Vantaa statt Commerzbank Arena?

Den EM-Pokal soll Deutschland nicht verteidigen dürfen.Nach einer Mitteilung des finnischen Verbandes soll statt der ursprünglich in der Frankfurter Commerzbank Arena vorgesehenen Europameisterschaft 2018 nun eine Woche später als zum geplanten EM-Termin im finnischen Vantaa ein Turnier ausgetragen werden. Offiziell haben weder der Weltverband IFAF noch der Ausrichter in Finnland den deutschen Verband AFVD über die Planungen zu diesem Turnier informiert, geschweige denn dazu eingeladen. Die deutsche Nationalmannschaft als EM-Titelverteidiger soll also wohl nicht teilnehmen, zudem auch die Italiener nicht, die 2016 ein Qualifikationsturnier gewonnen hatten, stattdessen Großbritannien (als Sieger eines zweiten Qualifikationsturnieres) sowie der EM-Sechste von 2014 Dänemark, der nach damaligem Modus eigentlich "Absteiger" aus dem EM-A-Pool gewesen wäre.

Aber was heißt schon "Modus" - die Zusammensetzung dieser in Vantaa geplanten "EM" dient offensichtlich verbandspolitischen Interessen. Dem sportlichen Wettbewerb jedenfalls nur so weit, wie er sich diesen Scharmützeln unterordnet. Hintergrund sind die Streitigkeiten innerhalb des Weltverbandes, die sich vordergründig um dessen Präsidentschaft rankten, die seit 2015 Tommy Wiking (Schweden) sowie Richard MacLean (Kanada) jeweils allein für sich beanspruchen. Der internationale Sportgerichtshof CAS hat nun die Auffassung des Kanadiers bestätigt, und in der Folge soll der deutschen Nationalmannschaft der Weg zur Titelverteidigung verbaut werden.

Was das Eine mit dem Anderen zu tun hat, muss man nicht verstehen, aber der Funktionärsstreit innerhalb der IFAF wird mit harten Bandagen geführt - auch wenn damit vorläufige IOC-Anerkennung oder GAISF-Mitgliedschaft gefährdet werden. Der deutsche Verband AFVD hat in der Vergangenheit und nicht erst seit 2015 innerhalb der IFAF vehement für seine Vorstellungen der internationalen Zusammenarbeit geworben (auch schon, als Tommy Wiking noch unstreitig Präsident war, und völlig unabhängig von dessen Person). Doch die amerikanischen Mitgliedsverbände, die einst mit ihren Stimmen Wiking hatten wählen lassen und für den Football in Europa nun anderes im Sinn haben, sind mächtig. Sie könnten nun dank der von ihnen in den letzten Jahren veränderten IFAF-Struktur eine Europameisterschaft auch nach ihren Vorstellungen spielen lassen.

Die AFVD-Delegierten damals bei der verkorksten IFAF-Versammlung 2015 gehörten zu der (ungefähren) Hälfte, die die Vorgänge um Wiking so zweifelhaft fand, dass sie der Ansicht war, dass der Schwede Präsident geblieben war. Selbst der internationale Sportgerichtshof hat knapp drei Jahre gebraucht, die Situation zu entwirren, also darf man sich fragen: Seit wann führt eine abweichende Meinung dazu, dass Mitgliedschaftsrechte wie zum Beispiel die Teilnahme der eigenen Nationalmannschaft an einer EM, für die sie unzweifelhaft sportlich qualifiziert ist, verwirkt werden?

Der AFVD hat in einer Grundsatzerklärung noch einmal dargelegt, warum es ihm um eine sachliche und inhaltliche Auseinandersetzung geht. Aber wie seit Jahren - die Diskussion über Sachthemen ist nicht erwünscht und wird wieder und wieder sofort auf die personelle Ebene reduziert. Den Dampfplauderern, denen die Resonanz am Stammtisch der sozialen Medien über alles geht, spielt das in die Hände und beschert ihnen so manchen Schenkel- und Schulterklopfer.

Wem am Sport gelegen ist, dem stoßen aber schon einige andere Dinge sauer auf. Da ist im letzten Jahr die Terminierung der EM im Dialog mit den sportlich unzweifelhaft qualifizierten Teilnehmern festgelegt worden, erst danach sind für die GFL die Rahmenpläne für 2018 erstellt worden. GFL-Teams nutzen für ihre Saison in der Mehrzahl Stadien, für die langfristige Mietplanungen notwendig sind. Für die Teams geht es um ökonomische Größenordnungen (die für manch einzelnen Club größer sind als die gesamter Ligen auch einiger nun vorgesehenen EM-Teilnehmernationen), die schon eine vorab eingeplante EM-Pause schwierig machen, geschweige denn eine wenige Wochen vor Saisonstart verschobene. Wer auch immer also diesen Termin an einem fest geplanten GFL-Spieltag festgelegt hat und nur ein klein wenig Ahnung vom europäischen Football hat, der hat dies im vollen Bewusstsein getan, damit der deutschen Nationalmannschaft die Teilnahme zu verbauen, nach dem Motto: "Entweder ihr verzichtet auf den Titel oder ihr schädigt eure Liga." Die GFL wird ihre Spielpläne nicht noch einmal umwerfen können.

