Clemson sorgt für frischen Wind

Clemson Tigers"Danke, Clemson. Danke, Alabama. Der College Football brauchte das", textete ein amerikanischer Journalist in seiner Kolumne zu Clemsons Erfolg im National Championship Game gegen Alabama. Der Dank galt nicht dem packenden Spielverlauf mit dem dramatischen Höhepunkt des spielentscheidenden Touchdown-Passes zum 35:31-Sieg für Clemson eine Sekunde vor Spielende. Der Kolumnist dankte vielmehr dem Umstand, dass es einem Team gelungen war, Alabamas Siegeszug der letzten Jahre zu stoppen, denn so bewundernswert Alabamas Erfolge seien, sie waren inzwischen zu selbstverständlich geworden und hätten den College Football ein wenig langweilig gemacht. "Wir brauchten eine Pause", so das Fazit der Kolumne. Besser hätte man es nicht ausdrücken können. Der Sport, ganz allgemein, lebt im Wesentlichen von der Abwechslung. Dominieren ein Team oder eine kleine Gruppe von Teams eine Sportart beziehungsweise eine Liga über längere Zeiträume, dann wird es für die Masse der Fans in der Tat etwas langweilig. Deshalb sorgt der Titelgewinn eines Teams, das zuletzt vor 35 Jahren National Champion geworden war, in der Tat für frischen Wind.

Erfreulich war auch, dass die Wachablösung gelang, ohne dass der gestürzte Favorit enttäuscht hätte. Im Gegenteil: Hätte Alabamas letzter Touchdown zum 31:28 etwas mehr als zwei Minuten vor Spielende das Finale zugunsten des Rekordmeisters entschieden, wären Endspielsieg und geglückte Titelverteidigung völlig verdient gewesen. Vor allem mit Blick auf die gesamte Saisonleistung beider Teams hätte ein weiterer Titelgewinn durch Alabama, es wäre der fünfte innerhalb der letzten acht Spielzeiten gewesen, "gepasst". Während der Titelverteidiger souverän ins Finale marschiert war, hatte Clemson in der Regular Season einige Male eine gehörige Portion Glück gehabt und hätte mehr als nur das Spiel gegen Pittsburgh (42:43) verlieren können. Aber so ist das nunmal mit KO-Spielen: In denen zählt nicht, was man in den Monaten zuvor geleistet hat, sondern nur die Leistung in diesem Spiel. Die war bei Alabama auch an diesem Abend gut genug, um als Sieger vom Platz zu gehen. 221 Rushing Yards mit 6,5 Yards pro Lauf, keine Ballverluste, dafür zwei Ballverluste des Gegners verursacht, von denen einer Ausgangspunkt des Angriffs zum 17:7 war, zudem im zweiten Viertel mit 14:0 und am Ende des dritten Viertels mit 24:14 geführt - normalerweise verliert Alabama bei solchen Zahlen nicht. Unter der Führung von Head Coach Nick Saban hatte Alabama noch nie verloren, wenn es mit einer zweistelligen Führung ins vierte Viertel gegangen war.

Dieses Mal aber war der Gegner einen Tick besser. Ausschlaggebend dafür waren zwei Dinge: Zum einen hatte Clemson mit Deshaun Watson den erfahreneren Mann auf der Quarterback-Position und der zeigte im wichtigsten Spiel der Saison seine, wenn man alle Faktoren zusammen nimmt, beste Leistung in dieser Spielzeit, auch wenn er in der einen oder anderen statistischen Kategorie in anderen Spielen besser war. Dass das ausgerechnet gegen die Top-Defense dieser Saison so kommen würde, konnte man nicht unbedingt erwarten. Watson war die ganze Spielzeit über immer eine Art Grenzgänger zwischen Brillianz und Durchschnittlichkeit. Das Quarterback Rating war das schwächste seiner drei College-Jahre, und negativ auffällig war vor allem die hohe Anzahl von Ballverlusten, die auf sein Konto gingen (17 Interceptions, zwei Fumbles). Nur einer der 109 für die NCAA-Pass-Statistik qualifizierten Quarterbacks, Purdues David Blough, leistete sich noch mehr Interceptions (21) als Watson. So manches Mal rettete Watson mit seinen "Heroics" sein Team aus brenzligen Situationen, die er mit seinen Fehlern erst mitverschuldet hatte. Und so wurde es in der Regular Season, abgesehen von der schon erwähnten 42:43-Niederlage gegen Pittsburgh, bei der seinen 580 Pass-Yards und drei Touchdown-Pässen drei Interceptions gegenüber standen, von denen zwei zu Touchdowns des Gegners führten, noch einige weitere Male richtig eng für die Tigers: beim schmeichelhften 42:36 gegen Louisville (drei Interceptions und ein Fumble, die drei Touchdowns zur Folge hatten), beim 24:17 nach Verlängerung gegen North Carolina State (gegnerischer Interception Return zum Touchdown) und beim 37:34 bei Florida State (zwei Interceptions, die beide zu Touchdowns führten).

