Buckeyes machen viele glücklich

Das Fazit der Saison 2014 fiel in den diversen Kommentaren durchweg positiv aus: Die erstmals ausgetragenen Playoffs in der FBS waren ein voller Erfolg, das Playoff Selection Committee hat mit der Entscheidung, Ohio State den vierten Platz in den Playoffs zu geben und nicht TCU, goldrichtig gelegen, und ein Kommentator erklärte die Spielzeit kurzerhand zur „most exciting season“ in der Geschichte des College Footballs. Letzteres ist dann wohl doch ein bisschen zu dick aufgetragen, und an den Playoffs, genauer der Art, wie das Teilnehmerfeld ermittelt wird, gibt es genug zu kritisieren. Treffender ist da ein anderes Urteil. Ein US-Journalist schrieb, dass die Saison 2014 dem College Football den wahrsten Champion seiner Geschichte beschehrt habe. Dem kann man schon deshalb zustimmen, weil zum ersten Mal vier Teams in zwei Halbfinals mit ihrer Leistung auf dem Platz über die Besetzung des Endspiels entschieden und nicht Experten- und Coaches-Umfragen in Kombination mit wenig transparenten Computer-Ranglisten. Damit hat der National Champion von 2014 eine größere Legitimation als all seine Vorgänger.

Auf dem Platz hat der Nachfolger von Florida State keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass der neue Meister ein würdiger ist. Erster National Champion der neuen Zeitrechnung ist Ohio State, das im National Championship Game in Arlington (bei Dallas) Oregon mit 42:20 schlug - deutlicher als erwartet, aber keinesfalls überraschend. Dass der 42:35-Erfolg der Buckeyes im dieses Mal als Halbfinale fungierenden Sugar Bowl gegen Rekordmeister Alabama vielen als Überraschung galt, war noch verständlich, schließlich hätten sich vor dem Spiel nur wenige vorstellen können, dass Ohio States Angriff gegen Alabamas Abwehr über 280 Rushing Yards und vor allem knapp sieben Yards pro Lauf holen kann. Dass die Wettprofis in Las Vegas für das Finale aber den Sieger des anderen Halbfinales, Oregon, das im Rose Bowl Titelverteidiger Florida State mit 59:20 besiegt hatte, zum Favoriten ausriefen, war dann schon erstaunlich. Angesichts dessen, was Ohio States Angriff mit Alabamas Abwehr und zuvor Anfang Dezember im Big Ten Championship Game mit der Abwehr von Wisconsin gemacht hatte, konnte man erahnen, was auf die Abwehr von Oregon, die statistisch deutlich schlechter war als die Defensiv-Formationen von Alabama und Wisconsin, zukommen würde und dass das wahrscheinlich der Schlüssel zum Ausgang des Spiels sein würde.

Gewiss, niemand prophezeit für ein Finale einen Sieg mit 22 Punkten Differenz, aber die Vorteile lagen doch von vornherein auf Seiten von Ohio State – abgesehen nur von der Quarterback-Position, auf der dem aktuellen Heisman-Trophy-Gewinner Marcus Mariota ein unerfahrener Mann in seinem dritten Spiel in der Stammformation gegenüber stand. Während Ohio States Defensive Line als stark genug galt, um sich gegen die gute Offensive Line von Oregon zu behaupten, durfte man erwarten, dass Oregons „Front Seven“ mit der körperlich kräftigeren Offensive Line der Buckeyes Probleme bekommen würde. Beides trat dann so auch ein. Oregon blieb in der Offensive sogar noch deutlicher hinter seinem gewohnten Output zurück als man es hätte erwarten dürfen, sah vor allem in Third-Down-Situationen ganz schlecht aus. „Third Downs waren ein wichtiger Faktor und das lag zum Teil daran, dass wir bei First und Second Downs nicht gut waren und so einige Male bei Third Downs viele Yards brauchten - eine Situation, in die man gegen eine Defense wie ihre nicht kommen will“, so Oregons Head Coach Mark Helfrich. In die andere Richtung diktierte Ohio State mit seinem starken Laufspiel das Geschehen an der Line of Scrimmage. Am Ende war Ohio State 15 Minuten mehr in Ballbesitz, und auch wenn man bei Oregon der Ansicht ist, dass der Faktor Time of Possession oft überbewertet wird, eine so große Differenz ist auf dem hohen Niveau eines Finales kaum zu überstehen.

Chancenlos war Oregon bei diesem Verlauf trotzdem nicht. Die Ducks hatten mit dem ersten Ball besitz der Partie das 7:0 vorgelegt, und in der ersten Hälfte des dritten Viertels kamen sie nach einem 10:21-Halbzeitrückstand bis auf 20:21 heran, weil Ohio States unerfahrener QB Cardale Jones zweimal patzte - zunächst mit einer Interception beim ersten Ballbesitz nach der Pause, dann mit einem Fumble bei einem Quarterback Sack beim zweiten Ballbesitz. Ohne solche Schützenhilfe stand Oregon aber auf verlorenem Posten. Im Anschluss an das 20:21 marschierte Ohio State in zwölf Spielzügen, acht davon Läufe, unaufhaltsam zum vierten Touchdown (28:20) und nach einem nur kurzen Auftritt des Angriffs der Ducks in neun Spielzügen, sieben davon Läufe, zum fünften (35:20). Oregon war danach noch dreimal für zusammen vier Minuten und vier Sekunden in Ballbesitz, schaffte aber keinen nennenswerten Raumgewinn mehr und fing sich eine halbe Minute vor Spielende sogar noch einen Touchdown ein. Es war letztlich ein Duell der Systeme, bei dem sich die konservativere Spielanlage gegen die vermeintlich modernere durchsetzte. Oregon setzt in der Offensive auf Tempo, vor allem zwischen den Spielzügen, um die Gegner zu ermüden. Im Regular-Season-Alltag geht diese Rechnung meist auf, gegen Ohio State ging sie es nicht. Stattdessen laugten die Buckeyes mit ihrem deutlichen Vorteil beim Ballbesitz die Abwehr der Ducks aus. „Das war die große Herausforderung seit wir nach dem Alabama-Spiel herausfanden, dass wir gegen Oregon spielen würden: ob wir irgendwie den Faktor Ermüdung vermeiden können und das Spiel zu einem Spiel von Blocken und Tackeln machen können, damit wir das Spiel gewinnen können. Und offensichtlich schafften sie (die Spieler) das“, sagte Urban Meyer zu diesem Aspekt des Spiels.