Dies trifft nicht nur die deutschen Nationalspieler - gerade in diesem Jahr haben sich noch einmal noch mehr europäische Spitzenspieler GFL-Teams angeschlossen. Warum eigentlich nur, wenn angeblich im deutschen Football so vieles schief läuft? Weil es - egal, ob der AFVD dies nun selbstbewusst so behauptet oder nicht - einfach klar ersichtlich ist, dass die GFL den Maßstab definiert, an dem sich Footballer in Europa orientieren. In punkto Wettbewerb, Zuschauerzahlen, Coaching, Spielniveau, Medienpräsenz und anderem. Und bei der Kontinuität sowieso, und die ist bei alledem vielleicht sogar das Wichtigste, wenn man sich anschaut, wie anderswo Anzahl der Teilnehmer, Auf- und Abstiegs-Modi, Ausländerregelungen oder ganze Ligenstrukturen von Jahr zu Jahr über den Haufen geworfen werden.

Spitzenclubs anderer Länder haben das Problem, neben den wenigen Top-Spielen in der eigenen nationalen Liga irgendwie ihren Spielplan halbwegs attraktiv für ihre Anhänger und Sponsoren ergänzen zu müssen, teilweise werden sogar eigene internationale wettbewerbsähnliche Serien organisiert. Für GFL-Teams ist dies - seit Jahrzehnten - genau andersherum: Die eigentliche nationale Saison ist so lang und herausfordernd, dass internationale Vergleiche eher als zusätzliche Belastung gesehen werden. Zumal der Kreis der internationalen Herausforderer, die einem GFL-Spitzenteam gefährlich werden könnten, immer kleiner und das Risiko zu einseitiger Spiele immer höher geworden ist.

Für einige Jahre Teil eines GFL-Teams sein zu dürfen, ist ganz natürlich für viele Spitzenspieler aus ganz Europa zum individuellen sportlichen Ziel Nummer eins geworden. Manche werden sich nun im Sommer entscheiden müssen, ihr Clubteam im Kampf um die Playoffs im Stich zu lassen oder Nationalmannschaftsberufungen abzulehnen - wie kann man Sportler in einen solchen Gewissenskonflikt drängen? Sie, die deutschen (und die italienischen) Nationalspieler sind primär Leidtragende. Dass die Titelfavoriten aus Österreich und Frankreich in sportlicher Hinsicht das Turnier ohne den Lieblingsgegner toll finden werden, mag man aber ebenso bezweifeln. Auch dürfte der Support von den (in dem Fall nur rudimentär vorhandenen) Tribünen geringer ausfallen als im zentralen Frankfurt.

Beim AFVD soll es nun bereits Überlegungen geben, halbwegs gute Miene zum bösen Spiel zu machen und auf eigene Kosten für das nächste Jahr den Sieger des Turniers zu einem Länderspiel einzuladen - um wenigstens irgendwie das sportliche Duell stattfinden zu lassen, auf das sich Football-Europa seit vier Jahren gefreut hat. Aber: Dies sind vorerst Gedankenspiele, der Weltverband IFAF müsste dieses Spiel erst einmal genehmigen. Und bei der Gefahr, dass der AFVD am Ende vielleicht noch Geld mit einer solchen Partie verdienen könnte, ist ein gnädiges Einverständnis aus Nordamerika nicht einfach so vorauszusetzen. Auch die EM-Planungen hat man ja jahrelang laufen lassen - anders als vielfach behauptet, hat ja nicht der "Vielleicht"-Präsident Wiking den deutschen Verband allein beauftragt, sondern der für Europa-Angelegenheiten eingesetzte Stab war involviert.

Auch die Junioren-EM in Dresden seinerzeit war übrigens in einer haargenau vergleichbaren Situation vom AFVD für die IFAF durchgeführt worden. Damals hatte die IFAF gern den deutschen Standortvorteil für sich genutzt - bei einer Junioren-EM geht es um viel Aufwand und wenig (finanziellen) Ertrag. Der AFVD konnte mit Hilfe von Sponsoren, Bürgschaften und Zuschüssen von Land und Stadt dieses Turnier so finanzieren, dass die Gast-Teams vor Ort keine Kosten hatten. Davon, dass Österreicher, Franzosen oder Dänen beim Turnier schlecht behandelt worden wären, ist nichts bekannt, und auch für die Herren-EM in Deutschland 2018 wäre eine solche Kostenübernahme vorgesehen gewesen.

Die Vorstellungen des AFVD darüber, wie ein solches Turnier zu finanzieren sei, sind nicht nur "Schönwettergerede" auf Funktionärstagungen, sondern entstehen aus den praktischen Erfahrungen, die man selbst als anerkannt "gute Adresse" für örtliche Behörden, Ministerien oder Wirtschaftspartner darstellt. Dank der GFL, dank vergangener erfolgreicher Großveranstaltungen, dank akribischer Aufbauarbeit und dank des ungebrochenen dynamischen Mitgliederwachstums der Vereine. Dass anderen dieses stetige Wachstum in Deutschland nicht nur gefällt, ist ja nachzuvollziehen. Deswegen aber nun freiwillig ein Turnier im lauschigen Vantaa mitzufinanzieren, statt im großen Frankfurter Stadion den ultimaten Triumph gegen den richtigen Gegner anzupeilen - dafür muss der Stachel aber schon richtig tief sitzen.

Auerbach - 16.03.2018

Den EM-Pokal soll Deutschland nicht verteidigen dürfen.

Den EM-Pokal soll Deutschland nicht verteidigen dürfen. (© CS-Sportfoto)

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