Katerstimmung im Mittelwesten

Ohio State kann siegen und siegen - die Playoffs bleiben dennoch unsicher.
Welche Erkenntnisse kann man aus dem ersten beiden Spieltagen mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf und die am Ende wartende erste Auflage der neu geschaffenen Playoffs ziehen? Im Grunde nicht allzu viele. Zu viel wird in den kommenden knapp drei Monaten noch passieren. Erfahrungsgemäß wird das eine oder andere Team in der Spitze auftauchen, das man vor der Saison nicht auf der Playoff-Rechnung hatte, während sich „sichere“ Playoff-Kandidaten vorzeitig aus dem Rennen um die vier Plätze in der kleinen KO-Runde verabschieden werden. In einem Punkt zeichnet sich aber bereits eine Tendenz ab: in dem, welche der fünf stärksten Conferences, der so genannten Power 5 (SEC, Pac-12, Big Ten, Big Twelve und ACC), die besten Chancen haben, in den Playoffs vertreten zu sein beziehungsweise welche Conference außen vor bleibt. In diesem Punkt ist nach den Ergebnissen der ersten beiden Wochen die Big Ten Conference der große Verlierer. Dazu im Detail gleich mehr.

Für College-Football-Fans außerhalb der USA ist die Frage, welche Conferences in den Playoffs vertreten sein werden und welche nicht, wohl eine eher zweitrangige Frage, in den USA hat sie Gewicht, ist die Identifikation der Fans mit der Conference, der ihr Team angehört, fast genauso groß wie die mit dem Team selbst. In Blogs und Kommentaren „kloppen“ sich die Fans aus den unterschiedlichen Regionen verbal ständig darum, welche Conference stärker ist als die anderen, wo der bessere Football gespielt wird. Und die Power 5 Conferences, die gegenüber dem Rest des College Footballs als Einheit auftreten, etwa wenn es darum geht, den anderen mehr Autonomie, vor allem bezüglich des Einsatzes ihrer größeren finanziellen Mittel, „abzupressen“, sind zugleich Rivalen, die penibel darauf achten, dass sich die jeweils anderen vor allem finanziell nicht Vorteile verschaffen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage „Who’s in“, die der TV-Sender ESPN quasi als Motto über die Hinweise auf bevorstehende Top-Spiele stellt, für die Conferences wichtig. Beim Millionen-Spiel Playoffs dabei zu sein, heißt mehr Einnahmen, mehr „Exposure“, mehr Prestige, bessere Chancen für die Conference-Mitglieder beim Anwerben der besten Nachwuchsspieler. Nicht dabei zu sein, schwächt das „Standing“ gegenüber den anderen. Und da nur vier Playoff-Plätze zu vergeben sind, war von Anfang an klar, dass mindestens eine Conference auf jeden Fall herausfällt.

Die Big Ten hatte in dem Punkt schon vor dem ersten Kickoff relativ schlechte Karten. Zwar galt jahrelang die ACC als die insgesamt schwächste der fünf Top-Conferences, aber weil die ACC mit Florida State den amtierenden National Champion stellt und fast alle Fachleute davon ausgehen, dass Florida State auch in dieser Saison ungeschlagen durch die Regular Season kommt (und damit so gut wie sicher in den Playoffs wäre), rutscht die Big Ten in Sachen Playoff-Chancen hinter die ACC, und die anderen drei Conferences gelten ohnehin als stärker und damit die Chancen ihrer Champions auf den Einzug in die Playoffs als größer. Für die drei potenziellen Top-Teams der Big Ten - Ohio State, Michigan State und Wisconsin - hieß das, dass sie angesichts ihrer relativ leichten Programme im Grunde nur Chancen auf das Erreichen der Playoffs haben, wenn sie ungeschlagen Conference Champion werden. Ohio State hätte in diesem Fall auch ohne stärkere Gegner in den Non-Conference-Spielen der große Name geholfen plus Siege gegen Michigan State und im Big Ten Championship Game, Michigan State hätte Siege gegen den Pac-12-Favoriten Oregon und eben Ohio State (plus das Big Ten Championship Game) auf der Haben-Seite verbuchen können und Wisconsin Siege gegen LSU außerhalb der Conference sowie den im Big Ten Championship Game (wahrscheinlich gegen den Sieger des Punktspiels Ohio State gegen Michigan State). Diese Gedankenspiele sind nach den Ergebnissen der ersten Wochen vom Tisch. Wisconsin verlor am ersten Spieltag gegen LSU nach 24:7-Führung, noch mit 24:28, Michigan State verlor am letzten Samstag nach zwischenzeitlicher 27:18-Führung bei Oregon mit 27:46 und Ohio State, das durch den verletzungsbedingten Ausfall von QB Braxton Miller kurz vor der Saison offenbar doch stärker geschwächt wurde als erwartet, kassierte am Samstag eine 21:35-Heimniederlage gegen Virginia Tech.