Für Ohio State ist es der sechste Titelgewinn und der ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass das Team innerhalb von drei Monaten zweimal seinen Stamm-Quarterback durch Verletzungen verlor - und danach jedes Mal besser war als zuvor. „Das wird als eines der großen Kapitel in die Geschichte des College Footballs eingehen“, schwärmte Meyer nach dem Endspielsieg. Damit liegt Meyer gewiss richtig. Der Saisonverlauf seines Teams bietet mit der Quarterback-Situation und dem Umstand, dass die Mannschaft bei der Playoff-Premiere beinahe gar nicht dabei gewesen wäre, genug Stoff für Legendenbildung. Der zweite Punkt ist denn auch der einzige Makel an der schönen Geschichte: Weil auch die Vergabe der Playoff-Plätze, so wie in den 16 Jahren zuvor die der Plätze im Endspiel, nicht nach objektiven Kriterien erfolgt sondern über die Wahl durch ein zwölfköpfiges Selection Committee nach dem Prinzip der Schönheitskonkurrenz, bekamen die Buckeyes einen Platz in den Playoffs, der gemessen an der Saison-Gesamtleistung am Ende der Regular Season eher an TCU hätte gehen sollen. Das ist natürlich nicht ihre Schuld. Die Buckeyes machten das Beste aus der Chance, die sie bekamen, und weil sie mit ihren Leistungen in den beiden Playoff-Spielen untermauerten, dass sie am Ende der Saison das beste Team im College Football waren, wird das kontroverse Votum des Selection Committees vom 7. Dezember keine großen Wellen mehr schlagen.

Ärgerlich bleibt trotzdem, wie an diesem Entscheidungsprozess Beteiligte und viele Kommentatoren in den Medien damit umgingen. Ohio States Erfolg wird kurzerhand als Bestätigung dafür gesehen, dass alles gut und richtig gelaufen sei. Ein Kommentator etwa beschrieb den Geist des Selection Committees als „a willingness to evaluate teams beyond their wins and losses“. Bill Hancock, der Direktor des Konstrukts College Football Play, der die gleiche Position schon beim umstrittenen und verhassten Vorläufer BCS bekleidet hatte, schlug in die gleiche Kerbe. „Mit diesem System konnte das Committee bei der Bewertung der Teams tiefer gehen. Wenn du gewinnst, steigst du (im Ranking) auf, wenn du verlierst, steigst du ab - für das Committee war das so nicht und das ist genau das, was wir erreichen wollten“, sagte er. Und Jeff Long, der Vorsitzende des Selection Committees, sprach davon, dass „competent humans with backgrounds who have the ability to discern between two very close teams” besser geeignet gewesen seien, zu erkennen, dass Ohio State am Ende der Regular Season eines der besten Teams war, als Computer-Ranglisten oder andere Menschen (gemeint ist wohl das gemeine Football-Volk), die die Spiele angeblich nicht so detailliert analysieren können wie die Mitglieder des Selection Committees.

Zitate wie diese könnte man jetzt noch einige bringen, und im Grunde muss man Männern wie Hancock und Long ebenso wie jenen Medienvertretern, die das neue Playoff-System „abfeiern“, für ihre Statements sogar dankbar sein, weil sie den Finger ungewollt noch mal richtig in die Wunde legen. „Evaluate teams beyond their wins and losses“, was soll das sein? Und seit wann haben Siege und Niederlagen keine Auswirkung mehr auf die Platzierung eines Teams? In ernstzunehmenden Wettkampfsportarten müssen über den Zugang zu Playoffs oder – bei Jeder-gegen-Jeden-Formaten – den Gewinn des Titels objektive Kriterien wie Punkte, Tore, Touchdowns, Körbe etc. entscheiden, nicht die persönlichen Meinungen einiger weniger Einzelpersonen, ganz gleich, wie angesehen und kompetent diese auch sind. In Ligen wie der NFL, der NBA, der Fußball-Bundesliga oder auch großen Turnieren wie der Fußball-Weltmeisterschaft fragt schließlich auch niemand danach, wie Siege und Niederlagen zustandegekommen sind oder ob Team A trotz Niederlage eigentlich besser war als Team B beziehungsweise umgekehrt. Was zählt, ist nur das Ergebnis am Ende des Wettkampfs und am Ende einer Spielzeit Sieg-Niederlagen-Bilanz, Punkteanzahl, Tabellenposition. Von dieser Selbstverständlichkeit ist der College Football aber auch im Jahr 2015 immer noch weit entfernt.

Hoch - 20.01.2015

(© Ohio State University)

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