Mariota ein würdiger MVP

Die Bekanntgabe der Wahl des diesjährigen Heisman-Trophy-Gewinners in der Nacht von Samstag zu Sonntag deutscher Zeit brachte keine Überraschung: Die Auszeichnung als MVP dieser College-Football-Saison ging an Oregons QB Marcus Mariota, und danach war man sich in den Kommentaren einig, dass er ein Gewinner ist, der dem Idealbild eines Heisman-Trophy-Gewinners, der Kombination aus herausragender sportlicher Leistung und herausragender Persönlichkeit, geradezu mustergültig entspricht. Der 21-Jährige ist Oregons erster Heisman-Trophy-Gewinner, wurde von 788 der 929 Abstimmenden auf Platz eins gewählt und bekam bei der Abstimmung insgesamt 2.534 Punkte. Das ist die zweithöchste Gesamtpunktzahl in der 80-jährigen Geschichte der wichtigsten Auszeichnung im College Football. Hinter Mariota belegten Wisconsins RB Melvin Gordon (1.250 Punkte, 37 First Place Votes) und Alabamas WR Amari Cooper (1.023 Punkte, 49 First Place Votes) die Plätze zwei und drei. Die restlichen Spieler, die Punkte bekamen, waren dann schon weit abgeschlagen. Der Vierte, TCUs QB Trevone Boykin, bekam nur noch 218 Punkte. Mariota blieb bei seiner Rede nach seiner Kür gewohnt bescheiden und hob hervor, dass er diesen Erfolg eher der Unterstützung anderer als seinem eigenen sportlichen Talent verdanke. „Es ist eine Ehre für mich, hier zu stehen. Diese Auszeichnung gehört meinen Team-Kameraden. Die Menge an Opfern, die sie gebracht haben, werden nicht vergessen“, sagte er unter anderem. „Du bist so aufgeregt, und gleichzeitig schuldest du allen Dank, die dich dorthin gebracht haben. Das ist es, was mich emotional so bewegt hat: all die harte Arbeit anderer Leute“.

Die Wahl von Mariota zum wertvollsten Spieler dieser Saison hatte sich spätestens in der letzten Woche klar abgezeichnet. In den Tagen vor der Heisman-Trophy-Zeremonie in New York hatte Mariota vier weitere Auszeichnungen für den besten Quarterback und den besten Spieler der Saison bekommen, und erfahrungsgemäß ist so ein „Abräumen“ immer ein Indikator für den Ausgang der Heisman-Trophy-Wahl. Aber auch wenn es die eine oder andere Trophäe weniger gewesen wäre, seine sportliche Leistung in dieser Saison war so stark, die Wichtigkeit dieser für den Erfolg seines Teams so groß, dass nach Oregons Triumph im Championship Game der Pac-12 Conference am Wochenende zuvor eigentlich klar war, dass er die Auszeichnung bekommen wird. Mariota ist der Top-Passer dieser Spielzeit. Er war mit 68,3 Prozent seiner Pässe (254 von 372) erfolgreich, holte 3.783 Yards und warf in den bisher 13 Spielen 38 Touchdown-Pässe bei nur zwei Interceptions. Daneben erlief er noch 669 Yards und 14 Touchdowns und punktete einmal sogar als Paßempfänger. Er führte die Ducks zum Gewinn der Championship in der zurzeit zweitstärksten Conference und in die in dieser Saison erstmals ausgetragenen Playoffs in der FBS, in denen Oregon am 1. Januar im Halbfinale gegen Titelverteidiger Florida State antritt.

