Bilanz 2015: Saban überstrahlt alles

Head Coach Nick Saban gewann seinen vierten Titel mit Alabama.Der Meister ist gekürt, und bevor der Blick in den kommenden Wochen mit dem Fokus auf die Themen Recruiting und Spring Practice gleich wieder nach vorn geht, darf man ruhig noch mal ein bisschen zurückschauen auf die Saison 2015. National Champion wurde einer der in den letzten Jahren üblichen Verdächtigen: Alabama - zum vierten Mal innerhalb von sieben Spielzeiten. Das freut Spieler, Coaches und Fans des Teams, ebenso all jene, die den College Football gern in Epochen und so genannte Dynastien einteilen. Nach zwei Jahren ohne Titelgewinn sahen viele schon das Ende von Alabamas Erfolgswelle der letzten Jahre unter der Führung von Head Coach Nick Saban gekommen, und einige fragten gar, ob die Erfolge der Jahre seit 2009 überhaupt schon ausreichen, um von einer Dynastie zu sprechen. Am dritten September-Wochenende fühlten sich die Zweifler dann endgültig bestätigt, als Alabama auf eigenem Platz gegen Mississippi verlor. Heute weiß man, dass die Abgesänge zu früh angestimmt wurden. Alabama verlor danach kein Spiel mehr, holte sich einen weiteren Conference-Titel, demütigte im nationalen Halbfinale Big Ten Champion Michigan State mit 38:0 und zeigte beim 45:40 im Finale gegen Clemson, dass man auch dann bestehen kann, wenn die Abwehr, das Rückgrat der Erfolge in den letzten Jahren, doch mal auf eine Offensive stößt, die sie nicht in den Griff bekommt. Und so muss man davon ausgehen, dass Alabama vorerst weiterhin jedes Jahr zum Kreis der unmittelbaren Titelanwärter gehören wird.

Natürlich bot auch die Saison 2015 eine Reihe von Überraschungen. Dass Clemson, das sich über viele Jahre den Ruf eingehandelt hatte, sein vorhandenes Potenzial regelmäßig nicht auszuschöpfen, ausgerechnet in einem Jahr besonders großen personellen Umbruchs ins National Championship Game vorstieß und das beste Saisonergebnis seit dem Titelgewinn von 1981 erreichte, gehört auf jeden Fall dazu. Ebenso, dass der Titelverteidiger, Ohio State, der angesichts der Fülle an Ausnahmeathleten im Kader vor der Saison als kaum schlagbar gesehen wurde, gar nicht erst zu einer wirklichen Chance zur Verteidigung des Titels kam. Die Buckeyes verloren zwar erneut nur ein Spiel, aber anders als im Meisterjahr 2014, als man früh und gegen ein Team von außerhalb der eigenen Conference verlor (Virginia Tech), konnte man die eine Niederlage dieses Mal nicht mehr kompensieren. Ohio State verlor kurz vor Ende der Regular Season gegen einen direkten Konkurrenten aus der selben Division der eigenen Conference (Michigan State), verpasste dadurch den Einzug in das Conference Championship Game, und weil man ohne Conference-Titel praktisch keine Chance auf das Erreichen eines der vier Plätze in den nationalen Playoffs hat, war der Meister von 2014 schon Ende November de facto entthront.

Die Gewinner der Saison

Allen voran Alabamas Head Coach Nick Saban. Für die einen ist er ein Verbissener bei seiner freudlosen Jagd nach Perfektion, für die anderen schlicht der beste College Head Coach aller Zeiten. Ersteres ist wohl eher eine Frage des persönlichen Geschmacks, letzteres nur noch schwer zu bestreiten. Vier National Championships in den letzten sieben Spielzeiten mit Alabama, dazu eine weitere 2003 als Head Coach mit LSU - eine unglaubliche Quote. Besonders bemerkenswert: Saban braucht keine Ausnahme-Quarterbacks wie Cameron Newton, Jameis Winston oder Tim Tebow und steckt problemlos selbst größte personelle Verluste weg. Sein Credo der absoluten Konzentration auf die gerade anstehende Aufgabe, das in dem Slogan „Win the day“ inzwischen zum verbalen Standardrepertoire eines jeden Coaches geworden ist, plus die Fähigkeit, Jahr für Jahr einen der besten Nachwuchsjahrgänge nach Tuscaloosa zu holen, sind der Schlüssel des Erfolges. Nur einmal, 2010, im Jahr nach seinem ersten Titelgewinn mit Alabama, hatte es einen Bruch gegeben. Damals verlor das Team insgesamt drei Regular-Season-Spiele und hatte vorzeitig nichts mehr mit dem Kampf um die Plätze im National Championship Game zu tun. Damals hatten die Spieler Sabans Philosophie noch nicht voll verinnerlicht und die Zügel schleifen lassen. „Zeitweise wollten sich unsere Spieler nicht mal coachen lassen. Die ganze Disziplin im Team ließ zu wünschen übrig“, hatte Saban 2011 im Rückblick auf 2010 mal gesagt. Und auch das: „Wie gut die Spieler selbst sein wollen, wird wesentlich darüber entscheiden, was für eine Mannschaft wir haben werden“. Rückblickend wurde erst da, in den Monaten zwischen den Spielzeiten 2010 und 2011, der Grundstein für die Dynastie unter Saban gelegt. Es folgten die Titelgewinne 2011 und 2012, und ohne eine krude Jahrhundertaktion am Ende des letzten Regular-Season-Spiels gegen den Lokalrivalen Auburn Ende November 2013 hätte Alabama wohl auch in der Saison zumindest erst mal im Finale gestanden.

