkt zu bestrafen und nicht gleich ganze Football-, Basketball- etc. -Abteilungen, dann könnte die NCAA kaum noch wirkungsvoll gegen Regelverstöße vorgehen, weil Verstöße oft erst aufgedeckt werden, wenn die, die gegen Regeln verstoßen haben, längst nicht mehr an der Universtät sind. Davon mal abgesehen, werden selbst bei einer direkten Bestrafung noch greifbarer Regelverletzer (das sind bei Spielern und Coaches im Normalfall Sperren) immer auch Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen.

Letztlich klingt die Argumentation von McCombie knackiger als sie es inhaltlich ist. Und wenn es so kommt, dass der Verwaltungsrat von Penn State Ericksons Vereinbarung mit der NCAA bezüglich der Annahme der Strafen in den nächsten Tagen tatsächlich ratifiziert, dann hätten sich der Widerspruch bei der NCAA und ein möglicher Prozess eh erledigt.

Hoch - 11.08.2012

Das schnelle Akzeptieren der NCAA-Strafen brachte Penn States Präsidenten Rodney Erickson Kritik ein.

Das schnelle Akzeptieren der NCAA-Strafen brachte Penn States Präsidenten Rodney Erickson Kritik ein. (© Getty Images)

Leser-Bewertung dieses Beitrags:

zur mobilen Ansichtmehr News Penn State Nittany Lions www.gopsusports.comSpielplan/Tabellen Penn State Nittany Lions
RegistrierenKennwort vergessen?

Login:

Kennwort:

dauerhaft: