Höhenflüge und Freier Fall

Tyler Johnstone #64 (Oregon Ducks)Nach gerade mal einem Viertel der Saison ist das Feld der vor der Saison ausgeguckten Top-Teams schon ordentlich ausgedünnt. Mehr als ein Drittel der Teams, die in den Preseason Top 25 der Journalisten und der Coaches platziert waren, sind inzwischen nicht mehr dabei, und vier der in Sachen Playoffs am höchsten gehandelten Teams haben bereits mindestens einmal verloren. Der Frust der betroffenen Teams kann zur Lust für die Fans werden, weil so der Weg frei wird für Überraschungsteams, die immer das Salz in der Suppe einer Spielzeit sind. Aktuell sind das Teams wie Mississippi und Texas A & M in der SEC, Northwestern in der Big Ten oder Utah in der Pac-12. Natürlich müssen diese Teams plus ein paar andere unerwartet forsch gestartete Mannschaften (z.B. California, Florida, Duke oder Kentucky) in den kommenden Wochen erst noch zeigen, ob sie das Zeug dazu haben, die bislang gezeigten Leistungen über die gesamte Saison zu bringen, aber die Abwechslung tut erst einmal gut.

Zwei Teams werden das - um mal mit dem Negativen zu beginnen - gewiss ganz anders sehen. Die Verlierer der Endspiele der letzten beiden Spielzeiten, Auburn (2013) und Oregon (2014), die beide als Top-Ten-Teams und Playoff-Kandidaten in die Saison gegangen waren, sind nach den Niederlagen vom Samstag vorzeitig aus dem Rennen. Beide verloren bereits zum zweiten Mal, Auburn auf eigenem Platz gegen Mississippi State mit 9:17 und Oregon, ebenfalls vor eigenem Publikum, mit 20:62 gegen Utah. Die Situation bei Tigers und Ducks zeigt Parallelen. Die Kader sind gespickt mit einer Fülle von Top-Talenten, aber der Abgang einer Vielzahl von wichtigen Spielern schwächt die Teams doch mehr als erwartet. Beide haben vor allem Probleme auf der Quarterback-Position. Die beiden neuen Angriffsführer, Vernon Adams bei Oregon und Jeremy Johnson bei Auburn, überzeugten in den ersten Spielen nicht und wurden durch ihre ersten Ersatzmänner, Jeff Lockie und Sean White, abgelöst, die es aber auch nicht besser machten.

Die Folge ist ein deutlich geringerer offensiver Output als in den letzten Jahren und das ist fatal, weil bei beiden Teams die offensive Feuerkraft die Grundlage der Erfolge in den letzten Spielzeiten war. Zumindest bei Oregon sieht man den Zusammenhang zwischen den vielen Abgängen und der aktuellen Leistung. „Es ist hundertprozentig richtig, dass wir nicht mehr das Team sind, das wir waren. Einige Spieler sind abgegangen, andere nachgerückt. Wir haben alle Zutaten, um wieder die Mannschaft zu werden, die wir (in den letzten Jahre) waren, aber das haben wir heute Abend nicht gezeigt. Wir müssen noch viel lernen“, sagte OT Tyler Johnstone zu den Folgen des Verlusts einiger Leistungsträger nach der letzten Saison. Bei Auburn sieht man die Probleme eher in der Ausführung der Spielzüge. Head Coach Gus Malzahn wiederholte nach der Pleite gegen Mississippi State mehrfach, dass sein Team im Verlauf der Saison besser werden würde und verwies darauf, dass man schließlich genug Chancen gehabt hätte, die Bulldogs zu schlagen. Der letzte Punkt stimmt. Die Tigers erreichten viermal die letzten zehn Yards vor der Endzone des Gegners. Heraus kamen dabei zwei Field Goals, ein vergebener Field-Goal-Versuch und eine Interception - zu wenig selbst für ein Team, das nicht zur Spitze der eigenen Conference gehört. Und weil Auburn inzwischen sechs seiner letzten sieben Spiele gegen FBS-Teams und die letzten sechs Spiele in der eigenen Conference verloren hat, wird Malzahn von Kritikern schonmal vorgehalten, dass die aktuelle Schwächephase nicht nur die Folge einer mangelhaften Chancenverwertung ist.

Die Schächen des Gegners sollen aber nicht die Leistung der Sieger in diesen beiden Spielen schmälern. Vor allem bei Utah beeindruckte, wie das Team die Gunst der Stunde nutzte, und auch gegen eine Abwehr im personellen Umbruch muss man seine offensive Marschroute erst einmal so konsequent umsetzen, wie es die Utes in Eugene getan haben. „Das ist ein sehr gutes und sehr erfahrenes Team, und wir müssen von ihnen in Sachen Ausnutzen von sich bietenden Möglichkeiten lernen. Zum Beispiel haben sie gezielt einige unserer jungen Spieler ins Visier genommen“, lobte Oregons Head Coach Mark Helfrich Utahs Vorstellung. Und auch Utahs Head Coach Kyle Whittingham war voll des Lobes für seine Mannschaft. „Wir haben in allen Bereichen gut gespielt. Jeder war heute Abend voll da, und unseres Coaches haben großartige Arbeit in der Vorbereitung geleistet und dabei, unsere taktische Marschroute festzulegen. Wir haben im Vorfeld daüber gesprochen, hart und physisch robust zu spielen, was ohnehin unsere Art von Football ist, aber wenn gute Vorbereitung und Härte und physische Robustheit zusammenkommen, dann ist das Ergebnis das, was wir heute Abend gesehen haben.“

Mit dem Sieg bei Oregon rückt Utah vorerst in den Kreis der ernstznehmenden Kandidaten auf den Gewinn der Championship in der Pac-12 Conference auf - mit der Tendenz zu mehr. Der Weg dorthin ist natürlich noch weit und er ist steinig. In der Pac-12 mit ihrer großen Leistungsdichte kommt selbst der spätere Conference Champion nur selten ohne eine Niederlage durch die Saison. Utah hat noch ein Auswärtsspiel bei USC sowie Heimspiele gegen UCLA und das offenbar wiedererstarkte California vor sich, und auch die Spiele gegen die am Samstag so enttäuschenden Teams von Arizona und Arizona State gewinnt man nicht im Vorbeigehen. Allerdings scheint Utah die positive Entwicklung der letzten Jahre fortführen zu können und in der Lage zu sein, den oft zitierten „nächsten Schritt“ zu machen. Als die Utes zur Saison 2011 von der Mountain West Conference in die Pac-12 wechselten, hatten viele Beobachter erwartet, dass sie einige Jahre brauchen würden, um sich an das höhere Niveau anzupassen. Das Team schlug sich aber von Beginn an besser als erwartet, gewann in den ersten vier Jahren seit dem Conference-Wechsel mehr als die Hälfte seiner Spiele (28 von 50) und überraschte mit Siegen gegen die renommierten Teams der Pac-12 wie Stanford, USC und UCLA. Das beste Team der letzten Jahre in der Pac-12, Oregon, war damals noch eine Nummer zu groß, und das harte Programm in der Conference führte immer wieder zu Niederlagen, die zeigten, dass der Kader noch nicht gut genug war für das Ziel Conference-Titel. Der Sieg am Samstag deutet an, dass das in diesem Jahr anders sein könnte. Dennoch bleibt man auf dem Teppich. „Das ist ein großartiger Erfolg für unser Team und ein großer Schritt vorwärts für unsere Offense. Gegen ein Team wie Oregon so viele Punkte zu erzielen, ist ohne Beispiel. Ich bin wirklich glücklich über unsere Vorstellung, und es ist gewiss ein guter Start in das Conference-Programm, aber wir haben noch einige Dinge zu korrigieren und es liegen noch einige große Herausforderungen vor uns“, sagte QB Travis Wilson zur Bedeutung dieses Sieges.

Utah, das mit dem Sieg unter die ersten Zehn der AP Top 25 kletterte, ist erst am übernächsten Wochenende wieder im Einsatz, gegen California, das am Samstag bei Washington gewann (30:24) und auch noch ohne Niederlage ist. Am kommenden Samstag werden die Spiele in der SEC im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die Top-Partie ist dabei Georgias Heimspiel gegen Alabama. Georgia ist bislang noch nicht wirklich gefordert worden, Alabama darf nach der Heimniederlage gegen Mississippi am vorletzten Spieltag im Grunde nicht mehr verlieren, wenn es im Rennen um die Playoff-Plätze bleiben will. Beide Teams mussten nach der letzten Saison ihren Stamm-Quarterback ersetzen und dieser Wechsel auf der wichtigsten Position im Angriff lief bis jetzt bei Georgia besser als bei Alabama. Ein weiteres Plus für Georgia ist das starke Laufspiel. Allerdings steht den Bulldogs zum ersten Mal in dieser Saison eine richtig starke Abwehr gegenüber. Das Team, das Alabama die erste Niederlage beigebracht hatte, Mississippi, spielt am Samstag bei Florida. Die Rebels überzeugten gegen Vanderbilt nicht. Florida ist auch noch ungeschlagen, abwehrstark und in der Offensive gegenüber den letzten Spielzeiten etwas verbessert. Aber reicht das schon gegen ein Team, das bei Alabama gewinnen konnte?

Gespannt sein darf man auch auf die Partien Baylor gegen Texas Tech in der Big Twelve und Clemson aus der ACC gegen Notre Dame. Texas Tech hatte am Samstag TCU am Rande einer Niederlage (die Horned Frogs gewannen knapp und glücklch mit 55:52). Die Frage ist, ob Texas Tech in Sachen Offensivkraft tatsächlich auf einem Niveau mit TCU und Baylor liegt, oder ob die vielen Punkte eine Folge der zahlreichen personellen Ausfälle in TCUs Abwehr zu verdanken waren. Baylor ist aber auf jeden Fall gewarnt. Clemson liegt in den Top 25 kurz hinter den Top Ten - eine vielleicht zu hohe Wertschätzung für ein Team, das bislang noch nicht ernsthaft gefordert wurde und das man nach dem massiven personellen Umbau nach der letzten Saison noch gar nicht richtig einschätzen kann. Notre Dame würde bei einem Sieg einen weiteren Schritt Richtung Playoffs machen. Nach dieser Partie stehen eigentlich nur noch zwei schwere Spiele auf dem Programm, am 17. Oktober gegen USC und am 28. November bei Stanford. Für Beide also ein Spiel, das die Weichen für den weiteren Saisonverlauf stellen kann.

Hoch - 28.09.2015

Tyler Johnstone #64 (Oregon Ducks)

Tyler Johnstone #64 (Oregon Ducks) (© Getty Images)

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