Nach diesen Pleiten sind die Chancen der vermeintlichen großen Drei der Big Ten auf das Erreichen der Playoffs nur noch gering. An ungeschlagenen Teams aus den anderen vier Conferences kämen sie in der Rangliste des für die Vergabe der Playoff-Plätze zuständigen Selection Committees auf keinen Fall vorbei, und auch wenn in diesen Conferences ebenfalls kein Team ungeschlagen bleiben sollte, würde es ein mit einer Niederlage belasteter Big Ten Champion schwer haben, an denen vorbeizukommen. Dennoch hält Big Ten Commissioner Juim Delany nichts davon, seine Conference schon jetzt in Sachen Playoffs abzuschreiben. „Wir fühlen uns im Moment nicht gerade gut, aber Fakten sind Fakten. Ich würde sagen, da noch 50 Prozent der Non-Conference-Spiele und 100 Prozent der Conference-Spiele vor uns liegen, wäre es voreilig, jetzt schon Urteile zu fällen“, sagte er gegenüber ESPN zur Situation seiner Conference. Ganz unrecht hat er damit natürlich nicht, aber an anderer Stelle des Gesprächs räumte er auch ein, dass manche Spiele mehr Gewicht haben als andere und dass seine Conference noch keine Erfolge in wichtigen Spielen vorzuweisen habe.

Und wenn Delany schon auf Fakten verweist, dann sind die düster genug. Die Teams der Big Ten gewannen an den ersten beiden Wochenenden zwar 20 ihrer 27 Spiele, aber zehn Siege holten sie gegen unterklassige Gegner, einige Male sogar nur mit einer Portion Glück. In Spielen gegen Teams aus den schwächeren FBS Conferences lautet die Bilanz 5-2, mit meist auch nicht überzeugenden Leistungen und empfindlichen Heim-Pleiten von Northwestern gegen Northern Illinois und Purdue gegen Central Michigan aus der MAC. Und in den sechs Partien gegen Teams aus den anderen Power 5 Conferences plus Notre Dame ist die Bilanz mit 1-5 verheerend. Den einzigen Sieg holte Big-Ten-Neuling Rutgers am ersten Spieltag mit 41:38 bei Washington State, einem der schwächsten Teams der Pac-12. Sicher, bis das Selection Committee seine erste Rangliste veröffentlicht (Ende Oktober) ist vieles davon vergessen oder zumindest in den Köpfen nicht mehr so präsent, aber was Delany nicht sagte, war, dass es nicht mehr viele prestigeträchtige Spiele gibt, in denen eines der drei Teams (Ohio State, Michigan State, Wisconsin) den durch die Niederlagen und den schwachen Gesamt-Eindruck der Big Ten verspielten Boden gut machen könnte. Und so wird es wohl dabei bleiben, dass die Big Ten unter den Power 5 Conferences die Conference ist, deren letzter Gewinn der National Championship am weitesten zurückliegt (Ohio State 2002).

Hoch - 09.09.2014

Ohio State kann siegen und siegen - die Playoffs bleiben dennoch unsicher.

Ohio State kann siegen und siegen - die Playoffs bleiben dennoch unsicher. (© Getty Images)

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