Gegen Alabama sah man einen in diesem Punkt ganz anderen Deshaun Watson. Er blieb ohne Interception und sein Fumble im ersten Viertel (Ballbesitz Alabama an Clemsons 35-Yard-Linie) blieb folgenlos, weil die Abwehr hielt und den Favoriten nach drei erfolglosen Spielzügen (minus sieben Yards) zum Punt zwang. Mehr noch, als sein Team kurz vor Ende des dritten Viertels mit dem Rücken zur Wand stand, bewies er große Nervenstärke und riss das Spiel komplett an sich. Beim Angriff zum 21:24 (neun Spielzüge) holte er mit fünf Pässen und einem Lauf 62 der 72 Yards, auf dem Weg zum 28:24 gingen gar 87 der 88 Yards auf sein Konto (vier Pässe und ein Lauf bei nur sechs Spielzügen), und beim spielentscheidenden "Drive" brachten seine Pässe 52 der 68 Yards, drei neue First Downs und zur Krönung dann noch den Touchdown zum Sieg. "Ich war ganz ruhig. Keiner bei uns geriet in Panik. Ich ging zu meiner Offensive Line, zum meinen Receivern und sagte: Let’s be great", beschrieb Watson später die Situation an der Seitenlinie der Tigers nach dem erneuten Rückstand (28:31). Das alles wäre so wohl nicht gekommen ohne den zweiten entscheidenden Faktor: die Leistung von Clemsons Offensive Line. Die behauptete sich gegen die besten "Front Seven" im College Football und machte Watsons starke Leistung erst möglich.

Dazu kamen ein paar Fehler des Titelverteidigers, die sich in der Summe am Ende rächten. Im dritten Viertel trug zunächst eine False-Start-Strafe im ersten Versuch dazu bei, dass Alabama nach einem Fumble von RB Wayne Gallman und First Down an Clemsons 16-Yard-Linie nur ein kurzes Field Goal zum 17:7 schaffte. Ein paar Minuten später verhalf ein zu kurzer Punt von JK Scott (30 Yards) Clemson zu einem First Down an Alabamas 42-Yard-Linie - eine unverhofft günstige Ausgangsposition, die die Tigers vier Spielzüge später zum Anschluss-Touchdown (14:17) nutzten. Und bei den drei Angriffen zu Touchdowns der Tigers im vierten Viertel kassierte Alabama zwei Pass-Interference-Strafen und eine wegen Unsportlichkeit, die jede für sich nicht spielentscheidend waren, aber Clemson insgesamt 37 Yards brachten, die es gegen Alabamas Defense nicht selbst erkämpfen musste. "Sehen Sie, in einem Spiel macht nicht ein einziger Spielzug den Unterschied aus. Wir hätten Vieles viel besser machen können", sagte Nick Saban dazu.

Vielleicht war das ein dritter Faktor, der entscheidend war für den Ausgang des Spiels: dass Clemson dieses Mal im Kopf etwas besser gerüstet war. Beim Endspiel-Duell dieser beiden Teams zwölf Monate zuvor (45:40-Sieg für Alabama) hätte Clemson auch schon als Sieger vom Platz gehen können, aber damals waren es die Tigers, die in einer engen Partie mit wenig Spielraum für Fehler Chancen ausließen (vergebener Field-Goal-Versuch am Ender ersten Halbzeit) und den einen oder anderen Fehler zu viel machten (u.a. führte der einzige Ballverlust, eine Interception von Watson, zu einem Touchdown für Alabama). Seit damals hatte sich das Team darauf eingeschworen, 2016 ins Finale zurückzukehren und es dann besser zu machen. Deshalb war der Ausgang des diesjährigen Endspiels für Clemsons Head Coach Dabo Swinney, der 1992 als Spieler mit Alabama die National Championship gewonnen hatte, eigentlich folgerichtig. "Nennen Sie das nicht Überraschungssieg. Wir hatten erwartet, dieses Spiel zu gewinnen", so Swinney. Eine solche Aussage klingt nach einem Erfolg immer ein wenig kokett, aber einem frisch gekürten Meister, der die College-Football-Geschichte gerade um eines der besten Endspiele aller Zeiten bereichert hat, lässt man das schon mal durchgehen.

Hoch - 15.01.2017

Clemson Tigers

Clemson Tigers (© Getty Images)

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