Rugby 2011: Dem Tode noch einmal entronnen

Das waren noch Zeiten: Die deutsche Rugby Mannschaft der Olympischen Spiele 1900Rugby ist, wenn man es historisch betrachtet, eine der „Mütter“, aus denen sich American Football entwickelt hat. 1869 hat es bekanntlich das erste offizielle American Football Spiel zwischen den Universitäten von Princeton und Rutgers gegeben. Rugby soll der Legende nach, während eines Fußballspiels in der gleichnamigen britischen Stadt entstanden sein. Der Spieler William Webb Ellis nahm bereits 1823 den Ball in die Hand und legte ihn in das Tor des Gegners. Diese hübsche Geschichte konnte nie ganz richtig bewiesen werden, aber der Pokal der Rugby-Union-Weltmeisterschaft wurde nach William Webb Ellis benannt. Nach 1869 hat es also eine abermalige sportliche Abspaltung gegeben und American Football wurde über 140 Jahre lang zu dem entwickelt, was wir heute als eine der drei führenden amerikanischen Nationalsportarten bezeichnen.

Heutzutage spielt Rugby in den Commonwealth Staaten und natürlich auch in Frankreich eine professionelle Rolle und ist in der Tat eine bedeutende, globale Sportart, die auch in Deutschland schon seit vielen Jahrzehnten eine relativ große Fangemeinde in, zum Beispiel Hannover, hinter sich weiß. Doch hinter den Kulissen hat der Deutsche Rugby Verband einen fast aussichtslosen Überlebenskampf geführt, der beinahe zur Insolvenz geführt hat. Nachdem der Deutsche Rugby-Verband 2010 aufgrund einer förmlich festgestellten Überschuldung keine Mittel der öffentlichen Hand mehr erhalten hatte, standen auch 2011 die Zuschüsse erneut sehr lange zur Disposition. Es war ein Vorgang, der den Verband an den Rand einer Insolvenz führte.

Das traurige Beispiel kann nur zur Mahnung aller dienen und zeigen, dass es von elementarer Bedeutung ist, lieber den sparsamen Umgang mit den Ressourcen zu pflegen, anstatt unnötige Risiken einzugehen, die sich später als tödlich erweisen können. Bei aller Freude und Solidarität für den erfolgreichen Wiederbelebungsversuch, bleiben aber auch Fragen zu stellen. Warum wurde eine scheinbar fast tote Sportart mit Steuermitteln am Leben erhalten, während die Sportart mit dem größten relativen Wachstum und einem zumindest ausgeglichenen Haushalt – und das ist nun einmal American Football in Deutschland 2012 aller Voraussicht nach - nicht gefördert wird? Mögliche bessere Seilschaften zur aktiven Sportpolitik und die Aussicht 2016 als olympische Sportart geführt zu werden, mögen als Kronzeugen herhalten – Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit sieht aber anders aus.

In einem Interview zwischen dem DRV Präsidiumsmitglied Jürgen Zeiger und dem Präsidenten Ralpg Götz und andererseits der DOSB-Presseabteilung wurden nun erste Details über den Beinahe-Super-GAU des deutschen Rugbyverbandes sichtbar. Götz und Zeiger sind seit dem Juli 2011 im Amt und und halfen federführend mit, die Scherben aufzufegen und den Verband zu retten.

Ralf Götz teilte erfreut mit, dass der Zuwendungsbescheid aus Bundesmitteln rechtzeitig eingetroffen ist: „Man muss dabei wissen, dass wir bei vielen übergeordneten Verbänden und Institutionen auf Null gesetzt worden wären. Das heißt konkret, alle Zuschüsse und Förderungen hätten neu beantragt werden müssen. Ein enormer bürokratischer Aufwand, und das unter dem Einfluss eines laufenden Insolvenzverfahrens. Ich persönlich glaube, dass dies auch die sportliche Handlungsfähigkeit in den nächsten Jahren sehr stark eingeschränkt. Die Experten haben uns geraten, alles zu tun, um einen Insolvenzantrag zu vermeiden. Es gab aber auch Stimmen, die eine Insolvenz als einen reinigenden Prozess angesehen hätten.“

Aber genau diese Aussage hielten beide Sportfunktionäre für verantwortungslos und Präsident Zeiger konnte sich glücklich schätzen, dass Kreditgeber zur Seite standen: „Erst diese Initiative hat den Verband in die Lage versetzt, die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme der Förderung durch das BMI und den DOSB zu schaffen. Ein wirkliches Verbandsvermögen gibt es nicht, die letzten Gelder waren vor einigen Wochen aufgebraucht. Erst die Unterzeichnung des Kreditvertrages und die zur Verfügung gestellte Summe hieraus haben den DRV wieder in eine handlungsfähige Position gebracht.“

Präsidiumsmitglied Götz betonte ferner: „Mir war nicht klar, dass der DRV hier durch sein Auftreten in der Vergangenheit erheblich an Vertrauen eingebüßt hatte. Ich muss zugeben, dass wir alle teilweise an die Grenzen des Machbaren gekommen sind. Die Belastungen resultierend aus diesem Prozess, in dem es immer wieder bittere Rückschläge gab, waren enorm hoch und haben nicht nur bei mir deutliche Spuren hinterlassen. Besonders bitter war die Erfahrung, dass diese existenziellen Probleme in der öffentlichen Diskussion natürlich gar nicht so wahrgenommen werden und Themen in den Mittelpunkt rücken, die für die Betroffenen zwar wichtig, für das deutsche Rugby aber momentan nicht entscheidend sind. Schließlich hätte eine Insolvenz einen dramatischen Einschnitt für unsere gesamte Sportart bedeutet.“

Zeiger weiß aber auch, dass finanzielle Hilfe nur ein Schritt zur Gesundung sein kann und es kann nicht ohne Grund vermutet werden, dass eine nichtolympische Sportart dieselbe Unterstützung erhalten hätte: „Hier musste erst einmal massiv wieder um Vertrauen geworben werden. Und dieses Thema wird uns weiter verfolgen. Wir sind als olympische Sportart ab 2013 deutlich aufgefordert, mit entsprechenden Konzepten unsere Leistungsfähigkeit nachzuweisen.“

Bleibt zu hoffen, dass Rugby bald völlig gesunden kann und dass, bei aller (vielleicht auch berechtigten) Kritik an der bundesdeutschen Führung des American Footballs nun auch vom letzten Sportler erkannt werden kann, dass niemand langfristig mehr Geld ausgeben kann, als er einnimmt, Sponsoren nicht auf American Football warten und der Staat nicht die originäre Aufgabe besitzt, strukturell kranke Sportarten zu heilen. Eine Selbstbeteiligung der Aktiven an internationalen Turnieren ist sicherlich nicht angenehm, aber der lechzende Pleitegeier auf dem Haus verschönert das Gesamtensemble auch nicht wirklich. Wegen eines unkalkulierbaren Risikos darf das gesamte Werk niemals der Gefahr des Scheiterns ausgesetzt werden.

Schlüter - 07.12.2011

Das waren noch Zeiten: Die deutsche Rugby Mannschaft der Olympischen Spiele 1900

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