Berliner Eurobowl-Liebe endlich erwidert

Berlin hat lange darauf gewartet, den Eurobowl-Sieg feiern zu dürfenMit ihrem Erfolg in Wien haben die Berlin Adler nicht nur ihre eigene Vereinshistorie nun endlich - 19 Jahre nach dem verlorenen Finale gegen Amsterdam in Offenbach - von einem "schwarzen Fleck" getilgt, wie dies zuvor in Vereinskreisen bezeichnet wurde. Gleichzeitig haben die Berliner 20 Tage vor dem Auftaktspiel der EM, bei dem Deutschland und Österreich in der Frankfurter Commerzbank Arena aufeinandertreffen werden, auch noch etwas mehr "Öl ins Feuer" im Vorfeld dieser Partie gegossen. Denn - buchstäblich - in letzter Sekunde wurde abgewendet, dass Österreich mit dem siebten Europapokal-Sieg in Folge Deutschland hinter sich gelassen hätte, was vom Selbstverständnis der Deutschen her nichts anderes als eine "Schmach" gewesen wäre.

Nun entscheidet natürlich nicht eine einzelne Saison, ein Spiel oder ein Field-Goal-Kick, ob nun der Selbstanspruch der deutschen GFL oder der der österreichischen AFL, die beste Liga Europas zu sein, der zutreffende ist. Obwohl in der Tat im europäischen Football sich manchmal tatsächlich die Spreu vom Weizen leicht voneinander trennen lässt, wenn man bewertet, inwieweit auch Wert auf Special Teams gelegt wird, und dort eben nicht nur auf den (oft amerikanischen) spektakulären Kickoff Returner, sondern auf den eher "langweiligen" (und in aller Regel einheimischen) Kicker. Ganz und gar nicht umsonst hatten die Adler ihren Benjamin Scharweit ja schon zum Halfinale in Innsbruck aus dem beruflich bedingten temporären spanischen Domizil einfliegen lassen.

Man täte allerdings den Vikings und mit ihnen der AFL sicher Unrecht, diesen am Sonntag nun entscheidenden Umstand als Beweis einer sportlichen Überlegenheit der gesamten GFL gelten zu lassen. Denn erstens gehören auch die Vikings schließlich zu jenen Teams, die solcherlei Football-Basics pflegen und beherrschen, andererseits gehören die Adler (selbst in der GFL zumindest "gefühlt") auch in Deutschland in diesem Punkt eher zu einer Minderheit von Teams, die geduldig Extrapunkte sammeln, sich mit Field Goals zufrieben geben und am Ende eben mit drei oder weniger Punkten gewinnen - wie die Adler nun zum fünften Mal im elften Saisonspiel 2010.

Bemerkenswert sind für eine mittel- oder langfristig angelegte Analyse natürlich vor allem andere Aspekte: Die Adler haben mit Prague Panthers, Tirol Raiders und nun Vienna Vikings in der Tat drei AFL-Gegner jeweils auswärts bezwungen, kein schwaches Argument für Befürworter der These einer gegenüber der AFL stärkeren GFL. Weil dieses aus den 90er Jahren vererbte Credo in Deutschland in den letzten Jahren zuweilen nur durch Verzicht auf den direkten Vergleich im Eurobowl-Wettbewerb weitergebetet werden durfte und nach den Niederlagen Marburgs in Wien und Braunschweigs in Innsbruck nur durch allerlei - wenngleich berechtigte - Ausreden schön geredet werden konnte, war es für die Deutschen diesmal aber wirklich "ente oder trente" (so sagt das der Berliner) - wenigstens geht die GFL nun mit einem Kopf-an-Kopf-Vorsprung in das EM-Spiel in Frankfurt und die nächste EFL-Saison mit dem 25. Eurobowl-Jubiläum und der anstehenden WM in Österreich.

Gut für die Deutschen nicht nur, dass Wien im innerösterreichischen Vergleich streng nach Tabelle dieses Jahr erstmal auch nur die Nummer vier war, sondern auch, dass es eben jene Adler waren, die diese Herausforderung der EFL 2010 annahmen, wo andere noch immer den German Bowl als Nonplusultra und alles andere bestenfalls als Zugabe sehen oder gleich ganz übersehen. Nicht gut angekommen ist in Kiel, wie Adler-Head-Coach Shuan Fatah die Niederlage seiner Schwarz-Gelben dort als eher belanglos abgetan hat und stattdessen die Konzentration auf den Eurobowl als das erste große Saisonziel in den Vordergrund stellte. Ein Missverständnis, das gar nicht so neu ist, wenn es um das Verhältnis zwischen GFL und EFL geht - die Zuschauer-Hochburgen in Deutschland finden sich in den eher mittelgroßen Städten. Ein Teil des großen Reizes, den Teams wie Baltic Hurricanes oder Lions auf das Publikum in diesen Städten ausüben, besteht eben darin, dass sie in der Lage sind und waren, das große Hamburg in der Nachbarschaft und eben auch das noch größere und im deutschen Größenvergleich nahezu unerreichbare Berlin herauszufordern und zu schlagen.