Natürlich wären auch Gordon und Cooper würdige Gewinner gewesen. Gordon ist mit 2.336 Yards 179,7 Yards pro Spiel) und 26 Rushing Touchdowns der Top-Rusher dieser Spielzeit. Mitte November hatte er beim 59:24-Sieg gegen Nebraska mit 408 erlaufenen Yards sogar einen neuen FBS-Rekord für Rushing Yards in einem Spiel aufgestellt (der allerdings nur eine Woche später von Oklahomas Samaje Perine überboten wurde). Cooper ist mit 115 Fängen für 1.656 Yards und 14 Touchdowns der nach Fängen und Yards führende Receiver dieser Saison. Ohne die Konkurrenz eines noch besseren, Mariota, hätte wohl einer dieser Beiden die Auszeichnung bekommen. Für Gordon war darüber hinaus von Nachteil, dass er für ein Team spielte, das nichts mit dem Kampf um die Playoff-Plätze zu tun hatte, und dass er bei der 0:59-Demütigung der Badgers im Big Ten Championship Game gegen Ohio State am Wochenende zuvor ebenso sang- und klanglos untergegangen war wie die ganze Mannschaft. Coopers „Problem“ neben der Konkurrenz durch Mariota ist, dass der Wert von Wide-Receiver-Leistungen für den Erfolg ihrer Mannschaften gewohnheitsmäßig immer etwas geringer eingeschätzt wird als der der Leistungen von Quarterbacks und Running Backs.

So weit die sportliche Seite. Was die Wahl Mariotas für Viele so wohltuend macht, ist aber die Person Mariota, seine Persönlichkeit, sein Werdegang. „Wenn ich an die Heisman Trophy denke, dann denke ich an Erstklassigkeit auf dem Spielfeld und jenseits des Spielfeldes. Und ich kann mich in meiner Lebenszeit an keinen würdigeren Empfänger dieser Auszeichnung erinnern als Marcus Mariota“, fasste Oregons Offensive Coordinator Scott Frost in wenigen Worten treffend zusammen, was viele, nicht nur aus dem Umfeld der Ducks, über Mariota denken, der gewissermaßen der Gegenentwurf zu der Mehrzahl der Heisman-Trophy-Gewinner der letzten Jahre ist. In den letzten Jahren wurde die Heisman-Trophy-Wahl von Spielern dominiert, die gewissermaßen auf der Überholspur zum ganz großen Ruhm gelangt waren, und deren unbestreitbar herausragende sportliche Leistungen einhergingen mit Defiziten im Auftreten, dem Verdacht des Verstoßes gegen NCAA-Regeln und Vergewaltigungsvorwürfen.

In drei der letzten vier Jahre ging die Heisman Trophy an Spieler, mit deren Wahl sich so mancher nicht anfreunden konnte beziehungsweise deren Wahl man später nachträglich bedauerte. Der Heisman-Trophy-Gewinner von 2010, Auburns QB Cameron Newton, war die erste dieser drei umstrittenen Figuren. Schon die Umstände seines Rauswurfs bei Florida blieben damals undurchsichtig, seine Rückkehr in den großen College Football 2010 nach einem Jahr im Junior College war dann schlicht skandalös. In der Schlussphase der Saison 2010 war herausgekommen, dass dessen Vater in zumindest einem Fall versucht hatte, die Dienste seines Sohnes gegen Zahlung einer sechsstelligen Summe zu vermitteln. Dank einer Grauzone im Regelwerk kam Newton Anfang Dezember 2010 um eine Sperre herum, und nur so konnten er und Auburn Anfang Januar 2011 Meister werden. Der Heisman-Trophy-Gewinner von 2012, Texas A & Ms QB Johnny Manziel, fiel erst später, in der Offseason nach seiner Wahl, durch allerlei Mätzchen negativ auf. Im Frühjahr 2014 - da hatte Manziel den College Football bereits verlassen - kam dann heraus, dass er während seiner College-Zeit offenbar gegen Bezahlung Sammlerstücke (Trikots, Bälle etc.) signiert hatte, was laut NCAA-Regeln verboten ist. Und Florida States QB Jameis Winston, der 2013 wie Manziel im Jahr davor in seiner ersten College-Saison die Heisman Trophy gewann, wurde mit der Trophäe ausgezeichnet, während gegen ihn wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung ermittelt wurde (der Fall ist nach wie vor nicht abgeschlossen), und machte in diesem Frühjahr - noch vergleichsweise harmlos - negative Schlagzeilen unter anderem wegen Ladendiebstahls.