Michigan und Head Coach Jim Harbaugh. Nach den Fehlgriffen mit Rich Rodriguez und Brady Hoke in den Jahren 2008 bis 2014 landete Michigan mit dem Anheuern von Harbaugh einen Volltreffer. Als ehemaliger Quarterback der Wolverines wurde er von der „Fan Base“ mit offenen Armen empfangen. Und dass er zuvor Stanford in der Pac Ten Conference vom Mitläufer zum Spitzenteam umformte und anschließend in der NFL die San Francisco 49ers bis in den Super Bowl führte, schürt einerseits zwar hohe Erwartungen, gibt ihm andererseits aber auch einigen Spielraum. Letzteren braucht er vielleicht gar nicht. In seiner ersten Saison holte er mit einem Kader mit nur wenigen wirklich hochkarätigen Spielern zehn Siege, vor allem dank einer spürbaren Steigerung im Passspiel. Die drei Niederlagen gab es gegen Top-25-Teams (Utah, Michigan State, Ohio State).

Die größten Überraschungen

Iowa - Die Hawkeyes verzückten die Zuschauer nur selten mit spektakulären Aktionen, profitierten auch ein wenig von der Schwäche der West Division der Big Ten Conference und bekamen am Ende der Saison, vor allem im Rose Bowl gegen Stanford (16:45), die Grenzen aufgezeigt, aber eine 12-0-Bilanz in den Punktspielen, drei Siege gegen Teams mit positiver Abschlussbilanz (Northwestern, Wisconsin, Pittsburgh) und die knappe Niederlage gegen Michigan State im Big Ten Championship Game (13:16) zeigen, dass sich das Team nicht nur mit Hilfe eines leichten Programms so weit nach vorn gespielt hat. Eine starke Abwehr und eine gute Turnover-Bilanz (+11) waren die Grundlage für den Erfolg.

North Carolina - Die Tar Heels spielten ihre beste Saison seit 1997, als sie die Saison als Sechster der AP Top 25 beendeten, und erreichten zum ersten Mal das ACC Championship Game. Erwartet hatte das niemand, vor allem, weil man nicht glaubte, dass sich die 2014 desolate Abwehr entscheidend steigern würde. Letzteres war dann auch so (nur geringfügige Steigerung), aber der Angriff mauserte sich mit zunehmender Saisondauer zu einem der produktivsten in der FBS. Gegen Top-Gegner wie Clemson und Baylor reichten die durchschnittlich knapp 41 erzielten Punkte pro Spiel zwar nicht, aber für die Mehrzahl der anderen Gegner war North Carolinas Offensive nicht in Schach zu halten.

Washington State - Es dauerte zwar länger als erhofft, aber im vierten Jahr unter Head Coach Mike Leach platzte der Knoten, auch, weil er mit Spielern wie dem jungen QB Luke Falk oder WR Gabe Marks das richtige Personal für sein Angriffssystem zur Verfügung hat. Das Ergebnis ist die erste positive Abschlussbilanz und der erste Bowl-Sieg seit 2003. Highlights waren die Siege bei Oregon und UCLA, und auch die unglückliche Heimniederlage gegen Stanford (28:30) zeigte, dass das Team, das unter Leachs Vorgänger Paul Wulff zu einem der schwächsten in den Power Five Conferences verkommen war, in der Pac-12 Conference wieder mithalten kann.

Florida - Die drei Niederlagen am Saisonende gegen Florida State, Alabama und Michigan, bei denen die Gators wegen ihrer Angriffsschwäche chancenlos waren, trüben den Gesamteindruck und überschatten das Positive. Zehn Siege, Erfolge unter anderem gegen Georgia, Tennessee und Alabama-Bezwinger Mississippi, souveräner Gewinn der East Division der SEC - mit Head Coach Jim McElwain, einem ehemaligen Assistant Coach von Alabamas Head Coach Nick Saban, sind die Gators auf dem richtigen Weg.

Und was macht Notre Dame?

Als Head Coach Brian Kelly den Posten bei den Fighting Irish nach der Saison 2009 übernahm, erwarteten viele, dass der seit geraumer Zeit schlafende Riese aus South Bend unter seiner Führung wieder konstant in der Spitze mitmischen würde. Gemessen an den Erwartungen fällt die Bilanz eher ernüchternd aus. Nur einmal in sechs Jahren unter Kelly (Gesamt-Bilanz: 55-23) spielte Notre Dame tatsächlich um den Titel mit. 2012 gewann man alle zwölf Regular-Season-Spiele, ging dann aber im National Championship Game sang- und klanglos gegen Alabama unter (14:42). Die Saison 2015 war irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Bilanz von 10-3 war nicht schlecht und überhaupt erst die zweite unter Kelly mit mindestens zehn Siegen, und die drei Niederlagen (zwei davon mit nur jeweils zwei Punkten Differenz) kassierte man gegen den Zweiten, Dritten und Vierten der abschließenden AP und Coaches Top 25s (Clemson, Stanford und Ohio State), aber so richtig drin war man im Kampf um die Playoff-Plätze eigentlich nie. Auch statistisch fällt, abgesehen von der schlechten Turnover-Bilanz (-6), nichts auf. Aber vielleicht ist das das Hauptproblem: Keine Rausreißer nach unten, aber auch keine nach oben. Gehobener Durchschnitt, könnte man sagen. Das reicht aber nicht für Playoff-Teilnahme und Titelgewinn.

Hoch - 17.01.2016

Head Coach Nick Saban gewann seinen vierten Titel mit Alabama.

Head Coach Nick Saban gewann seinen vierten Titel mit Alabama. (© Getty Images)

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