Genau wie für das "kleine" Österreich das "große" Deutschland nebenan der natürliche Lieblingsgegner ist, an dem man sich misst, in der Folge wächst (und wenn der Große nicht aufpasst oder zu arrogant ist, den Wettbewerb ernst zu nehmen, eben auch an ihm vorbeizieht) - haben etwa die Dresdner natürlich ihr Heimspiel gegen Berlin in die neue Arena der Stadt verlegt, fahren die Schwäbisch Haller mit dem Sonderzug zum Gastspiel bei den Adlern und entstanden die - lang, lang ists her - Zuschauerrekorde der GFL bei den Vergleichen zwischen Braunschweig und Hamburg. Kiel und Braunschweig sind so auch die eigentlichen Leidtragenden der sich nun seit einigen Jahren dahinschleppenden "Dauer-Katastrophe" in Hamburg. Ob sie sich rechtzeitig hätten Alternativen erschaffen können, wenn sie versucht hätten, die europäische Karte engagierter zu spielen? Die Antwort darauf ist nicht ganz so einfach, auch wenn Europas und Deutschlands Funktionäre sie mit sanftem Druck in diese Richtung zu bewegen versuchten, das ergibt sich schon daraus, dass die über die Jahre zweifellos erfolgreichen, also sachkundigen Vereins-Manager vor Ort die Lage anders einschätzten. Aber man fragt sich natürlich, ob nicht auch in Kiel oder Brauschweig ein Gegner aus Wien nicht mindestens ebenso leicht vermarktbar sein sollte als einer aus Platting oder Marburg...

Gut, das schreibt nun ein Berliner. Und für die gibt es in bekannt arroganter Manier sowieso nur Paris, London oder New York und Co. als Vergleichsmaßstab. Für die war also schon mal die EFL-Vorrundengruppe im letzten Jahr mit Moskau und Paris ein Traum, ein Jahr nachdem der EFAF Cup im Finale im eigenen Stadion für einen von vielen anderswo in Deutschland den Adlern gar nicht zugetrauten Zuschauerzulauf gesorgt hatte - wenn auch weiterhin unterhalb der Wahrnehmungsgrenze nennenswerter Sponsoren. Dabei war dies überhaupt nicht zufällig: Im Gerangel der unzähligen Berliner Bundesligisten in allen erdenklichen Sportarten um Aufmerksamkeit zieht einfach nur ein europäischer Wettbewerb, daneben vielleicht noch die Endrunde um eine Deutsche Meisterschaft. Mit dem Abstieg von Hertha BSC aus der Fußball-Bundesliga ergibt sich für all diese vielen Vereine vielleicht ein interessanter Wettlauf, wer doch wieder ein kleines bisschen mehr aus seiner kleinen Nische heraustreten und profitieren kann. Ob die Adler das nutzen können, wird sich zeigen, aber genau wie Shuan Fatah vor dem Spiel in Wien seinen - zu dieser Zeit ja noch fröhlich im Kindergarten herumtollenden - Akteuren das Offenbacher Finale von 1991 ins Bewusstsein gerufen hat, lässt sich zumindest daran erinnern, dass die Adler in ihrer damaligen Hochphase ja auch 4.000 Leute zu einem Halbfinale oder 17.000 zu einem German Bowl hatten locken können.

Unabhängig davon, ob die Adler nun in der Lage sein werden, ihren Triumph von Wien in den nächsten Jahren versilbern zu können, verdienen im Vergleich zwischen GFL und AFL weitere Aspekte ihre Beachtung: Wie die Adler, die ihre Stärke nicht aus der Finanzkraft ziehen, sondern aus einer breiten sportlichen Vielfalt in einem großen Kader, ist die GFL in den Eurobowl-Siegerlisten nun mit bereits vier verschiedenen Vereinen als Sieger vertreten - alle anderen Nationen bringen es wie die Österreicher maximal auf zwei. Als erste Mannschaft aus sowohl Deutschland als auch Österreich gelang es ihnen zudem, den Titel im Ausland zu holen. Das haben in jüngerer Vergangenheit nur die Bergamo Lions geschafft, wie alle italienischen Vereine in diesem Punkt den Adlern ganz ähnlich - auswärts und zu Hause auch deswegen annähernd gleich stark, weil angesichts der Zuschauerzahlen der Unterschied ohnehin nicht zu groß ist.

Eine andere Chance, als auswärts zu gewinnen, hatten die Adler aber ohnehin nicht. Der Eurobowl als Endspiel-Event ist zu einem begehrten Objekt fast aller finanzkräftigen Vereine in Europa geworden - und da ist dann wiederum die AFL sowohl in der Anzahl der Vereine, auf die dieses Prädikat zutrifft, als wohl auch im Durchschnitt und vor allem gemessen an dem, was sonst im Heimatland im Sport allgemein als "Zuschauerkrösus" gilt, besser aufgestellt als die GFL. Die 5.000 Euro Siegprämie, die die Wiener neben weiteren finanziellen Leistungen für die Ausrichtung auslobten, konnten die Adler im österreichisch-deutschen "Finanzausgleich" stibitzen - auf Dauer generieren die österreichischen Spitzenclubs dennoch weiter genügend Einnahmen, um nach der einen verlorenen Schlacht von Wien den Wettkampf um die Vormachtstellung in Europa weiter in die Zukunft tragen zu können. Mit dem Austrian Bowl am Freitag abend in Innsbruck wird sich dann zeigen, ob man in einem weiteren Bereich, in dem man noch schmerzlich im Rückstand gegenüber Deutschland liegt, ein bisschen aufholen kann: Zuschauerzahlen mit German-Bowl-Dimensionen gibts bei österreichischen Endspielen in der Regel nämlich nicht.

Auerbach - 05.07.2010

Berlin hat lange darauf gewartet, den Eurobowl-Sieg feiern zu dürfen

Berlin hat lange darauf gewartet, den Eurobowl-Sieg feiern zu dürfen (© Ed Cornejo)

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