Mariota ist demgegenüber skandalfrei und unumstritten - der Anti-Newton, Anti-Manziel, Anti-Winston sozusagen. Der gebürtige Hawaiianer sucht nicht das Rampenlicht, spielt seine eigenen Verdienste herunter, gilt als der ultimative Mannschaftsspieler. Coaches und Mitspieler heben zudem seine ausgeglichene Art hervor, dass er einer ist, der im Moment des Erfolges nicht abhebt, aber sich in Momenten des Misserfolgs auch nicht zu sehr runterziehen lässt. Mit all dem und seinem unbändigen Willen, immer besser zu werden, helfe er auch den Spielern um sich herum, sich weiter zu entwickeln, hatte Head Coach Mark Helfrich, der Mariota 2010 - damals noch Offensive Coordinator der Ducks unter Head Coach Chip Kelly - entdeckt hatte, vor der Saison einmal über Mariota gesagt. Man darf vermuten, dass Mariota, der zu Beginn seiner College-Zeit sehr ruhig war und laut eigener Aussage erst von seinen Team-Kameraden ermuntert werden musste, mehr aus sich rauszugehen und auch verbal die Führungsrolle in der Mannschaft zu übernehmen, die vielen Lobpreisungen ein bisschen zu weit gehen. Und man kann erahnen, woher diese Bescheidenheit kommt. Seine Entwicklung zu einem der besten College-Football-Spieler mit der Chance, College-Meister zu werden und später in der NFL Millionen verdienen zu können, war nämlich alles andere als vorgezeichnet. In der High School auf Hawaii wurde er erst in seiner letzten Saison Stammspieler. Wohl auch deshalb bekam er nur wenige Angebote für ein Football-Stipendium. Bei Oregon spielte er in seinem ersten Jahr an der Universität, 2011, noch nicht, trainierte nur mit.

Sein Aufstieg zu einem der Top-Quarterbacks im College Football begann ein Jahr später, als er sich in der Saisonvorbereitung als die neue Nummer eins und Nachfolger von Darron Thomas durchsetzte. Sein Debüt war beeindruckend: 2.677 Passing Yards, 32 Touchdown-Pässe, sechs Interceptions, Top-Passer der Pac-12 Conference. Oregon beendete die Saison mit einer 12-1-Bilanz und als Ranglistenzweiter hinter National Champion Alabama. In der Saison 2013 ging es zunächst so weiter, ehe eine Verletzung ihn und sein Team aus dem Tritt brachte. Ende Oktober, Oregon gehörte mit einer 8-0-Bilanz zum Kreis der Titelanwärter, zog sich Mariota im Spiel gegen UCLA eine Knieverletzung (Bänderanriss) zu. Er spielte zwar trotz der Verletzung weiter und war am Ende erneut der Top-Passer der Pac-12 (3.665 Yards, 31 Touchdowns, vier Interceptions), er war in den letzten Wochen der Regular Season aber nicht mehr so wirkungsvoll (alle Interceptions unterliefen ihm in dieser Phase der Saison). Oregon verlor zwei der letzten vier Spiele (gegen Stanford eine Woche nach dem UCLA-Spiel und gegen Arizona zwei weitere Wochen später) und war raus aus dem Kampf um die Meisterschaft - und Mariota kostete das vielleicht den schon damals möglichen Gewinn der Heisman Trophy. In diesem Jahr nun lief fast alles reibungslos (abgesehen von der Niederlage Anfang Oktober gegen Arizona, bei der auch Mariota hinter seinen bis dahin gewohnten Leistungen zurückblieb). Und wenn das noch zwei Spiele lang so bleibt, könnten Mariota und Oregon den Triumph im Januar vollkommen machen.

Hoch - 15.12.2014

(© University of Oregon)

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